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Bereits verlegte Stolpersteine



Margarethe und Martin Heynemann
© Helga Gröne

Martin Heynemann * 1872

Schulterblatt 134 links (vormals Margaretenstraße 2) (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


HIER WOHNTE
MARTIN
HEYNEMANN
JG. 1872
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 26.3.1943

Weitere Stolpersteine in Schulterblatt 134 links (vormals Margaretenstraße 2):
Margarethe Heynemann, Lizzi Silberberg

Margarethe Heynemann, geb. Klein, geb. am 18.9.1877 in Leipzig, deportiert nach Theresienstadt am 15.7.1942, deportiert nach Auschwitz-Birkenau am 15.5.1944 und ermordet
Martin Heynemann, geb. am 15.4.1872 in Hamburg, deportiert nach Theresienstadt am 15.7.1942, dort gestorben am 26.3.1943
Lizzi Silberberg, geb. Heynemann, geb. am 28.2.1901 in Altona, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, deportiert ins Vernichtungslager Chelmno am 12.5.1942, ermordet

Schulterblatt 134 links (Margaretenstraße 2)

Die Eltern von Martin Heynemann waren der Geschäftsreisende Israel und seine Ehefrau Pauline Heynemann, geb. Levy. Martin Heynemanns Ehefrau Margarethe stammte aus Leipzig. Ihre Eltern waren der Pferdehändler Leonhard Klein und dessen Ehefrau Johanna, geb. Lewin. Als Martin Heynemann am 20. August 1897 in Altona heiratete, wurde im Stammbuch als Beruf Zigarrenfabrikant eingetragen. Wie lange er Zigarren produziert hat, ist nicht bekannt. Möglicherweise hat er später sein Geld als Reisender, d. h. als Vertreter, verdient. Zum Zeitpunkt der Heirat wohnte er in Hamburg in der Neustadt in der III. Elbstraße 19 II und Margarethe mit ihren Eltern in Altona am Reventlowplatz.

Das Ehepaar Martin und Margarethe Heynemann bekam sieben Kinder: Max (geb. 1897), Rudolf (geb. 1899), Lizzi (geb. 1901), John (geb. 1902), Nelly (geb. 1905), Regina (geb. 1906) und Leonhard (geb. 1908).

Nachdem Margarethe und Martin Heynemann Mitte der 1930er Jahre von Altona nach Hamburg gezogen waren, lebten sie in der Margaretenstraße 2. Nelly war das erste Kind, das in Hamburg geboren wurde. 1912 erhielt Martin Heynemann die Staatsangehörigkeit der Freien und Hansestadt Hamburg.

Ab März 1937 wohnten Margarethe und Martin Heynemann für längere Zeit im Parterre der Schäferkampsallee 49, gemeinsam mit ihrem Sohn Max und dessen Familie. Die letzte Wohnadresse der beiden war das "Judenhaus" und ehemalige Samuel-Levy-Stift in der Bundesstraße 35. Insgesamt wurden von hier am 15. Juli 1942 104 Menschen deportiert. Martin Heynemann starb acht Monate nach seiner Deportation ­am 26. März 1943 in Theresienstadt. Die Theresienstädter Toten wurden dort in einem kleinen Krematorium verbrannt, die Asche füllte man in Pappschachteln. 1944, als die russische Front näher rückte, wurde sie in den Fluss Ohre (Eger) geschüttet.

Margarethe Heynemann wurde am 15. Mai 1944, also knapp zwei Jahre nach ihrer Deportation aus Hamburg, vom Lager Theresienstadt ins Lager Auschwitz-Birkenau deportiert. Der Transport umfasste 2.503 Personen – 1.736 Frauen und Mädchen und 767 Männer und Jungen. Sie wurden im Familienlager KL Auschwitz-Birkenau, Lager B II b untergebracht. Höchstwahrscheinlich wurde Margarethe Heynemann in der Zeit der Auflösung des Familienlagers am 11. oder 12. Juli 1944 mit Gas ermordet.

