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Louise Loevy * 1881

Grindelberg 90 (Eimsbüttel, Harvestehude)

1941 Riga
ermordet

Weitere Stolpersteine in Grindelberg 90:
Werner Beit, Bertha Beit, Berl Beit, Sophie Loevy, Vera Neustadt, Paula Stoppelmann, Aron Adolf Stoppelmann, Leonhard Weinberg

Louise Loevy, geb. am 7.7.1881 in Pudewitz, deportiert am 6.12.1941 nach Riga, ermordet
Sophie Loevy, geb. am 27.3.1886 in Pudewitz, deportiert am 6.12.1941 nach Riga, ermordet

Grindelberg 90

Der Geburtsort der beiden Schwestern Louise und Sophie Loevy hat eine bewegte Geschichte hinter sich: 1793 fiel die bis dahin polnische Stadt Pobiedziska zusammen mit Posen und seinem Umland an Preußen und hieß von da an Pudewitz. Vorübergehend gehörte sie danach zum Herzogtum Warschau und wurde 1815 nach dem Wiener Kongress an Preußen zurückgegeben. Nach dem Ersten Weltkrieg fiel Pudewitz durch die Bestimmungen des Versailler Vertrags 1920 an die Zweite Polnische Republik. Bereits 1918/1919 kam es in der Provinz Posen zu einem militärischen Aufstand, bei dem es um die Eingliederung der mehrheitlich polnischsprachigen Provinz in den nach dem Ersten Weltkrieg wiedererstandenen polnischen Staat ging. Der Aufstand endete mit einem polnischen Sieg. Der größte Teil der bisherigen Provinz Posen wurde noch vor Inkrafttreten der Bestimmungen des Versailler Vertrages faktisch vom Deutschen Reich abgetrennt.

Infolge dieser politischen Entwicklungen entschied sich Louise und Sophie Loevys Vater Simon (geboren am 22. November 1853 in Crone an der Brahe, heute Korornowo in Polen) um 1920, ins Deutsche Reich, nach Hamburg, zu ziehen. So handelten viele deutschsprachige jüdische Familien aus der Provinz Posen, nicht zuletzt aus Furcht vor pogromähnlichen antisemitischen Ausschreitungen. Sophies und Louises Mutter Rachel, auch Renate (geborene Neufeld, geboren am 17. Januar 1848 in Posen), war bereits am 6. Juni 1917 gestorben. Simon war Kaufmann und arbeitete als Bankangestellter. Er mietete eine Wohnung im vornehmen Harvestehude, in der Brahmsallee 6. Zusammen mit ihm zogen auch Louise und ihr Bruder Richard, der am 27. November 1883 ebenfalls in Pudewitz geboren war, nach Hamburg. Am 24. Januar 1921 trat Louise in die Hamburger Jüdische Gemeinde ein, zwei Jahre später entrichtete Richard in Hamburg erstmals Kultussteuer. Er hatte eine Banklehre absolviert und in Hamburg eine Anstellung bei der Bank M. M. Warburg & Co. gefunden, die damals Max, Aby und Fritz Warburg sowie Carl Melchior gehörte. Möglicherweise hatte Simon Loevy Richards Weg durch seine Kontakte als Bankangestellter geebnet. Wann Sophie Loevy nach Hamburg zog, ließ sich nicht feststellen. Ihr Eintritt in die Hamburger Jüdische Gemeinde als zahlungspflichtiges Mitglied ist erst für August 1937 vermerkt.

Beide Schwestern waren nicht berufstätig. Vermutlich sorgte erst der Vater, später mit Sicherheit der Bruder für sie. 1932 zog Simon Loevy zusammen mit Louise und Richard in die Bornstraße 25 im Grindelviertel. 1938 waren dann nur noch die drei Geschwister unter dieser Adresse verzeichnet. Simon Loevy war gestorben und auf dem Jüdischen Friedhof in Ohlsdorf beerdigt worden. Ende 1938 zogen Louise, Sophie und Richard noch einmal um, in eine Wohnung am Grindelberg 90, die Richard mietete. In den Jahren zwischen 1932 und 1939 hatten die deutschen Jüdinnen und Juden, und damit auch Familie Loevy die Machtübergabe an die Nationalsozialisten sowie deren fast umgehend erfolgenden Aufruf zum Boykott jüdischer Geschäfte, Arztpraxen und Anwaltskanzleien miterlebt, die Einführung und Anwendung der Nürnberger Rassegesetze, antisemitische Pöbeleien und Gewalttaten auf der Straße, in Geschäften und Parks sowie weitere antisemitische Gesetze und Verordnungen, die das Leben für sie immer beschwerlicher machten. Auch die Zerstörung des Jüdischen Friedhofs am Grindel und dessen Aufhebung 1939 durch die Nationalsozialisten dürften sie mitbekommen haben. Und schließlich den Novemberpogrom 1938, bei dem die jüdische Hauptsynagoge am Bornplatz verwüstet wurde.

