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Bereits verlegte Stolpersteine



Gustav Remi * 1905

August-Krogmann-Straße 100 (Versorgungsheim Farmsen) (Wandsbek, Farmsen-Berne)

KZ Neuengamme
ermordet 11.03.1943

Weitere Stolpersteine in August-Krogmann-Straße 100 (Versorgungsheim Farmsen):
Ludwig Döpking, Richard Elkeles, Wanda Hoffmann, Martin Lentfer

Gustav Hermann Remi, geb. am 4.6.1905 in Hamburg, inhaftiert von 1936–1938, 1940–1942, verstorben am 11.3.1943 im KZ Neuengamme

August-Krogmann-Straße 100

Gustav Remi, auch "Guschi" genannt, kam 1905 in Hamburg als Sohn des Julius Remi und der Maria, geb. Held, zur Welt. Er hatte mindestens noch zwei Geschwister. Den Besuch der Volksschule brach er vorzeitig ab, danach arbeitete er in einer Fabrik, bevor er 1921 oder 1922 zum Varieté ging und vier Jahre als Humorist auf der Bühne stand. Wegen einer Lungentuberkulose konnte er den Beruf nicht weiter ausüben. Nach seiner Genesung schlug er sich als Aushilfskellner durch. Zwischen 1923 und 1932 wurde Remi mehrfach wegen Diebstahls, Obdachlosigkeit und Betrugs bestraft.

In den polizeilichen Verhören gab Remi an, bisexuell veranlagt zu sein und sich von Zeit zu Zeit mit Strichjungen eingelassen zu haben. Später sprach er ganz offen über seine homosexuelle Veranlagung. Remi: "Aus eigener Veranlagung habe ich früher auch Frauenkleider getragen, weil ich mich in Frauenkleidern besonders wohl fühlte. Ich habe in dieser Kleidung Tanzvergnügen besucht und dergl. Zu irgendwelchen unsittlichen Zwecken habe ich diese Kleidung nicht benutzt." Wegen des Tragens von Frauenkleidern soll Remi 1933 für neun Wochen in einem Konzentrationslager gewesen sein.

Mindestens bis 1934 arbeitete Remi als Strichjunge. Von Juli bis September 1935 war er "freiwillig" im Versorgungsheim Farmsen untergebracht. Tatsächlich wurden Personen, die als "arbeitsscheu" eingestuft wurden, mit verschiedenen Druckmitteln in diese Heime eingewiesen. Im Versorgungsheim Farmsen hatte Remi mit verschiedenen Männern Sex und lernte seinen Freund Otto Giering kennen. Von einem Mitinsassen wurde Remi Ende Januar 1936 wegen "widernatürlicher Unzucht" angezeigt. Am 16. Februar 1936 wurde er festgenommen und kam zwei Tage später in Untersuchungshaft. Im Juli 1936 verurteilte ihn das Amtsgericht Hamburg zu einem Jahr und neun Monaten Gefängnis wegen "fortgesetzter Unzucht zwischen Männern" nach § 175 StGB, ohne die Untersuchungshaft in Anrechnung zu bringen. Eine Revision wurde im Oktober desselben Jahres vom Landgericht verworfen. Die Strafe verbüßte er zunächst im Männergefängnis Fuhlsbüttel, ab Dezember 1936 in Wolfenbüttel. Otto Giering wurde ebenfalls zu einem Jahr und neun Monaten Gefängnis verurteilt.

Ende Mai 1940 geriet Gustav Remi erneut in den Blick der Fahnder. Ein inhaftierter Strichjunge erkannte ihn anhand einer Lichtbildkartei als ehemaligen Sexpartner. Zu dieser Zeit war Remi nicht mehr in Freiheit. Er saß in Altona in Untersuchungshaft, weil er wegen seiner "zuhälterischen Beziehung zu einer Prostituierten" angeklagt werden sollte. Im Juli 1940 wurde er vom Gefängnis Altona ins Männergefängnis Fuhlsbüttel überführt.

Das Amtsgericht Hamburg verurteilte ihn im August 1940 zunächst nur nach § 175 zu einem Jahr Gefängnis, in einem Gesamtstrafenurteil vom Oktober 1940 zusätzlich wegen Zuhälterei zu insgesamt einem Jahr und fünf Monaten Haft. Die Strafe verbüßte er in den Gefängnissen Hahnöfersand und Glasmoor.

Nach seiner Entlassung am 30. Oktober 1941 wurde Gustav Remi der Polizei überstellt, saß vom 6. bis 13. November 1941 im KZ Fuhlsbüttel und verblieb dann zunächst bis zum 10. April 1942 im Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis. Nach einer erneuten Überstellung zur Kripo Hamburg kam er im Mai 1942 zur "Sicherungsverwahrung" ins KZ Neuengamme und trug dort die Häftlingsnummer 7076. Im Lager galt er als "175er", möglicherweise wurde er dort auch als Kapo, d. h. als Mitarbeiter der Lagerleitung zur Beaufsichtigung von Häftlingen, eingesetzt. Gustav Remi starb dort am 1. März 1943.

Nach neuesten Forschungen gilt für Gustav Remi in den Jahren 1940/1941 die Altonaer Adresse Kleine Freiheit 20, II. Etage bei Hahn, als letzte polizeiliche Meldeanschrift. Als Mahnung an die Unrechtstaten im ehemaligen Versorgungsheim Farmsen und in Erinnerung daran, dass er dort seinen Freund Otto Giering kennengelernt hatte, erinnert in der August-Krog­mann-Straße 100 ein Stolperstein an sein Schicksal. Sein Freund überlebte das NS-Regime, musste allerdings eine "freiwillige Kastration" und jahrelange Konzentrationslagerhaft erdulden. Er starb nach einem langen Kampf um Entschädigungszahlungen 1976 in Berlin.

© Bernhard Rosenkranz(†)/Ulf Bollmann

Quellen: StaH 213-11 (Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen), A05008/33, 8467/38 und 2758/42; StaH 242-1II (Gefängnisverwaltung II), Ablieferungen 13, 16 und 1998/1; StaH 331-1II ( Polizeibehörde II), Ablieferung 15, Band 1; Andreas Pretzel, NS-Opfer unter Vorbehalt, Münster 2002, S. 266ff.; Bernhard Rosenkranz/Ulf Bollmann/Gottfried Lorenz, Homosexuellen-Verfolgung in Hamburg 1919–1969, Hamburg 2009, S. 249.

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