Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine



Manuel (Emil) Neugarten * 1885

Kielortallee 22 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


HIER WOHNTE
MANUEL NEUGARTEN
JG. 1885
DEPORTIERT 1941
MINSK
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Kielortallee 22:
Martha Brager, Frieda Brager, Werner Brager, Siegmund Brager, Liesel Brager, Bela Brager, Joel Falk, Hermann René Falk, Dina Hähnlein, Julius Hähnlein, Heinrich (Henoch) Herbst, Karoline (Caroline) Herbst, Helene Horwitz, Alfred Levy, Martha Levy, Herta Neugarten

Emil (Manuel) Neugarten, geb. am 17.1.1885 in Barop, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk
Herta Neugarten, geb. Gottschalk, geb. am 11.2.1897 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk
Frieda Rackwitz, geb. Gottschalk, geb. am 1.11.1893 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz
Walter Rackwitz, geb. am 18.3.1899 in Berlin, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz

Kielortallee 22

In der Geburtsurkunde für den Sohn von Moses und Gella (Julia) Neugarten, geb. Schönwald, die am 20. Januar 1885 in Barop bei Dortmund ausgestellt wurde, ist der Vorname des Kindes als "Manuel" eingetragen. Manuel Neugarten hat aber später den Nenn-Namen Emil angenommen, der Name Manuel tauchte nur noch in amtlichen Schriftstücken auf. 1913 heiratete er in Münster Alwine Sander (geb. 28.5.1890 in Bocholt in Westfalen). Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor. Die älteste Tochter Ilse wurde unehelich am 31.8.1910 in Klein Masselwitz bei Breslau in einer privaten Entbindungsanstalt geboren. 1913 erkannte Manuel Neugarten die Vaterschaft an und heiratete die Mutter. Damals lebte er in Bremen in der Isarstraße 94. Das zweite Kind erblickte am 25.6.1915 in Hamburg das Licht der Welt und erhielt den Namen Irene. Am 27.9.1916 wurde Tochter Margot geboren. Am 28.6.1922 folgte Ruth Sonja und am 21.3.1924 Ingeborg.

Nach der Heirat zog die Familie nach Hamburg. Die erste Wohnung lag in der Rapsoldstraße 1. 1917 stand im Adressbuch "E. Neugarten, Reisender, Rönnhaidstraße 45". (Die Rönnhaidstraße ist die die heutige Adolph-Schönfelder-Straße südlich der Weidestraße in Barmbek-Süd.) Mitte der 1920er Jahre stand im Adressbuch "E. Neugarten, Kaufmann, Heitmannstr. 12".Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Ehe geschieden. Zwei Jahre später heiratete das Paar in Hamburg am 15. Mai 1928 erneut. Doch auch die zweite Ehe war nicht von Dauer und wurde im Januar 1940 geschieden.Manuel Neugarten ehelichte kurz nach der Scheidung am 2. April 1940 Herta Gottschalk. Sie lebte in der Kielortallee 22, zusammen mit ihrer Mutter Tirza, ihrer Schwester Frieda und ihrem Schwager Walter Rackwitz. Sie war 43 Jahre alt, als sie heiratete.

Herta Gottschalk stammte aus Hamburg. Ihr Vater Alexander war Händler, ihre Mutter Tirza war eine geb. Meyer. Die Familie lebte, als Herta geboren wurde, in der Peterstraße 39 Haus 5. Herta Gottschalk hatte einen unehelichen Sohn Ernst (geb. 9.10.1926), der vermutlich nach England emigrieren konnte. Von Beruf war sie Krankenschwester und arbeitete zuletzt im Jüdischen Krankenhaus.

Manuel und Herta Neugarten gehörten zu den Juden, die am 8. November 1941 - also mit dem zweiten Hamburger Transport - nach Minsk deportiert wurden, zusammen mit 966 anderen Männern, Frauen und Kindern. 952 von ihnen kehrten nie zurück. Das Todesdatum von Manuel und Herta Neugarten wurde nachträglich auf den 8. Mai 1945 festgelegt. Nach allem, was über das Getto in Minsk bekannt ist, ist anzunehmen, dass beide schon kurz nach ihrer Ankunft ermordet wurden.

Herta hatte mindestens zwei ältere Geschwister: den Bruder Harry Gottschalk (geb. 1886), der am 2.9.1942 in Dachau starb, und die Schwester Frieda Rackwitz (geb. 1893), die ebenfalls 1940 geheiratet hatte und mit ihrem Mann am 8. November 1941 nach Minsk deportiert wurde. Für Harry Gottschalk liegt ein Stolperstein in St. Georg am Steindamm 12.