Zu den jüdischen Männern, die in Hamburg infolge des Pogroms am 10. November 1938 verhaftet und über das Polizeigefängnis Fuhlsbüttel ins KZ Sachsenhausen gebracht wurden, gehörte auch Richard Loevy. Am 21. Dezember 1938 wurde er wieder aus dem KZ Sachsenhausen entlassen. Eine Entlassung erfolgte oftmals unter der Auflage, Deutschland so schnell wie möglich zu verlassen. Am 18. Januar 1939 reiste Richard Loevy nach England aus. Seine Schwestern ließ er in Hamburg zurück.

Im Januar 1940 erteilte er beiden eine Vollmacht über seine Pension aus der Siegmund und Moritz Warburg Stiftung bei der Firma M. M. Warburg & Co. Louise und Sophie sollten einzeln oder gemeinsam darüber verfügen können. Diese Vollmacht sandte er von England aus zunächst an das Eidgenössische Politische Department in Bern, das sie an das deutsche Auswärtige Amt schickte mit der Bitte um Weiterleitung an das Bankhaus Warburg.

Das Auswärtige Amt schrieb nach der Lektüre der Vollmacht allerdings umgehend an das Reichsministerium der Justiz, dass es sich um "das inländische Vermögen eines im feindlichen Ausland lebenden deutschen Staatsangehörigen" handele und deshalb zunächst geprüft werden müsse, ob die Genehmigung dazu erteilt werden solle. Wenn nicht, "sollten Versuche, über dieses Vermögen zu verfügen, verhindert werden". Als "geeigneter Weg" würde sich dann die Bestellung eines sogenannten Abwesenheitspflegers anbieten. Die Abwesenheitspflegschaft diente tatsächlich vor allem dazu, emigrierten Jüdinnen und Juden die Verfügung über ihr noch im Deutschen Reich vorhandenes Vermögen zu verwehren, das seit Beginn des Jahres 1940 als "feindliches Vermögen" galt.

Im Fall von Richard Loevy bestallte das Amtsgericht am 6. März 1940 den Prokuristen der Warburg-Bank, Carl Wilhelm Schempp, zum Abwesenheitspfleger zwecks "Vertretung von Loevy hinsichtlich seines angeblichen Anspruchs aus der Siegfried und Moritz Warburg-Stiftung".

In der Folge versuchte die Justiz mit verschiedenen bürokratischen Winkelzügen die Entscheidung über den Umgang mit Richard Loevys Vermögen hinauszuzögern. Louise und Sophie besaßen noch zwei Sparkassenbücher im Wert von zusammen 1200 Reichsmark (RM) bei der Hamburger Sparcasse von 1827 und der Neuen Sparcasse von 1864. Das entspricht der heutigen Kaufkraft von etwa 6000 bis 7000 Euro. Sie litten also noch keinen Hunger und konnten sich auch noch ihre Miete leisten. Trotzdem schrumpften ihre Mittel. Eine einmalige Kapitalauszahlung der Pension ihres Bruders hätte ihnen mehr finanzielle Sicherheit gegeben und ihnen eventuell sogar noch die Emigration ermöglicht. Genau das wollte die Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten jedoch verhindern. Sie befürchtete, dass Louise und Sophie das Geld womöglich außer Landes bringen würden. So bekamen Sophie und Louise Loevy gemeinsam monatlich 125 RM für ihren Lebensunterhalt ausgezahlt.

Am 6. Dezember 1941 wurden Sophie und Louise Loevy von Hamburg aus nach Riga-Jungfernhof deportiert und ermordet.

Am 9. April 1943 beantragte der Abwesenheitspfleger Carl Schempp beim Amtsgericht die Aufhebung der Pflegschaft, weil die Schwestern "abgewandert" seien. Diese Begründung akzeptierte das Amtsgericht jedoch nicht, denn Schempps Aufgabe sei die Wahrnehmung des Rentenanspruchs Richard Loevys gegen die Bank M. M. Warburg und der würde nach wie vor bestehen. Die NS-Justiz sorgte also dafür, dass sich das NS-Regime weiter an dem Vermögen vertriebener Jüdinnen und Juden bereichern konnte, denn Richard Loevy konnte aus dem "feindlichen Ausland" seinen Anspruch nicht wahrnehmen.

Richard Loevy starb am 8. April 1954 in Manchester/England.

Stand: Juli 2017
© Frauke Steinhäuser

Quellen: 1; 4; 5; 8; 9; StaH 232-5 Amtsgericht Hamburg Vormundschaftswesen 988; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung 6861; Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten/Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen, Archiv-Sign. D 1 A/1022, Bl. 618 u. D 1 A/1020, Bl. 535; http://online-ofb.de/famre port.php?ofb=juden_nw&ID=I46269&nachname=NEUFELD&modus=gabriel&lang=no (letzter Aufruf: 20.6.2016).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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