Margarethe und Martin Heynemanns Tochter Lizzi wurde in Altona geboren. 1925 heiratete sie den gleichaltrigen Hamburger Edwin Silberberg, der zum Zeitpunkt der Heirat in der Brahmsallee 18 wohnte. Mit der Heirat schied sie aus der Deutsch-Israelitischen Gemeinde aus. Ihr Mann war zwar jüdischer Herkunft, aber nicht religiös. Im Sommer 1925 wurde ihr einziger Sohn Karl-Heinz geboren.

Während Lizzi Silberberg schon verheiratet war, erlernte sie im Rheinland den Beruf der Friseuse und eröffnete 1929 in Hamburg ein Friseurgeschäft. Dabei handelte es sich um ein "Etagengeschäft", was bedeutet, sie frisierte ihren Kunden die Haare in ihrer Wohnung. Zu­­erst arbeitete sie in einer Wohnung Beim Schlump 52 I, später im Kleinen Schäferkamp 21 I. Nach 1933 verschlechterte sich ihre wirtschaftliche Situation, da es Boykotte gegen jüdische Geschäftsleute gab und ihr Umsatz immer weiter zurückging. Ein Hinweis darauf ist auch, dass Silberbergs ein Zimmer zur Vermietung am Kleinen Schäferkamp 21 anboten und deshalb im Juni 1937 eine Kleinanzeige im Hamburger Familienblatt aufgaben. Auf Lizzis Gewerbekarteikarte findet sich der Eintrag "Hausfriseurin in eigener Person mit der Beschränkung auf die Bedienung von Juden", wobei unklar ist, von wann dieser Eintrag stammt. 1938 musste Lizzi Silberberg ihr Geschäft aufgeben. Schon im Oktober 1937 war sie in den Grindelhof 83 Hs. 11 E gezogen. Da lebten auch ihr Mann und ihr Sohn noch in Hamburg.

1938 betrieb Edwin Silberberg seine Auswanderung. Wahrscheinlich war er nach dem Novemberpogrom verhaftet und inhaftiert worden. Er hatte zu dieser Zeit kein Einkommen und kein Vermögen mehr, so dass die Ausreise vom Hilfsverein der Juden in Deutschland mitfinanziert wurde. Die Kommission für das Fürsorgewesen des Jüdischen Religionsverbandes hatte ihm im August Kleidung im Wert von 65 Reichsmark für die Ausreise zukommen lassen. Vermutlich hatte die Familie beschlossen, wegen der knappen finanziellen Mittel den Vater vorausfahren zu lassen. Lizzi sollte versuchen, die Ausstattung ihres Frisiersalons zu verkaufen und nachzukommen. Edwin Silberbergs Ziel war Havanna auf Kuba. Dieser Plan zerschlug sich jedoch kurzfristig. Als er nicht nach Kuba einreisen konnte, fuhr er stattdessen nach Uruguay. Am 15. November 1938 schrieb Lizzi Silberberg einen Brief an die Devisenstelle, in dem es hieß:

"Hiermit bitte ich ergebenst, der Firma Menzell & Co, Hamburg, Agentin der Reederei The Pacific Steam Navigation Company, Liverpool, die Genehmigung zu erteilen, mir den Betrag von Mark 476,– auszuzahlen. Es handelt sich hier um den Gegenwert einer Schiffskarte, die mein Mann bei der obigen Firma für eine Passage von Liverpool nach Havanna gelöst hatte. Vor Antritt der Fahrt musste mein Mann seine Reisedisposition ändern, da inzwischen neue Einreisevorschriften für Havanna in Kraft getreten sind und mein Mann das Visum für Havanna nicht erhalten hat, daher konnte er die Karte nicht benutzen. Der Betrag soll daher jetzt von der Liverpooler Reederei zurück erstattet werden und ich bitte um die Genehmigung, dass die Firma Menzell & Co mir die Summe hier in Reichsmark auszahlen kann, damit ich diese dann für mich und mein Kind zur Ausreise verwenden kann."

Die Genehmigung wurde ihr am 24. November 1938 erteilt und war einen Monat lang gültig.

