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Bereits verlegte Stolpersteine



Mina Pels (geborene Fürther) * 1866

Isestraße 39 (Eimsbüttel, Harvestehude)


HIER WOHNTE
MINA PELS
GEB. FÜRTHER
JG. 1866
FLUCHT HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 1943
SOBIBOR
ERMORDET 30.4.1943

Weitere Stolpersteine in Isestraße 39:
Herta Bos-Guth, Paula Meyer, Harriet Natalie Neufeld, Iwan Seligmann

Mina Pels, geb. Fürther, geb. 1.8.1866 in Scheinfeld/Mittelfranken, deportiert am 27.4.1943 aus den Niederlanden nach Sobibor, dort ermordet am 30.4.1943

Moritz Fürther (1832–1913), der Vater von Mina Pels, geb. Fürther, stammte aus Mittelfranken. 1861 heiratete er in Nürnberg die ebenfalls jüdische Anna Bing (1838–1911) und zog in deren Geburtsstadt Würzburg. Hier ließ er sich als Gerber und Lederhändler nieder.

Der Ehe entstammten vier Kinder: Isidor (1862–1931), Bernhard (1865–1933), Mina (geb. 1866) und Clothilde (geb. 1868). 1892 gab Moritz Fürther die Gerberei auf und gründete, vermutlich zusammen mit einem Cousin der Ehefrau, Salomon Bing junior (1839–1903), die Lederhandlung Bing & Fürther. Das Geschäft lag in guter Lage am Kaiserplatz 1 in Würzburg, direkt gegenüber dem Hauptbahnhof. Aus dem gelernten Gerber Moritz Fürther wurde ein Kaufmann. Auch die beiden Söhne Isidor und Bernhard erlernten den Kaufmannsberuf und führten später die väterliche Lederhandlung als Firmeninhaber fort.

1901 zog Bernhard Fürther mit seiner Ehefrau nach München und betrieb dort die "Bayerische Korkfabrik München". Die jüngere Tochter von Moritz Fürther, Clothilde, heiratete den Berliner Zahnarzt Dr. chir. dent. J. Seligmann. Die ältere Tochter Mina ehelichte 1888 den aus Hamburg stammenden Mathias Pels und zog in die Hansestadt. Der zehn Jahre ältere Ehemann war dort seit 1876 Mitinhaber einer Privatbank (seit circa 1903 zusammen mit Emil Lippstadt) und war spätestens seit 1913 Mitglied der dortigen Jüdischen Gemeinde; daneben gehörte er der Vereinigung des "Ehrbaren Kaufmanns" an, einer Wahlkörperschaft der Handelskammer Hamburg.

In Hamburg lebten spätestens seit 1842 mehrere Personen mit dem Familiennamen Pels, die jüdischen Glaubens waren und aus Emden stammten. Es ist anzunehmen, dass es sich hierbei um Verwandtschaftsverhältnisse handelte, die mehrere Generationen umfassten. Im Hamburger Adressbuch von 1842 findet sich lediglich ein Eintrag unter dem Namen Pels: Adolph Pels, "Rauhwaarenhandl. u. Mützenfabrik, Neuerwall no. 116". Adolph Pels (geb. um 1813) wurde 1849, als er den Hamburger Bürgerbrief erhielt, als Kürschner und Putzhändler bezeichnet.

1845 eröffnete das "Manufactur Waaren=Geschäft en gros M. Pels & Co." von Mathias Pels (geb. in Emden). Als die Firma 1871 geschlossen wurde, waren auch noch Mathias Jacob Pels (1817–1885) und Simon Jacob Pels (1819–1883) als Mitinhaber im Handelsregister eingetragen. Simon Jacob Pels gründete 1871 ein eigenes Geschäft in der gleichen Branche (Firma Simon Pels). Eine genaue Zuordnung der Personen und Verwandtschaftsverhältnisse ist aufgrund fehlender Unterlagen nicht möglich. Trotzdem ist zu vermuten, dass der Ehe­mann von Mina Pels, geb. Fürther, mit den Kaufleuten von M. Pels & Co. verwandt war, die aus Emden stammten, wo 1828 Abraham Jacob Pels Vorsteher der Emdener Israelitischen Gemeinde gewesen war.

Drei Töchter entstammten der Ehe von Mina und Mathias Pels: Henriette genannt Henny (geb. 1891) und Hedwig (geb. 1894) wurden in der Eichenallee 23 geboren, die Jüngste, Else, wurde 1898 in der Hallerstraße 45/Ecke Parkallee in Hamburg-Harvestehude geboren. Die Privatbank Mathias Pels & Co. bildete die wirtschaftliche Grundlage der Familie. Der Erste Weltkrieg und das Kriegsende brachten gravierende Änderungen für den Bankensektor mit sich: Veränderte Auslandsbeziehungen, Kriegsanleihen, Illiquidität, Rückgang der Geldanlagen, Kapitaleinbußen bei Krediten und Spekulationen an der Börse forderten von den Banken ein hohes Maß an Flexibilität. Und auch ein Quäntchen Glück war bei den Geschäftsentscheidungen vonnöten. Mit welchen wirtschaftlichen Problemen die Privatbank Pels zu kämpfen hatte, ist nicht bekannt.

