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Bereits verlegte Stolpersteine



Wally Simon (geborene Peine) * 1879

Bellevue 34 (Hamburg-Nord, Winterhude)

1942 Theresienstadt
ermordet 21.1.1943

Weitere Stolpersteine in Bellevue 34:
Betty von der Heydt, Adolf Peine, Auguste Peine, William Simon

Willy (William) Simon, geb. 26.10.1870 in Hamburg, am 3.3.1939 in Hamburg
gestorben
Wally Simon, geb. Peine, geb. 4.2.1879 in Hamburg, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, dort am 21.1.1943 gestorben

Die in Altona geborenen Eheleute Siegmund Simon (1842–1911) und Dora, geb. Meyer (1846–1914) zogen in den 1860er Jahren nach Hamburg (1866 war ihre Adresse Herrengraben 20), wo zwischen 1868 und 1870 ihre drei Söhne Cäsar, Max und William geboren wurden. Als gelernter Schlachter gründete der Vater 1865 die Firma S. Simon, Schiffs- und Schiffsproviant-Schlachter am Baumwall 4–5 (Neustadt). Das Unternehmen war auf gesalzenes Fleisch und Speck spezialisiert, wie das Adressbuch 1893 angab. Im Januar 1877 hatte Siegmund Simon den Hamburger Bürgerbrief erworben. Danach kaufte er für die Firma das Grundstück/Haus am Baumwall 4–5, in unmittelbarer Nähe zum Hafen und den Schiffen.

Mit 21 Jahren zog Willy Simon im Mai 1892 aus dem elterlichen Haus aus und nahm sich eine eigene Wohnung. Am 22. Mai 1901 heirateten Willy Simon und Wally Peine. Sein Bruder Cäsar (1868–1922) heiratete deren Schwester Helene (1872–1940). 1902 kam Stefani, die Tochter von Cäsar und Helene Simon zur Welt.

Wally, Helene und Alice Peine waren Töchter des Hamburger Manschettenknopf-Fabrikanten Eduard Peine (1846–1910) und dessen Ehefrau Rosa, geb. Hirsch (geb. 29.6.1848). Wally wurde 1879 in Hamburg geboren und wohnte vor ihrer Heirat bei ihren Eltern in der Esplanade 9. Ihre Schwester Alice (geb. 30.11.1875) heiratete den Kaufmann Gotthold Goldschmidt, der ein Geschäft für Felle und Pelzwaren in der Nähe der Michaeliskirche unterhielt. Ihre Brüder Adolf Peine (s. d.) und Kurt Peine (geb. 30.11.1887) waren ebenfalls Unternehmer.

Willy und Wally Simon logierten anfänglich direkt am Hafen (1901–1904 Vorsetzen 49, 1907–1911 Johannisbollwerk 10). Den gestiegenen finanziellen Möglichkeiten entsprechend, zogen sie 1912 an eine "bessere Adresse" in das Haus Alsterufer 7 (Rotherbaum). Das Gebäude gehörte Willy Simon, es diente aber mehreren Familienmitgliedern als Domizil und Arbeitsplatz: 1919 lebten im Erdgeschoss Willy und Wally Simon, im 1. und 2. Stock befanden sich die Räume von Cäsar und Helene Simon, der Kaufmann Kurt Peine bewohnte den 3. Stock und im Keller des Hauses befand sich die Manschettenknopffabrik Eduard Peine. Im Jahr 1928 erwarben die Eheleute Willy und Wally Simon die direkt an der Außenalster gelegene, sehr repräsentative "Reimer’sche Villa" an der Bellevue 34, Ecke Scheffelstraße und ließen sie nach ihrem Geschmack umbauen. Neben den Eheleuten Simon zogen auch die Nichte, die durch Heirat Amerikanerin geworden war, und deren Mutter Helene Simon sowie Kurt Peine dort ein.

Willys Brüder Cäsar und Max Simon wurden bereits im Adressbuch 1910 neben ihrem Vater als Firmeninhaber angegeben. Die Großschlachterei S. Simon hatte 1933 die Rechtsform einer Kommanditgesellschaft (KG), zu diesem Zeitpunkt war Willy Simon persönlich haftender Gesellschafter.

In einer Liste des SS-Oberabschnitts Nordwest vom 12. Dezember 1938 wurde Willy Simon als "sehr vermögend" eingestuft. Innerhalb der nun folgenden Jahre eignete sich der NS-Staat fast das gesamte Vermögen der Eheleute Willy und Wally Simon an.

Der Eintrag für Willy Simons Firma im Fernsprechbuch 1938 (Stand 15.12.1937) dokumentierte bereits die "Arisierung" des Unternehmens: "S. Simon, Inh. William Danielsen u. Hans Berkes, Schiffsproviant u. Schiffsausrüstungen, Pickhuben 1".

