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Bereits verlegte Stolpersteine



Helene Herz (geborene Nathan) * 1870

Kuhmühle 6 (Hamburg-Nord, Hohenfelde)


HIER WOHNTE
HELENE HERZ
GEB. NATHAN
JG. 1870
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET
14.9.1942

Weitere Stolpersteine in Kuhmühle 6:
Hans Fabian

Helene Herz, geb. Nathan, geb. am 1.12.1870 in Hamburg, deportiert am 15.7.1942 in das Getto Theresienstadt, dort gestorben am 14.9.1942

Kuhmühle 6

Helene war das einzige Mädchen unter den vier Kindern des Schneidermeisters Gerson Nathan und seiner Ehefrau Recha, geborene Joseph. Beide Elternteile kamen aus jüdischen Familien und hatten 1864 in Hamburg, Rechas Heimat, geheiratet. Gerson Nathan stammte aus Rendsburg. Dort wurde auch der erste Sohn, Neumann, am 11. November 1871, geboren. Die anderen Kinder kamen in Hamburg zur Welt: Helene am 1. Dezember 1870, Julius am 25. September 1873 und Markus am 14. Februar 1877.

Helene wurde im Alten Steinweg 34 in der Hamburger Neustadt geboren, wo die Familie Nathan auch noch bei ihrer Einschulung wohnte. 1887 ließ sich Gerson Nathan mit seiner Familie in Hamburg einbürgern.

Als Helene als erste der Geschwister heiratete, lebten die Nathans am Zeughausmarkt 26. In der ersten Ausgabe der neu gegründeten "Allgemeinen Zeitung für Verlobte und Aufgebotene" vom 2. Oktober 1984 wurde ihre Verlobung mit Henry Herz angezeigt, am 24. Januar 1895 fand die Hochzeit statt.

Henry Herz, geboren am 13. Juli 1870 in Hamburg, war von Beruf Tapezier. Er hatte bis zur Eheschließung zusammen mit seinen beiden jüngeren Schwestern Franziska und Sophie bei den Eltern in der Eichenallee 3 in Harvestehude gewohnt. Der Vater, Sander Levy Herz, betrieb in der Hermannstraße 27 in der Altstadt ein Dekorations- und Möbelgeschäft. Die Mutter Selde, geborene Wolffsohn, führte den Haushalt und war wahrscheinlich auch im Geschäft tätig.

Helene und Henry Herz bezogen eine Wohnung im Grindelviertel, im 2. Durchschnitt 10. Sie bekamen vier Kinder, zwei Jungen und zwei Mädchen: Herta (geboren am 17. November 1895), Manfred (geboren am 25. November 1897; s. "Stolpersteine in Hamburg-Eilbek" und www.stolpersteine-hamburg.de), Walter (geboren am 19. Mai 1899, s. www.stolpersteine-hamburg.de) und Berta (geboren am 26. Oktober 1900; s. www.stolpersteine-hamburg.de).

Am 2. Dezember 1903 starb Helenes Mutter Recha, wenig später nahm Helene ihren Vater Gerson bei sich auf. Sie, ihr Mann Henry und die vier Kinder wohnten inzwischen in der Heinrich-Barth-Straße 3 im Grindelviertel. Anderthalb Jahre später zog Gerson Nathan zurück in die Neustadt und lebte bis zu seinem Tod am 11. Januar 1913 bei anderen Verwandten. Während des Ersten Weltkriegs schaffte es Henry Herz mit Mühe, seine Beiträge für die jüdische Gemeinde aufzubringen. Für die Teilnahme als Soldat am Krieg war er zu alt, seine beiden Söhne zu jung.

1919 trat Helene in die Deutsch-Israelitische Gemeinde in Hamburg ein. Im selben Jahr übernahm sie das Park-Hotel in Niendorf an der Ostsee – eine Sommerpension, mit der sie sich ein eigenes Einkommen verschaffte. Denn die Ehe von Helene und Henry Herz war nicht glücklich. Am 9. Mai 1922 wurden beide offiziell geschieden. Getrennt hatten sie sich schon einige Zeit zuvor. Henry Hertz lebte seit 1921 von der Vermietung von Zimmern. Er ging später eine neue Ehe mit einer nichtjüdischen Frau ein, die kinderlos blieb.

