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Bereits verlegte Stolpersteine



Ilo Levy * 1882

Loogestieg 13 (Hamburg-Nord, Eppendorf)

1941 Lodz
HIER WOHNTE
ILO LEVY
JG. 1882
DEPORTIERT 1941
LODZ
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Loogestieg 13:
Alice Berju, Iwan Hess

Ilo Levy, geb. 29.11.1882 in Schleswig, am 25.10.1941 nach Lodz deportiert, am 11.5.1942 nach Chelmno weiterdeportiert

Loogestieg 13

Ilo (Isidor) Levys Eltern, Jacob Michael Levy (geb.1840) und Henriette (geb. Meyer Selig, geb. 1852) zogen von Friedrichstadt nach Schleswig. Der Vater betrieb dort seit 1876 ein Vorschuss- und Lombardgeschäft, 1881 zusätzlich eine Tabak- und Zigarrenfabrik. 1879 wurde er Vorsteher der Israelitischen Gemeinde in Schleswig.

Ilo verließ nach seiner Schulzeit in Schleswig im April 1899 mit 17 Jahren seine Heimatstadt und nahm in Aschersleben in Sachsen-Anhalt eine kaufmännische Lehre auf. Die Stadt befand sich seit Mitte des Jahrhunderts in einer rasanten industriellen und kaufmännischen Entwicklung, der richtige Ort für einen zielstrebigen jungen Mann.

Er spezialisierte sich auf das Geschäft mit Getreide und Mühlenprodukten, verdiente gut und heiratete die Jüdin Dorothea Dawidowicz. Am 29. November 1914 wurde ein Sohn, Ernst-Jacob, geboren. Die Familie zog nach Berlin-Mitte, Klopstockstraße 20. Die Ehe wurde geschieden. Ilo verließ die Stadt, Sohn und Mutter blieben in Berlin.

Spätestens seit 1924 unterhielt Ilo Levy enge Kontakte zur Jüdischen Gemeinde in Hamburg. 1926 ließ er sich ganz hier nieder und trat der Gemeinde offiziell bei. Aus Schwerin folgten nun auch seine unterdessen verwitwete Mutter und die unverheiratete Schwester Ida Levy. Beide zogen in die Neumünstersche Straße 5.
1934 war Ilo Levy in Hamburg als Händler für Mühlenprodukte registriert, 1936 war er an der Hamburger Getreidebörse zugelassen. Ob er als Angestellter oder als Selbstständiger auftrat, ist unklar.

Es fällt auf, dass Ilo Levy, der nach seiner Ankunft in Hamburg zunächst im Jungfrauenthal 12 wohnte, in den folgenden 15 Jahren bis zu seiner Deportation nach Lodz siebenmal umzog. Er blieb dabei immer in dem Gebiet Rotherbaum/Eppendorf, wohnte aber stets zur Untermiete, so etwa 1937 am Loogestieg 13 Parterre bei Bleier oder 1939 Beim Andreasbrunnen 9 II bei Familie Karl Kaufmann (Vater, Mutter, drei Kinder, viereinhalb Zimmer). Der häufige Wohnungswechsel mag Ausdruck zunehmender finanzieller Schwierigkeiten Levys gewesen sein, die mit Beginn der Weltwirtschaftskrise (1929) einsetzten, sich aber nach der nationalsozialistischen Machtübernahme verhängnisvoll entwickelten. Jedenfalls war Ilo Levy in der Gemeinde, die er zunächst kräftig unterstützt hatte, seit 1929 von der Kultussteuer befreit oder die Zahlung noch offener Beträge wurde ihm erlassen. Später verlor er als Jude offensichtlich seine Anstellung, denn im März 1939 bezeichnete er sich im "Fragebogen für Auswanderer" als "zuletzt selbständig in gleicher Branche". Dem entspricht ein Vermerk von 1937: Einzelhandelsgeschäft für Mehl- und Mühlenprodukte in Hamburg 13.

Das Thema "Auswanderung" beschäftigte Levys seit dem Machtantritt der Nationalsozialisten. Schon 1934 waren die Mutter und Schwester Ida nach Antwerpen/Belgien geflohen, wo bereits eine andere Schwester lebte. 1935 hatte es Ernst-Jacob, den Sohn, mit 20 Jahren von Berlin nach Brasilien verschlagen.

Anfang 1937 – Ilo Levy war nun 55 Jahre alt – machte auch er sich entschieden daran, aus Deutschland zu fliehen. Mit Genehmigung der Devisenstelle des Landesfinanzamtes brach er im April 1937 zu einer Reise nach Belgien (Antwerpen) und Holland (Amsterdam, Rotterdam) auf, um nach Möglichkeiten zu suchen, irgendwo in seinem Beruf unterzukommen. Die Reise erbrachte nichts. Die Erkundung in Holland fiel ganz aus, da, wie Levy am 23. April 1937 auf einer Postkarte an die Devisenstelle knapp und bitter schrieb, "die Devisengenehmigung der Devisenstelle ausgeblieben ist". Ohne eine solche Genehmigung war ihm, dem Juden, der Erwerb holländischer Währung nicht möglich.

Wie dringlich es auch für ihn nun geworden war, sich in Sicherheit zu bringen, zeigt seine Verhaftung nach der Pogromnacht am 9. November 1938. Als "Schutzhäftling" war er bis zum 21. Dezember im KZ Sachsenhausen inhaftiert.

Seine Bemühungen, aus Deutschland zu entkommen, sind von Februar 1939 an in Auswanderungsakten dokumentiert. Er wollte nun über Belgien nach Kuba. Die Schwestern in Ant­werpen würden die Kosten tragen, denn er sei völlig mittellos, habe "seit Jahren kein Einkommen, keinerlei Vermögen noch Versicherungen, keine Metalle, keine Forderungen usw. … nichts." (Vermögenserklärung vom 23.2. 1939) Mit "fünf bis zehn RM" in der Tasche wolle er Deutschland verlassen, "um nicht ohne Geld in Belgien zu reisen".

Am 21. März 1939 um 11 Uhr ging aus Brüs­sel ein Telegramm an Ilo Levy ab mit der Nachricht: "Mama nachts entschlafen/Versuche herzukommen."
Am 23. März 1939 beschied die Devisenstelle des Oberfinanzpräsidiums: Keine Bedenken gegen die Auswanderung.

Die Flucht gelang nicht. Die Erledigung weiterer Formalitäten zog sich immer weiter hin. Im September überfiel die deutsche Wehrmacht Polen und begann den Krieg. An Auswanderung war nicht mehr zu denken.

Ilo Levy wurde am 25. Oktober 1941 in das Getto Lodz deportiert. In seinen Getto-Akten ist unter dem 11. Mai 1942 registriert: "ausgewiesen", ein Euphemismus. Am selben Tag ging aus Lodz ein Transport ins Vernichtungslager Chelmno ab.

© Johannes Grossmann

Quellen: 1; 2; 4; 5; 8; StaH 314-15 OFP, Fvg 5567; StaH 332-8 Meldewesen A 51 (Levy,Ilo, Levy, Levy Henriette, Levy, Ida); Archiwum Panstwowe, Lodz (Getto-Archiv), Melderegister PL-39-278-1011-13945 und 13946; Auskünfte Dr. M. Schartl, Kulturstiftung des Kreises Schleswig-Flensburg, E-Mail vom 3.2.2010.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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