Das Bankgeschäft Mathias Pels & Co., das seine Geschäftsräume zuletzt in der Großen Bäckerstraße 2 (Altstadt) hatte, wurde im Oktober 1919 von einem "beeidigten Bücherrevisor" liquidiert. Im selben Jahr war die Familie aus dem viergeschossigen Haus Hansastraße 64, 2. Stock (Harvestehude) in die Isestraße 39 (Harvestehude) umgezogen. Die älteste Tochter zog nach ihrer Heirat 1918 zum Ehemann und auch die mittlere der drei Töchter verließ 1923 das Haus, nachdem sie den Wirtschaftsberater Leo Stein­gut aus Hamburg geheiratet hatte. 1923 setzte sich Mathias Pels beruflich endgültig zur Ruhe.

Es ist anzunehmen, dass die Inflation des Jahres 1923 die Ersparnisse der Familie zumindest teilweise vernichtete. Ohne berufstätige Familienmitglieder dürfte es in der Folge um die Einnahmen der Familie schlecht bestellt gewesen sein. Diesem Umstand war wohl auch der Umzug an den Grindelberg 36 geschuldet. Im August 1933 verstarb Mathias Pels im Israelitischen Krankenhaus in der Eckernförderstraße 4 in Altona-Nord und wurde auf dem Jüdischen Friedhof Ohlsdorf beerdigt.

Für Mina Pels sind in der Folgezeit als weitere Wohnadressen die Schäferkampsallee 49 und ab September 1936 die Clärchenstraße 16, I. Stock bei Jonas vermerkt. Ab Oktober 1937 wohnte Mina Pels zusammen mit ihrer unverheirateten Tochter Else zur Untermiete in der Gryphiusstraße 12 (Parterre links bei Porges). Ab 1937 verzeichnete die Steuerkartei der Jüdischen Gemeinde bei Else Pels, die nun als Hausangestellte tätig war, Zahlungen in sehr geringer Höhe.

Kurz hintereinander emigrierten Mutter und Tochter nach Amsterdam, wo seit Juli 1918 die Tochter Henny (Henriette), verheiratete Jochems, in der Michelangelostraat 105 wohnte. Durch ihre Heirat mit dem niederländischen Staatsbürger und verwitweten Uhren-Importeur Isidorus Jochems hatte Henny Jochems, geb. Pels, die niederländische Staatsbürgerschaft erhalten.

Mina Pels verließ Hamburg im Januar 1939 mit zwei Koffern voller Kleidung und zwei "Haushaltungskisten" mit Porzellan, Glas und Gebrauchssilber. Else Pels zog in die Willistraße 1, wo sie bei den Robinsohns (Konfektionshaus Robinsohn) als Hausangestellte arbeitete. Ihre zunächst gemeinsam mit der Mutter vorgesehene Emigration erfolgte im Mai 1939. Mina Pels’ dritte Tochter war bereits mit ihrem Ehemann in die USA emigriert. So schien es, als hätten sich die Mutter und ihre anderen beiden Töchter in Holland in Sicherheit bringen können.

Zum 1. Mai 1939 hatte Else Pels in Amsterdam, wohl auf Vermittlung ihrer Schwester, eine Anstellung in Aussicht. Unterkunft fand sie in einem Haus in der Tintorettostraat 39. Ihre Mutter wohnte bei ihrer ältesten Tochter Henny in der angrenzenden Michelangelostraat im Süden der Stadt. Doch nachdem deutsche Truppen die Niederlande im Mai 1940 überfallen hatten, gerieten auch die jüdischen Einwanderer erneut in den deutschen Machtbereich. Aufgrund einer polizeilichen Verordnung des Reichskommissars für das besetzte niederländische Gebiet musste seit dem 2. Mai 1942 auch in den Niederlanden der gelbe "Judenstern" getragen werden. Henny Jochems, ihr Mann und die beiden Töchter hielten sich zeitweilig versteckt. Die 77-jährige Mina Pels wurde am 17. April 1943 in der Wohnung Michelangelostraat 105 verhaftet, ins niederländische Durchgangslager Westerbork eingeliefert und 10 Tage später ins Vernichtungslager Sobibor nach Polen de­portiert. Das niederländische Rote Kreuz datiert ihren Tod auf den 30. April 1943.

Am 8. Juni 1943 wurde auch Else Pels nach Sobibor deportiert und dort mit Gas ermordet. In Sobibor war 1942 nach der Wannsee-Konferenz ein Todeslager errichtet worden. Laut Erbschein des Amtsgerichts Hamburg aus dem Jahre 1962 verstarb Else Pels am 11. Juni 1943 in Sobibor. An sie erinnert ein "Stolperstein" vor dem Haus Willistraße 1.