Willy Simon versuchte, allen neuen Vorschriften zum Trotz, einige Wertgegenstände außer Landes zu bringen. Im Protokoll des 41-jährigen Oberzollinspektors Kurt Leuow, seit dem 1. Mai 1937 NSDAP-Mitglied und seit dem 1. Januar 1938 zur Zollfahndungsstelle Hamburg versetzt, las sich dies wie folgt:

"Am 2. März 1939 wurde vertraulich folgendes mitgeteilt: Der Jude Willi Simon, wohnhaft Hamburg, Bellevue 34, beabsichtigt auszuwandern. Simon ist mit dem Kapitän des englischen Dampfers ‚Switzerland’ namens Ormrod bekannt. Simon hat nach Aussage eines Bordbediensteten dem Kapitän Ormrod gestern morgen Schmuckstücke übergeben, die der Kapitän für S. mit nach England nehmen soll. Der Dampfer geht am 2.3.1939 abends gegen 20 Uhr in See (Schuppen 13). Der V-Mann hielt eine gründliche Durchsuchung der Kapitänskajüte, ggfs. gründliche körperliche Durchsuchung für erforderlich."

Noch am selben Tag wurde der Kapitän an Bord des Schiffes vernommen und legte ein Geständnis ab. Am nächsten Tag, dem 3. März 1939, musste Willy Simon in der Amtsstelle der Zollfahndungsstelle (Poggenmühle 1) erscheinen. Zollinspektor Schröder führte die Verhandlung. Ob das Verhör tatsächlich wie vom Kanzleiangestellten Jürgensen protokolliert verlief, lässt sich nicht mehr ermitteln.

Willy Simon versuchte, die beschlagnahmten rund 20 Schmuckgegenstände als Geschenk an die Frau des langjährig bekannten Kapitäns auszugeben. Schröder ereiferte sich und wurde mit dem Satz "Eine derartige Antwort wagen Sie mir anzubieten?" zitiert. Danach soll Willy Simon erklärt haben, er sei "etwas herzleidend", worauf das Protokoll verzeichnete: "Die Verhandlung wird um 11.10 (Uhr) kurz abgebrochen, damit Herr Simon 1 Glas Wasser trinken kann. Da Herr Simon über Herzbeschwerden klagte, wurde sofort der Polizeiarzt Dr. Lange verständigt. Dieser sagte sein sofortiges Kommen zu. Einige Zeit nach Eintreffen des Arztes verstarb William Simon vermutlich durch einen Herzschlag." Am 13. März 1939 erfolgte eine Gutschrift in Höhe von 1030 RM für die beim Kapitän beschlagnahmten Gegenstände.

Kurz nach dem plötzlichen Tod von Willy Simon wurden seine Ehefrau Wally, seine Schwägerin Helene und die Nichte Stefanie verhört. Eine Schenkungsurkunde über alle Kunst-, und Metallgegenstände sowie Bilder, Teppiche und Tischsilber an die Nichte und amerikanische Staatsbürgerin Stefanie Harrison vom 23. Dezember 1938 wurde vom kriminalwissenschaftlichen Labor des Oberfinanzpräsidenten Köln als rückdatiert und damit ungültig eingestuft. Entsprechend dem Gesetz über die Ablieferung der Gold-, Silber- und sonstigen Wertsachen eignete sich der NS-Staat diese Werte an.

Der Bruder von Wally Simon, Adolf Peine, zog im Juni 1940 zusammen mit seiner Ehefrau Auguste mit in das Haus Bellevue 34. Ein Jahr später, am 19. Juli 1942, wurden das Ehepaar Peine sowie Wally Simon nach Theresienstadt deportiert. Im dortigen Zentralkrankenhaus verstarb Wally Simon offiziell am 21. Januar 1943.

Die Villa in der Bellevue, so ermittelte der Historiker Frank Bajohr, wurde 1942 auf Druck der Gestapo vom Nachlassverwalter an die Hamburger Elektrizitätswerke verkauft, die es der SS kostenlos als "Gästehaus" überließen.

© Björn Eggert

Quellen: 1; 2; 3; 8; StaHH 741-4, Alte Einwohnermeldekartei; StaHH 221-11 (Staatskommissar für die Entnazifizierung), Signatur F 16413; Oberfinanzdirektion Hamburg, Zentrale Erfassungs- und Auskunftsstelle für Angehörige der ehemaligen Reichsfinanzverwaltung (Kurt Leuow); AB 1866, 1893, 1896, 1898, 1904, 1910, 1912, 1915, 1919, 1932, 1936, 1939, 1941, 1943; Amtliche Fernsprechbücher Hamburg 1895–1907, 1909, 1911–1919, 1925–1939; Hamburger Börsenfirmen 34. Auflage, Hamburg 1933, S. 797; Frank Bajohr, "Arisierung" in Hamburg. Die Verdrängung der jüdischen Unternehmer 1933–1945, Hamburg 1997, S. 312, 371; "Arisierung" engl. Liste der Universität Hamburg; AfW 040279; Sonderarchiv Moskau, Liste des SS-Oberabschnitts Nordwest, Liste einflussreicher und vermögender Juden vom 12.12.1938, Signatur 500-1-659, Blatt 56–58.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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