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Bereits verlegte Stolpersteine



Gustav Schönherr * 1889

Stadthausbrücke 8 (ehemalige Gestapo-Zentrale) (Hamburg-Mitte, Neustadt)


Gestapohaft 1933
gefoltert
aus dem Fenster geworfen
tot 18.04.1933

Siehe auch:

    Weitere Stolpersteine in Stadthausbrücke 8 (ehemalige Gestapo-Zentrale):
    Carl Burmester, Wilhelm Prull

    Gustav Adolph Schönherr, geb. am 1.8.1889 in Hamburg, gestorben am 18.4.1933 an den Folgen seiner schweren Verletzungen im Hafenkrankenhaus

    Stadthausbrücke 8 (ehemalige Gestapo-Hauptzentrale)
    Alter Steinweg 3 (Alter Steinweg 71)

    Am 6. März 1933 erhielt die Hamburger Staatspolizei (die Umbenennung in Geheime Staatspolizei, kurz Gestapo, erfolgte offiziell erst im Dezember 1935) rechtlich die Möglichkeit, politische Gegnerinnen und Gegner ohne richterliche Anordnung in "Schutzhaft" zu nehmen. Kommunisten und Sozialdemokraten wurden vogelfrei. Hausdurchsuchungen, Festnahmen und erste Verhöre erfolgten häufig unter schweren Misshandlungen und in brutalster Vorgehensweise durch das "Kommando zur besonderen Verwendung" (K.z.b.V.). Das Kommando unterstand dem Befehl von Ernst Simon, Chef der Hamburger Ordnungspolizei.

    Der Kommunist und Hafenarbeiter Gustav Schönherr gehörte zu seinen ersten Opfern.

    Gustav Schönherr war als Sohn des Schuhmachers Heinrich Robert Schönherr (geb. 6.9.1864, gest.11.4.1948) und dessen Ehefrau Maria Emma, geb. Bibelhausen (geb.12.11.1861, gest. 28.5.1922), am Dammtorwall 133 geboren worden und mit mehreren Geschwistern aufgewachsen. Am 16. Februar 1924 hatte Gustav Schönherr die aus Neuhaldensleben stammende Ida Kullik (geb. 4.12.1895) geheiratet. Das Ehepaar wohnte die ersten Jahre in der ehemaligen Winkelstraße 13, die vom Valentinskamp zum Dammtorwall führte (heute Emporio-Hochhaus, vormals Unilever-Haus).

    Unter dem Decknamen Schönfelder war Gustav Schönherr als Hauptkurier der Gauleitung des Rotfrontkämpferbundes (RFB) tätig, einer illegalen Schutz- und Wehrorganisation der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Bereits während der Weimarer Republik verurteilte ihn das Landgericht Hamburg aufgrund seiner politischen Tätigkeit wegen "Aufruhrs mit Beamtenbeleidigung" zu einer einjährigen Gefängnisstrafe, die er bis zum 7. August 1931 in den Haftanstalten Flensburg und Neumünster verbrachte.

    Auch Gustavs Bruder Albert August (geb. 19.4.1888), war politisch aktiv, er geriet am 5. April 1933 nach einer Hausdurchsuchung in seiner Wohnung in der Mathildenstraße 7 zum ersten Mal in "Schutzhaft".

    Acht Tage später, am 13. April, erfolgte dann in der Wohnung von Gustav Schönherr im Hinterhaus des Alten Steinwegs 71 eine Hausdurchsuchung durch das K.z.b.V. Da bei ihm angeblich kommunistisches Propaganda-Material gefunden wurde, wurde er zum Verhör ins Stadthaus, Sitz der Hamburger Staatspolizei, gebracht. Um sich "der Voruntersuchung zu entziehen", so lautete die offizielle Version, stürzte er sich aus einem der oberen Fenster des Gebäudes, Ecke Große Bleichen/Stadthausbrücke. Gustav Schönherr starb am 18. April 1933 an den Folgen seiner schweren Verletzungen im Hafenkrankenhaus. In einem anonymen Schreiben, das im Sommer 1934 Staatsanwälte, Pastoren, Rechtsanwälte und weitere bekannte Persönlichkeiten erhielten, heißt es u.a., Gustav Schönherr sei nicht wie angegeben in selbstmörderischer Absicht aus dem Fenster gesprungen, sondern nach entsetzlichen Misshandlungen aus dem Fenster geworfen worden.

    Auch Ida Schönherr glaubte nicht an die Version, ihr Mann habe den Freitod gewählt. Sie hielt sich bei Freunden auf, als einen Tag nach seiner Beerdigung eine zweite Hausdurchsuchung in ihrer Abwesenheit erfolgte. Nach eigenen Angaben wurde sie wegen Beihilfe und Unterstützung des RFB mehrmals inhaftiert, bis sie zu ihrem Vater in die Altmark floh. Erst nach dem Krieg im November 1945 kehrte sie nach Hamburg zurück. Ida Schönherr starb am 23. Juni 1972 im Alter von 77 Jahren.

    Albert Schönherr geriet nach dem Tod seines Bruders noch drei Mal in "Schutzhaft": im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel, im Hüttengefängnis und im Stadthaus. Er wurde dann zur Wehrmacht eingezogen und erlebte das Kriegsende in belgischer Gefangenschaft.


    Stand: August 2018
    © Susanne Rosendahl

    Quellen: StaH 351-11 AfW 18321 (Schönherr, Ida); StaH 351-11 AfW 11970 (Schönherr, Gustav); StaH 351-11 AfW 10540 (Schönherr, Albert); StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, LOO 21/37 Band 1; StaH 113-2_A II 4b; StaH 332-5 Standesämter 2713 u 840/1887; StaH 332-5 Standesämter 2202 u 3658/1889; StaH 332-5 Standesämter 2231 u 4321/1890; StaH 332-5 Standesämter 2261 u 4964/1891; StaH 332-5 Standesämter 2314 u 2212/1893; StaH 332-5 Standesämter 855 u 339/1922; StaH 332-5 Standesämter 3484 u 83/1924; StaH 332-5 Standesämter 1010 u 121/1933; Diercks: Gedenkbuch Kola-Fu, S. 34; Diercks: Dokumente Stadthaus, S. 24.

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