Helene Herz heiratete nicht wieder. Ihr Sohn Manfred arbeitete im Uhren- und Goldgroßhandel seines Onkels Neumann Nathan, Helenes Bruder. Ihr zweiter Sohn Walter, der eine Zeitlang zur See gefahren war, stieg 1923 ebenfalls dort ein. Die Tochter Berta übte eine Tätigkeit als Angestellte aus. Nachdem Helene Herz für kurze Zeit in der Straße Langenrehm gewohnt hatte, fand sie um 1923 eine Wohnung an der Rothenbaumchaussee 101/103, Haus 3. Dort meldeten sich auch Berta und Walter an. Manfred wiederum wohnte mit seiner Schwester Herta und deren Ehemann Hans Fabian (s. a. dort und auf www.stolpersteine-hamburg.de) an der Kuhmühle 6. Herta und Hans waren seit dem 27. März 1921 verheiratet. Schon zu der Zeit hatte Helene ihrem Schwiegersohn das Hotel an der Ostsee übergeben.

Berta Herz litt bereits seit Längerem an epileptischen Anfällen. Diese führten dazu, dass sie 1925 berufsunfähig wurde und eine Invalidenrente erhielt. Walter wiederum hatte seine Tätigkeit in der Firma seines Onkels Neumann nach kurzer Zeit wieder aufgegeben und war erneut zur See gefahren. Psychisch krank kehrte er zurück. Ebenfalls 1925 wurde er in das Staatskrankenanstalt Friedrichsberg eingewiesen und von dort im April des folgenden Jahres in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn.

Da keines seiner eigenen Kinder seinen Uhren- und Goldgroßhandel fortführen konnte, übergab Neumann Nathan ihn 1926 seinem Neffen Manfred als Alleininhaber. Das Geschäft lief sehr gut und so war Manfred in der Lage, aus seinen Einkünften auch seine Not leidenden Familienangehörigen zu unterstützen. 1928 heiratete er Rosalie Preiss, geboren am 24. April 1901 in Essen.

Helene Herz hatte sich inzwischen der Kirche Christi, Wissenschafter, zugewandt und 1927 die jüdische Gemeinde verlassen. Sie war nicht die einzige Jüdin in Hohenfelde, die diesen Religionswechsel vollzog. Bekannt ist er auch von Elfriede Chariner, Wandsbeker Stieg 31/33 (s. a. dort und auf www.stolpersteine-hamburg.de). Helenes seelsorgerlicher und heilender Beistand, der "Ausüber" der Christlichen Wissenschaft Bruno Kempe, lebte im Nachbarstadtteil Eilbek.

Helene Herz‘ Tochter Herta und Hans Fabian, deren Ehe kinderlos geblieben war, trennten sich 1932. Hans Fabian litt ebenfalls an Epilepsie und sein Gesundheitszustand hatte sich laufend verschlechtert. Beide gaben die Wohnung an der Kuhmühle auf, aus der Manfred Herz bereits bei seiner Heirat ausgezogen war.

Sicher erfreulichere Ereignisse zu Beginn der 1930er-Jahre waren für Helene Herz die Geburt der beiden Kinder ihres Sohnes Manfred und ihrer Schwiegertochter Rosalie: Ruth kam 1931 zur Welt und Herbert 1933. Auswirkungen der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten spürte sie zunächst nicht. Familiäre Probleme bestimmten ihr Leben. Ihre Tochter Berta wurde am 3. November 1935 genau wie zuvor ihr Sohn Walter in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn eingewiesen.

Im April 1937 zog Helene Herz als Untermieterin zu Zinkower in die Grindelallee 62. Manfred schloss Ende 1938 eine Lebensversicherung für sie ab, aus der sie eine monatliche Leibrente von 100 Reichsmark bezog. 1939 musste sie zwangsweise wieder in den Jüdischen Religionsverband eintreten und wurde am 4. Dezember aufgenommen. Die Christliche Wissenschaft verließ sie jedoch nicht, auch nicht nach deren Verbot am 14. Juli 1941.

Walter Herz wurde im Oktober 1939 aus Langenhorn in die Heilanstalt Strecknitz bei Lübeck verlegt. Im darauf folgenden September, als Langenhorn Sammelanstalt für Patientinnen und Patienten im Rahmen des "Euthanasie"-Programms "T4" wurde, kehrte er jedoch dorthin zurück. Am 2. Februar 1940 kam auch Helene Herz’ Schwiegersohn Hans Fabian nach Langenhorn. Er war seit Januar 1937 im Versorgungsheim Farmsen untergebracht gewesen.

