Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine



Amalie und Siegbert Leser
© Privatbesitz

Siegbert Leser * 1888

Eppendorfer Landstraße 14 (Hamburg-Nord, Eppendorf)

1941 Riga
HIER WOHNTE
SIEGBERT LESER
JG. 1888
DEPORTIERT 1941
RIGA
???
(ermordet Salaspils bei Riga)

Siehe auch:

    Weitere Stolpersteine in Eppendorfer Landstraße 14:
    Robert Salomon Borchardt, Claus-Jürgen Borchardt, Charlotte Borchardt, Amalie Leser, Hans Leser, Ernst J. Schönhof, Rudolf W. Stamm, Else Stamm, Eric Walter Stamm, Dr. Carl Stamm, Minna Margarethe Stamm

    Amalie Leser, geb. Janover, geb. 3.7.1896 in Bremen, deportiert am 6.12.1941 nach Riga
    Siegbert Leser, geb. 5.6.1888 in Hamburg, deportiert am 6.12.1941 nach Riga
    Hans Siegwart Leser, geb. 12.7.1924 in Hamburg, deportiert am 6.12.1941 nach Riga

    Das Ehepaar Amalie und Siegbert Leser wohnte seit etwa 1933/34 mit seinen beiden Söhnen Hans Siegwart und Siegmund Manfred (geb. 1927) in der Danziger Straße 6. Das Haus, in dem sie lebten, gehörte bis zur "Arisierung" im Jahr 1938 zum Besitz des Vaters von Siegbert, Siegmund Leser (geb.1859), der in St. Georg ein sehr bekannter Geschäftsmann war und neben einem großen Häuserblock in der Linden-, Brenner- und Danziger Straße sowie am Steindamm, ein von ihm 1889 gegründetes großes Textilwarenhaus besaß, das sich ebenfalls am Steindamm befand. Siegberts Mutter war Julie Leser, geb. Hertz (1853–1924), er hatte eine Schwester namens Lily, die später mit ihrem Mann Paul Sternberg in Hannover lebte und nach Argentinien auswanderte.

    Siegbert Leser war Teilnehmer des Ersten Weltkriegs und erhielt das Eiserne Kreuz 2. Klasse. Er meldete im Februar 1918 sein erstes Gewerbe als "kaufmännischer Agent für Hausstandsgegenstände" an. 1920 hatte er ein Fotoatelier in der Dammtorstraße 4, in dem auch optische Geräte gehandelt wurden. Siegbert und Amalie Leser heirateten Anfang der 1920er Jahre. Die Familie wohnte später in der Isestraße 121 in einer sehr geräumigen Wohnung.

    Im Jahr 1931 übernahm Amalie Leser die Geschäftsführung des Betriebes, der sich inzwischen in der Eppendorfer Landstraße 14 befand, wohin die Familie zu dieser Zeit auch umgezogen war.

    Etwa 1933 wurde das Fotogeschäft und der Familienwohnsitz in die Danziger Straße verlegt; Siegbert Leser betätigte sich ab 1936 außerdem als selbstständiger Vertreter für Röntgenfilme, mit denen er Krankenhäuser und Ärzte belieferte. Er war daneben, seit die Firma seines Vaters, der 1927 verstarb, 1924 in eine KG umgewandelt worden war, dort Kommanditist ohne allerdings an der Geschäftsführung beteiligt zu sein. Im Zuge der antijüdischen Maßnahmen des NS-Regimes musste sich die KG jedoch im Dezember 1938 auflösen und wurde "im We­ge der Arisierung" vom ehemaligen Prokuristen der Fa. Leser, Julius Schneider, übernommen, während ein Makler namens Ladiges die Grundstücke der Familie erwarb.

    Die beiden Söhne des Ehepaars gingen nach dem Umzug in die Danziger Straße zunächst eine Zeitlang in die Borgeschschule in St. Georg. Diese mussten sie als jüdische Schüler jedoch bald verlassen und wechselten auf die Claire-Lehmann-Schule über, eine jüdische Privatschule. Als diese von den NS-Behörden geschlossen wurde, gingen die beiden Jungen auf die Talmud Tora Schule. Obwohl Siegbert Leser aus sehr vermögendem Hause stammte, ist es der Familie offenbar seit Ende der 1930er Jahre wirtschaftlich nicht gut gegangen, da ihr Geschäft als Betrieb einer extrem diskriminierten Bevölkerungsgruppe nicht florierte und sie 1939 die sogenannte Judenvermögensabgabe zahlen musste. Am Tag des Novemberpogroms, dem 9. November 1938, wurde der Vater verhaftet und für zwei Monate ins KZ Sachsenhausen gesperrt. Während der Inhaftierung ihres Mannes hatte Amalie Leser Schiffskarten für die Auswanderung der vierköpfigen Familie nach Schanghai besorgt. Ihr Mann lehnte es jedoch ab auszuwandern, weil er nicht daran glaubte, dass das NS-Regime noch lange Bestand haben würde.