Ende 1938 oder Anfang 1939 gelang es Lizzi, den einzigen Sohn mit einem Kindertransport nach England zu schicken. Karl-Heinz war dreizehn Jahre alt, als er Hamburg verließ. Sein Abgangszeugnis von der Talmud Tora Schule datiert vom 20. Dezember 1938. Im Zeugnis hieß es: "Karl Heinz Silberberg hat unsere Schule seit dem 20. August 1933 von der Klasse 2 a der Grundschule an besucht und war seit April 1938 Schüler der Klasse V 7." Da hatte er Hamburg schon verlassen. Unterschrieben ist das Zeugnis vom Klassenlehrer Semmer. Dieser hatte erst nach Karl Heinz’ Emigration die Klasse übernommen. In England blieb Karl-Heinz nicht lange. Im Mai oder Juni 1939 wurde er von England nach Montevideo in Uruguay zu seinem Vater geschickt. Er reiste mit dem Dampfer "Highland Monarch". Lizzi Silberberg hatte für ihren Sohn ein "Landungspermit" für Uruguay erhalten und am 10. Mai 1939 nach England geschickt. Die Papiere hatten sie viel Zeit und Geld gekostet. Beim Notar musste sie beglaubigen lassen, dass sie Karl-Heinz’ Ausreise zustimmte. Bezahlt wurde die Überfahrt vom "Movement for the Care of Children from Germany" in London. Die Organisation kümmerte sich auch um den Ablauf der Reise. Zwei Tage vor Abreise sollte Karl-Heinz nach London kommen und sein Visum beim Konsulat abholen. Geplant war auch, dass er in London seine Tante Gine (Regina Englander) treffen sollte, die am 31. Mai in Hamburg losgefahren war und am 3. Juni in London ankommen sollte. Ob dieses Treffen stattgefunden hat, ist nicht bekannt.

Familie Heynemann hatte wohl geplant, auch Margarethe Heynemann, die Tochter von Rudolf und Martha Heynemann, nach England zu schicken, aber Anfang Februar schrieb "Gretel" an ihren Vetter, dass sie nicht nach England käme, sondern gleich mit ihren Eltern nach Shanghai reise, und die Mutter ergänzte: "Gretel kommt leider nicht nach England. Die Transporte sind eingestellt."

Für Lizzi muss es sehr schmerzlich gewesen sein, ohne ihre Familie in Hamburg zurückzubleiben, denn auch drei ihrer Geschwister verließen das Land etwa zur gleichen Zeit. Ihr blieben nur noch ihre Eltern und ihr Bruder Max mit Familie. Von Hamburg aus gingen bis zum Beginn des Krieges viele Briefe nach England und Uruguay, und auch die Briefe aus Uruguay nach England, vom Vater zum Sohn und umgekehrt, wurden über Hamburg weitergeleitet. Lizzi nahm Anteil am Leben ihres Kindes und ihres Ehemannes. Auch die Großeltern Heynemann und Silberberg schrieben an Karl-Heinz, ihr "liebes Peterle" und ihren "Goldschatz". Karl-Heinz Silberberg kehrte in den 1950er Jahren vorübergehend in seine Heimatstadt zurück, um die Wiedergutmachung zu betreiben. Sein Sohn Thomas lebt heute noch in Uruguay und besitzt die Briefe, die 1938 und 1939 von Hamburg an die Ausgewanderten gingen.

Die Briefe deuten darauf hin, dass selbst die alten Eltern eine Ausreise nach England ins Auge gefasst hatten. Die ganze Familie lernte Englisch, um sich auf die Notwendigkeit, noch einmal alles im Leben zu verändern, vorzubereiten. Von der Großmutter ist ein sorgfältig handgeschriebener Brief an den Enkel erhalten, in dem sie ihm in englischer Sprache schreibt. Der Text enthält lediglich kleine Fehler. Ob die alte Frau schon in jüngeren Jahren die englische Sprache erlernt hatte?