Von den fünf Töchtern Manuel Neugartens aus seiner Ehe mit Alwine emigrierten zwei: Ilse und Margot. Die Töchter Irene und Ruth Sonja blieben in Hamburg. Irene hatte den zehn Jahre älteren, aus einer ostfriesischen Schlachterfamilie stammenden Moritz Abrahams geheiratet (dazu. s. die Familien Beit und Brager). Der gemeinsame Sohn Denny wurde am 20.9.1938 geboren. Im Oktober 1941 wohnte die Familie in der Heinrich-Barth-Straße 17 IV. Sie wurde am 25. Oktober 1941 nach Lodz deportiert, wo sie in die Franzstraße 38 Wohnung 74 (polnisch Franciszkanska) eingewiesen.

Ruth hatte kurz vor der Deportation den staatenlosen, in Hamburg geborenen Carl Alfred Abraham Melamerson (geb. 7.12.1917) geheiratet. Die gemeinsame Tochter Recha, geboren am 15.8.1941, war noch ein Baby, als Ruth mit ihrem Mann, ihrer Tochter und ihren Schwiegereltern Salomon (geb. am 13.12.1884 oder 1894 in Kybartai/Litauen, gest. in Lodz am 28.4.1942) und Anita (geb. am 14.4.1890 in Hamburg als Anita Zadich, gest. in Lodz am 2.2.1942) mit demselben Transport wie Schwester, Neffe und Schwager nach Lodz deportiert wurden. Ruth und das Baby wurden von der Adresse Heinrich-Barth-Straße 7 bei Bleiweiss deportiert, die Familie Melamerson von der Adresse Blumenstraße 31a. Im Getto Lodz wurde Ruth in die Neustadtstraße 31, Wohnung 8 eingewiesen, später lebte die Familie Melamerson in der Cranachstrasse. Alfred Melamerson bat im Mai 1942 die Gettoverwaltung, von der "Aussiedelung" befreit zu werden. Zu dem Zeitpunkt waren seine Eltern bereits tot, und seine Frau Ruth war krank. Seinem Antrag wurde stattgegeben, aber bereits am 3.9.1942 starb er. Ruth überlebte ihn, sie starb am 12.7.1943 in Lodz. Auch Recha überlebte nicht. Die Mutter von Irene und Ruth, Alwine, hatte in Amerika noch von der Hochzeit Irenes und der Geburt des ersten Enkelkindes erfahren, von der Hochzeit Ruths und der Geburt des zweiten Enkelkindes wusste sie nichts.

Die jüngste Tochter Ingeborg überlebte ein Verfolgungsschicksal, wie man es sich grausamer kaum vorstellen kann. Nach dem Ende der Schulzeit auf der Israelitischen Töchterschule arbeitete sie 1938 in der Papierfabrik Willy Rendsburg, 1939 war sie Hausangestellte bei der jüdischen Familie Nadler in der Oberstraße 123, war 1940 wieder Fabrikarbeiterin und gelangte 1941 in das sogenannte Landwerk Neuendorf bei Fürstenwalde, das zwar einmal zur Reichsvereinigung der Juden in Deutschland gehört hatte und seit 1932 junge Juden für Palästina ausbilden sollte, seit 1941 aber ein NS-Zwangsarbeiter- und Sammellager für Deportationen war. Von dort wurde sie mit vielen anderen Jugendlichen nach Berlin verschleppt und mit dem sogenannten 37. Osttransport vom 19. April 1943 nach Auschwitz deportiert. Hier wurde sie zur Sklavenarbeit selektiert und arbeitete unter Lebensgefahr im Bunawerk Monowitz in der Waffenproduktion. Am 19. Januar 1945 wurde sie von dort nach Ravensbrück evakuiert und am 16. Februar 1945 nach Buchenwald, wo sie Ende April 1945 befreit wurde. Körperlich schwer beeinträchtigt gelangte sie nach der Befreiung nach England zu ihrer Mutter. In London heiratete sie am 29.8.1948 nach jüdischem Ritus den Kölner Kurt Marx, mit dem sie einen Sohn Michael hat. Ingrid Marx – 1982 hatte sie ihren Vornamen offiziell ändern lassen – starb am 17.2.2002.

Stand: März 2018
© Susanne Lohmeyer

Quellen: 1; 4; 5; StaH 332-5, 6673 + 273/1928; StaH 332-5, 2428 + 576/1897; StaH 332-5, 2318 + 4105/1893; StaH 332-5, 2126 + 1983/1886; StaH 351-11 AfW, 787, 8085, 36254, 12829, 41087, 46640, 46641; Stadtarchiv Dortmund Geburtsregister; HAB II 1917,1926; USHMM 302/278; Deportationsliste Litzmannstadt, Gedenkstätte Lodz Radegast; Stolpersteine in Hamburg-St. Georg, S. 75, Brief von Matthias Frühauf vom 28.2.2014; Telefonat mit Larissa Schmitz am 16.2.2018.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

druckansicht  / Seitenanfang