    Am 6. Dezember 1941 befand sich dann auch die Familie Leser unter den insgesamt 753 Hamburger Juden, die mit dem Massentransport nach Riga deportiert wurden. Dort eingetroffen, wies man die Mutter und ihren jüngeren Sohn Manfred zuerst in das von der SS geführte improvisierte Lager "Jungfernhof" bei Riga ein. Der Vater Siegbert kam mit seinem älteren Sohn Hans Siegwart vom "Jungfernhof" in das als "weiße Hölle" gefürchtete Arbeitslager Salaspils, nicht weit von Riga. Dort erkrankte er wegen der mörderischen Lebensbedingungen schwer und wurde deshalb einem sogenannten Krankentransport zugewiesen, dem sich sein Sohn freiwillig anschloss, weil er seinen Vater nicht verlassen wollte. Da die für diese Transporte Selektierten üblicherweise zur Vernichtung vorgesehen waren, kann angenommen werden, dass Vater und Sohn Leser ermordet wurden.

    Amalie Leser und ihr Sohn Manfred kamen später ins Getto Riga und wurden beide von dort am 1. Oktober 1943 ins KZ Kaiserwald (Lettland) verlegt, von wo man sie am 5. September 1944 per Schiffstransport ins KZ Stutthof bei Danzig brachte. Hier wurden Mutter und Sohn getrennt. Vom Schicksal Amalie Lesers ist seitdem nichts mehr bekannt, ihr Sohn Manfred meldete sich zu einer Arbeitskolonne, die in Burggraben bei Danzig am Bau von U-Booten beteiligt war. Mit dem Vorrücken der sowjetischen Armee wurde Manfred Leser mit den anderen Gefangenen in verschiedene Lager in Pommern deportiert, zuletzt ins SS-Lager Rieben bei Lauenburg, wo er schließlich von russischen Truppen Anfang März 1945 befreit wurde. Für die drei umgekommenen Mitglieder der Familie Leser wurden im Jahr 2004 Stolpersteine vor der Stelle ihres letzten Wohnhauses in der Danziger Straße gelegt.

    © Benedikt Behrens

    Quellen: 1; 4; 5; AfW, Entschädigungsakten; StaH, 522-1, Jüdische Gemeinden, 992 e 2 (Deportationslisten); Interview mit Manfred Leser, April 2008; Meyer, Beate, Die Deportation der Hamburger Juden 1941– 1945, in: dies. (Hg.), Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden 1933–1945. Geschichte. Zeugnis. Erinnerung, Hamburg 2006, S. 42–78; Bajohr, Frank, "Arisierung" in Hamburg. Die Verdrängung der jüdischen Unternehmer 1933–1945, Hamburg 1997, S. 363.
    Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".


    Amalie Leser, geb. Janover, geb. 3.7.1896 in Bremen, am 6.12.1941 nach Riga deportiert, am 1.10.1944 ins KZ Stutthof weiterdeportiert
    Siegbert Leser, geb. 5.6.1888 in Hamburg, am 6.12.1941 nach Riga deportiert
    Hans Siegwart Leser, geb. 12.7.1924 in Hamburg, am 6.12.1941 nach Riga deportiert

    Eppendorfer Landstraße 14

    Für Familie Leser liegen auch in der Danziger Straße Stolpersteine. Ihre ausführliche Geschichte ist nachzulesen bei Benedikt Behrens, "Stolpersteine in Hamburg-St. Georg".