Walter und Berta Herz wurden ebenso wie Hans Fabian am 23. September 1940 mit einem Sammeltransport von über 120 Personen aus der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn in die Tötungsanstalt Brandenburg transportiert. Sie wurden noch am selben Tag durch Kohlenstoffmonoxid getötet. Helene Herz konsultierte in diesen Tagen noch einmal ihren Heiler Bruno Kempe "wegen ihrer kranken Kinder", wie es im Ermittlungsprotokoll der Gestapo gegen ihn heißt. Dass ihre Kinder zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr lebten, erfuhr sie nicht.

Bruno Kempe war wegen seiner fortgesetzten Tätigkeit als Ausüber der Christlichen Wissenschaft denunziert worden. Dass es sich bei der Ratsuchenden Helene Herz um eine "Volljüdin" handelte, wog als Vergehen besonders schwer.

Mit dem ersten Großtransport "zum Aufbau im Osten" im Herbst 1941 wurden Helenes Wirtsleute Zinkower deportiert. Der Jüdische Religionsverband brachte Helene daraufhin in einem der Hamburger "Judenhäuser" unter, dem früheren Louis-Levy-Stift im Durchschnitt 8. Dort teilte sie sich eine Kellerwohnung mit anderen Jüdinnen und Juden, die wie sie nicht wussten, was weiter mit ihnen passieren würde.

Mit dem vierten und letzten Transport des Jahres 1941 wurden Helenes Tochter Herta, ihr Sohn Manfred, dessen Ehefrau Rosalie und die Enkelkinder Ruth und Herbert am 6. Dezember nach Riga deportiert. Dem Transport am 11. Juli 1942, der direkt nach Auschwitz führte, wurden ihr Bruder Marcus und seine Ehefrau Henriette zugewiesen. Helene selbst wurde am 15. Juli 1942 mit dem ersten Transport in das zu dem Zeitpunkt völlig überfüllte Getto Theresienstadt geschickt, wo die neu Eintreffenden notdürftig auf leeren Dachböden untergebracht wurden.

Helene Herz starb am 14. September 1942 – wie so viele andere aufgrund der fehlenden hygienischen und sanitären Einrichtungen und der unzureichenden medizinischen Versorgung. Vier Tage nach ihr war ihre Nichte Lilly Nathan, eine Tochter ihres Bruders Neumann, in Theresienstadt eingetroffen (s. www.stolpersteine-hamburg.de). Lilly Nathan überlebte den Winter und starb im Mai 1943.

Auch Neumann Nathans zweite Tochter Beate Recha wurde in einer Tötungsanstalt ermordet. Aus dem KZ Ravensbrück kommend, wurde sie am 24. April 1942 im Rahmen des "Euthanasie"-Programms bei der "Aktion 14f13" für nicht mehr arbeitsfähige KZ-Häftlinge in Bernburg durch Gas getötet.

Für Herta Fabian, geborene Herz, liegt ein Stolperstein in der Parkallee 2, für Hans Fabian liegt ein Stolperstein in der Kuhmühle 6; für Berta (Bertha) Herz und für Walter Herz liegen Stolpersteine in der Rothenbaumchaussee 101/103 und für Manfred, Rosalie, Ruth und Herbert Herz in der Wandsbeker Chaussee 62; für Helene Herz’ Bruder Marcus und dessen Ehefrau Henriette, geborene Levy, liegen Stolpersteine am Grindelberg 66, für Lilly Nathan liegt ein Stolperstein in der Hochallee 128.

Stand: Mai 2016
© Hildgard Thevs

Quellen: 1; 2; 4; 5; 6; 7; 9; Hamburger Adressbücher; StaH 213-11, 1080/44; 232-5 Amtsgericht Hamburg – Vormundschaftswesen 429; StaH 314-15 OFP R 1941/53; StaH 331-3 Politische Polizei Karton 880 (2); StaH 332-5 Standesämter 1009 u. 368/1933, 1904 u. 857/1877, 2846 u. 49/1895, 3043 u. 755/1905, 6670 u. 290/1928, 9112 u. 2055/1895, 9134 u. 2359/1897, 13404 u. 1946/1900, StaH 351-11 AfW 3292 (Marcus Nathan), 11088 (Martin Fabian), 20158 (Manfred Herz), 39776 (Julius Nathan); Archiv der Christian Science, Boston/Mass.; H. G. Adler, Theresienstadt; Ingo Wille, Stolpersteine in Hamburg-Eilbek. Biographische Spurensuche, Hamburg 2014; persönliche Mitteilungen von Karla Malapert, 2008 bis 2010; Mitteilungen und Fotos von H. Herde, 2010 bis 2013.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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