Verzweifelt versuchte Lizzi, eine Möglichkeit zur Ausreise zu finden, sei es nach England, nach Shanghai, Uruguay oder anderswohin. Wenn Ihr Mann ihr zur Geduld riet, hielt sie ihm vor, die Lage in Hamburg nicht zu kennen. Sie bat sogar ihren Sohn, in dieser Angelegenheit an den englischen König zu schreiben. Im März 1939 zog sie in die Grindelallee 47 um, wo sie bei einer Familie Ruben ein möbliertes Zimmer gemietet hatte. Im Februar 1939 schrieb sie an ihren Sohn: "Der Frisiersalon geht diese Woche auf Auktion und die anderen Möbel. Viel Geld werde ich dafür nicht bekommen." Und am 6. März ergänzte sie: "Arbeiten darf ich nicht mehr, da ist schon Schluss seit dem 1. Januar."

Lizzi Silberbergs Ausreise gelang nicht mehr. Sie erhielt im Oktober 1941 den Deportationsbefehl und wurde am 25. Oktober nach Lodz gebracht. Hier wohnte sie zumindest zeitweise in der Müllerstraße 4/42 (heute Chopina Fryderyka). Von Lodz wurde sie am 12. Mai 1942 nach Chelmno transportiert und ermordet. Fünf Geschwister von Lizzi haben überlebt. Rudolf, John und Leonhard konnten über Shanghai emigrieren, Regina wanderte 1939 nach England aus. Rudolf, John und Leonhard lebten später in den USA, wohin sie 1947 gereist waren, nachdem die USA nach dem Krieg die Visapflicht für Juden aufgehoben hatten.

Auch ihre Schwester Nelly hatte mit ihrem zweiten Ehemann Ludwig Hillel nach Shanghai ausreisen wollen. Wegen des schlechten Gesundheitszustandes Hillels zerschlugen sich diese Pläne. Nelly wurde am 2. März 1943 von Berlin nach Auschwitz deportiert. Sie hieß zu der Zeit Nelly Marcus, da sie am 30. Januar 1942 ihre dritte Ehe geschlossen hatte. Ihr geschiedener Mann Ludwig Hillel wurde am 26. Oktober 1942 von Berlin nach Riga deportiert. In erster Ehe hatte Nelly Heynemann 1926 in Hamburg den kaufmännischen Vertreter Alex Güssefeld geheiratet, der vermutlich nichtjüdisch war. Bereits im Sommer 1928 ließ sich das Ehepaar scheiden und Nelly nahm wieder ihren Mädchennamen Heynemann an.

Max und Rudolf Heynemann hatten nichtjüdische Frauen geheiratet. Max war durch seine "privilegierte" Mischehe, aus der eine Tochter hervorging, zunächst geschützt, erhielt aber noch Anfang 1945 seinen Deportationsbefehl. Zu dieser Zeit war er an Furunkulose erkrankt, und seine Frau begleitete ihn zur Sammelstelle, wo es ihr gelang, ihn von der Deportation zurückstellen zu lassen. Weitere Deportationen gab es dann nicht mehr.

© Susanne Lohmeyer

Quellen: 1; 2 (FVg 3518; R1940/462); 4; 5; 8; StaH 332-5 Standesämter, 8798 und 137/1925; StaH 332-5, 6645 und 33/1926; StaH 332-5, 5941 u. 791/1897; StaH 351-11 AfW, AZ 280201 Silberberg, Lizzi; StaH 362-6/10 Talmud Tora Schule; 741-4 Fotoarchiv Sa 1248; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden 992e2 Band 1 Deportationsliste; Telefongespräch mit Helga Gröne, geb. Heynemann am 28.5.2009; Schreiben der Gedenkstätte Terezín vom März 1987; Schreiben des Museums Auschwitz-Birkenau vom 7.8.1987; Schreiben des Nationalarchivs zur Untersuchung von Nazi-Verbrechen in Warschau vom 2.12.1987; Auskunft vom Standesamt Mitte Berlin vom 22.4.2010; Brief der Gedenkstätte Terezín vom 19.3.1987; Private Briefe; Hamburger Familienblatt vom 10.6.1937; Deportationsliste Litzmannstadt, Gedenkstätte Lodz Radegast.

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