    Der Vater, Siegbert Leser, war von Beruf Kaufmann und hatte eine Firma für Röntgenbedarf. Er lieferte Röntgenfilme an Krankenhäuser und Privatärzte. Unter anderem vertrat er die Marken Kodak und Agfa. Im Adressbuch von 1933 ist als Firmeninhaberin seine Frau Amalie Leser eingetragen. Zu dieser Zeit lebte die Familie in der Eppendorfer Landstraße. Da nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten immer mehr Kunden wegblieben, zogen die Lesers, um Geld zu sparen, in das Haus Danziger Straße 6, das Siegberts Vater gehörte. Siegbert und Amalie hatten zwei Söhne, den 1924 geborenen Hans Siegwart, und den drei Jahre jüngeren Siegmund Manfred. Beide besuchten die Vorschule von Cläre Lehmann (s. dort) und wechselten dann auf die Talmud Tora Schule. Der Jüngere erinnerte sich, dass sie den Weg von der Danziger Straße zur Schule in der Carolinenstraße zu Fuß zurücklegten, um das eingesparte Fahrgeld – einen Groschen – beim Krämer ausgeben zu können.

    Beide Jungen waren Mitglied im jüdischen Sportverein "Schild". Hans trainierte Leichtathletik, Manfred spielte Tischtennis, unter anderem mit Esther, der Tochter von Alberto und Marie Anna Jonas (s. dort). Mit den Nachbarsjungen in St. Georg spielten sie Fußball. Zu judenfeindlichen Äußerungen sei es unter den Kindern nie gekommen, so der Sohn: "Die haben sich nur gewundert, warum wir nicht zu den Jungvolkversammlungen gegangen sind wie sie. … Dann kam der Judenstern und … sie waren alle ziemlich verlegen, haben da so gemacht, als ob sie das gar nicht sehen." An hohen Feiertagen ging man in die Synagoge, Vater Siegbert war Mitglied der Jüdischen Gemeinde, aber sonst spielte Religion keine große Rolle. Die Bar-Mizwa (Aufnahme in die Jüdische Gemeinde nach Vollendung des 13. Lebensjahres) der Söhne wurde aber gefeiert.

    Die Eltern Leser besuchten einen Stammtisch in einem Lokal an der Ecke Danziger Straße/Brenner Straße. Amalie spielte Bridge, Siegbert, der immer Anzug und Krawatte trug, das Kartenspiel 66. St. Georg war seine Heimat, hier war er aufgewachsen und mit Hans Albers zur Schule gegangen. Das Ehepaar war assimiliert. Umso größer muss der Schock des Novemberpogroms von 1938 gewesen sein. Wie viele andere jüdische Männer wurde Siegbert Leser im KZ Sachsenhausen inhaftiert. Seiner Frau gelang es, Schiffskarten nach Schanghai zu bekommen, so dass er entlassen wurde, aber auswandern wollte er selbst nach den fürchterlichen Erfahrungen im KZ nicht. Er fürchtete sich wohl vor einer ungewissen Zukunft in der Fremde.

    Im November 1941 erhielt Familie Leser den Deportationsbefehl nach Minsk. Mit Hilfe eines Attests konnten einige Wochen Aufschub gewonnen werden, aber am 6. Dezember 1941 mussten sie die Fahrt nach Riga antreten. Hans war 17, Siegmund Manfred 14 Jahre alt. Als sein Vater dort bei der Ankunft die lettische SS mit Peitschen und Schäferhunden sah, habe er gewusst, was los sei, erinnerte sich der jüngere Sohn. Hans, der ältere, kam gemeinsam mit dem Vater ins Arbeitslager Salaspils in den Wäldern bei Riga. Als Siegbert erkrankte und sich für einen "Krankentransport" meldete, wollte Hans seinen Vater nicht alleinlassen und ging mit. Beide wurden ermordet.

    Siegmund Manfred und seine Mutter konnten während der verschiedenen Leidensstationen, die sie im Getto von Riga und im KZ Kaiserwald durchlebten, Kontakt halten und wurden gegen Ende des Krieges mit demselben Transport ins KZ Stutthof bei Danzig verschifft. Hier muss Amalie Leser umgekommen sein. Siegmund Manfred überlebte und wurde bei Kriegsende von der Roten Armee befreit. Der damals 17-Jährige kehrte nach Hamburg zurück und wanderte später in die USA aus.

    © Sabine Brunotte

    Quellen: 1; 4; AB 1933; Forschungsstelle für Zeitgeschichte, WdE 495, Interview vom 25.8.1997; mündliche Auskunft Fred Leser vom 5.6.2009 und 22.10.2010.
    Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

    druckansicht  / Seitenanfang