Ihre Schwester Henny/Henriette Jochems, geb. Pels, (geb. 18.9.1891) wurde am 20. Januar 1944 gemeinsam mit ihrem Mann Isidorus (geb. 19.1.1874 in Antwerpen) und der Tochter Jenny Lucy (geb. 29.7.1915 in Amsterdam) in das Lager Westerbork eingeliefert und am 8. Februar 1944 von dort ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert, wo alle drei am 11. Fe­bru­ar 1944 im Gas starben. Die 1920 geborene Tochter Marion hielt sich getrennt von ihren Eltern versteckt und überlebte den Holocaust.

Isaak Pels (geb. 1878 in Emden), vermutlich ein Neffe von Mathias Pels (1856–1933), nahm sich am 10. November 1941 das Leben, um der drohenden Deportation nach Minsk zu entgehen. Seinem Bruder Ludwig (= Liepmann) Pels, (geb. 1874 in Emden) gelang 1940 mit seiner Frau Cäcilie, geb. Cohn, die Emigration zu ihren Kindern nach Kopenhagen. In seinem Reisegepäck befanden sich auch religiöse Gegenstände, so eine "Gesetzesrolle – rituell", zwei Metall-Leuchter sowie diverse "Ritualien" und Bücher. Clothilde Seligmann, geb. Fürther (geb. 24.9.1868), die jüngere Schwester von Mina Pels, lebte seit ihrer Heirat in Berlin, wo ihr Ehemann eine Zahnarztpraxis betrieb. Von 1920 bis 1934 wohnte das Ehepaar in der Uhlandstraße 28 (Berlin W 15), vermutlich 1934 zog es zum Alexanderplatz 1. Im Berliner Adressbuch von 1939 sind die Eheleute nicht mehr verzeichnet, d. h., sie waren nicht mehr Hauptmieter einer Wohnung, sondern lebten entweder zur Untermiete oder waren bereits in ein sogenanntes "Judenhaus" eingewiesen worden. Clothilde Seligmann wurde am 19. November 1942 von Berlin ins Getto Theresienstadt deportiert, wo sie am 9. Februar 1943 starb.

© Björn Eggert

Quellen: 1; 2; 3; 4; 5; StaHH 351-11 (AfW), 010865 (Minna Pels); StaHH 351-11 (AfW), 100320 (M.L. geb. J.); StaHH 231-3 (Handelsregister), B 3299 (M.Pels & Co., 1845–1871); StaHH 231-3 (Handelsregister), B 12938 (Simon Pels, 1871–1896); StaHH 314-15, FVg 2926 (Minna Pels); StaHH 314-15, FVg 4439 (Else Pels); StaHH 314-15, FVg 7952 (Liepmann/Ludwig Pels); Generalregister der Hamburger Standesämter, Sterbeurkunden 1885 (Mathias Jacob Pels), 1924 (Jacob Pels), 1933 (Mathias Pels); StaHH (Lesesaal), General-Trau-Register 1847–1850 und 1851–1854; StaHH (Lesesaal), Bürger-Register von 1845–1875, L-R; AB 1842, 1893, 1896, 1898, 1904, 1913, 1920, 1928, 1931, 1934; AB Berlin 1890, 1900, 1920, 1932–1935, 1939 (Dr. J. Seligmann); Amtl. Fernsprechbücher Hamburg 1895, 1901, 1909, 1914, 1920–1922; Gräber-Kar­tei des Jüdischen Friedhofs Ohlsdorf; Jürgen Sielemann, Aber seid alle beruhigt, Hamburg 2005, S. 115 (Fußnote 115: Ludwig Pels), S. 177, 180; www.joodsmonument.nl (eingesehen am 8.2.2007 u. 17.9.2008); Niederländisches Generalkonsulat, telefonische Auskunft zum Staatsangehörigkeits-Gesetz von 1892 (Artikel 15), 9.12.2008; Stadtarchiv Würzburg, Reiner Strätz, Biografisches Handbuch Würzburger Juden 1900–1945, 1989, S. 92–93, 186 (Familie Fürther); Stadtarchiv München (Hrsg.), Biografisches Gedenkbuch der Münchner Juden 1933–1945, Band 1, S. 398–399 (Bernhard Fürther); Stadtarchiv Emden, Informationen zu Mitgliedern der Familie Pels per E-Mail, 2008; Gilbert, Martin, Endlösung – Die Vertreibung und Vernichtung der Juden. Ein Atlas, Reinbek bei Hamburg, 1982, S. 90, 160f.; Handelskammer Hamburg: Firmenarchiv (Mathias Pels & Co.); Hamburger Börsenfirmen, 11. Auflage, Hamburg 1910, S. 501; Hamburger Abendblatt 30.12.2006 (Der Ehrbare Kaufmann: Tradition seit fast 500 Jahren).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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