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Bereits verlegte Stolpersteine



Alice Oppenheimer
© Yad Vashem

Alice Oppenheimer (geborene Oppenheim) * 1867

Sierichstraße 58 (Hamburg-Nord, Winterhude)


HIER WOHNTE
ALICE OPPENHEIMER
GEB. OPPENHEIM
JG. 1867
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 3.9.1942

Weitere Stolpersteine in Sierichstraße 58:
Ernst Oppenheimer

Alice Oppenheimer, geb. Oppenheim, geb. 18.3.1867 in Hamburg, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, dort am 3.9.1942 gestorben
Ernst Oppenheimer, geb. 1.7.1897 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk, Todesdatum unbekannt

Alice Oppenheim wurde 1867 in Hamburg als Tochter des Kaufmannes Albert Süsskind Oppenheim geboren. Der Vater besaß seit 1865 das Hamburger Bürgerrecht. Ihre Mutter Lucia, geb. Cohn (geb. 1846), stammte aus Stuttgart. Drei Jahre später folgte die Schwester Johanna (s. d.), die 1898 den Juniorchef der nunmehr in Rappolt & Söhne umbenannten Textilfirma heiratete. Familie Oppenheim lebte bis zur Heirat der jüngeren Tochter in der Heimhuderstraße 58 in Hamburg-Rotherbaum und zog anschließend nach Hamburg-Harvestehude in die Heilwigstraße 17. Alice Oppenheim heiratete um 1890 den Hamburger Rechtsanwalt Dr. Philipp (genannt Paul) Oppenheimer (1854–1937). Aus dessen erster Ehe stammte nach Aussage eines Urenkels die Tochter Olga (geb. 1885), später verehelichte Wolfers.

Zu den Vorfahren der Familie Oppenheimer machte der Sohn Albert Oppenheimer 1973 in einem Schreiben an die Hamburger Senatskanzlei, die ihm zum 80. Geburtstag gratuliert hatte, eine Andeutung: "Abkömmling des im vorigen Jahrhundert von dem Hamburger Maler Suhr im Bilde festgehaltenen Oppenheimer Haus am Neuen Wall." Der Hamburger Kaufmann Hirsch Berend Oppenheimer (1794–1870) hatte 1847, fünf Jahre nach dem Hamburger Brand, am niedergebrannten Neuen Wall ein stattliches fünfgeschossiges Gebäude errichten lassen. Über den beiden hohen Eingangsportalen prangte in großen Lettern der Schriftzug H. B. Oppenheimer. In dem Gebäude befand sich neben den Kontorräumen und der Wohnung auch eine private Synagoge. Die Verwaltung der 1868 von Hirsch Berend Oppenheimer gegründeten "Oppenheimer Stiftung", die am Krayenkamp Freiwohnungen für bedürftige jüdische Familien zur Verfügung stellte, hatten Anfang des 20. Jahrhunderts die Rechtsanwälte Dr. Ruben Leopold Oppenheimer (1837–1914) und Dr. Paul Oppenheimer (geb. 1854) inne. Ruben Leopold Oppenheimer hatte 1860 in Leipzig promoviert und war 1875 in Hamburg in die Patriotische Gesellschaft eingetreten.

Der Ehe von Paul (eigentlich Philipp) und Alice Oppenheimer entstammten drei Söhne: Albert (geb. 1892), Paul (geb. 1895) und Ernst (geb. 1897). Die Familie wohnte mehr als dreißig Jahre im Stadtteil Rotherbaum: um 1892 im Harvestehuder Weg 8a, wo der Sohn Albert geboren wurde, bis 1897 in der Johnsallee 49, danach von 1898–1902 in der Heimhuderstraße 27, anschließend bis 1906 in der Johnsallee 33, von 1907–1918 in der Feldbrunnenstraße 4, direkt neben ihrem Vater Albert Oppenheim, und danach bis 1926 in der Heimhuderstraße 15. Erst 1927 verzogen die Eheleute Philipp und Alice Oppenheimer in den Stadtteil Winterhude, zuerst in die Sierichstraße 84 und ab 1930 wohnten sie in der Sierichstraße 58.

Der älteste Sohn Albert hatte nach seinem Abitur Ostern 1911 am Wilhelm Gymnasium das Jurastudium aufgenommen und bereits am 6. August 1914 die 1. juristische Prüfung als Notexamen abgelegt, da nun die jungen Männer für den Krieg gebraucht wurden. Rund zwei Monate später trat er als Kavallerist in das kaiserliche Heer ein. Auch der drei Jahre jüngere Sohn Paul Oppenheimer wurde einberufen, er starb im Mai 1917 als Gefreiter an der Westfront. Über die Kriegsteilnahme des dritten Sohnes Ernst Oppenheimer liegen keine Informationen vor.

Nach der Demobilisierung und der Entlassung aus dem Heeresdienst, setzte Albert Oppenheimer die juristische Familientradition fort: der 2. juristischen Prüfung für Kriegsteilnehmer 1921 folgte 1922 die Promotion in Erlangen. 1925 wurde er als Juniorpartner in die Rechtsanwaltskanzlei seines Vaters und der Anwälte Emil Behrens (1859–1942), Dr. Eduard Beith (1882–1937) und Dr. Louis Levy (1891–1971) aufgenommen. In diesem Jahr musste er erstmalig Steuern an die Jüdische Gemeinde Hamburg zahlen. Ernst Oppenheimer wurde seit 1924 mit einer eigenen Karteikarte in der Jüdischen Gemeinde Hamburg geführt. Seine darauf vermerkte Berufsbezeichnung lautete "Angestellter". Bis 1929 entrichtete er seine Steuern an die Gemeinde, d. h. er hatte Arbeit und Einkommen. Ab 1930 unterblieben die Steuerzahlungen. Möglicherweise verlor Ernst Oppenheimer im Anschluss an die Weltwirtschaftskrise seine Arbeit und fand nach 1933 als Jude keine neue Beschäftigung mehr. So lebte er weiterhin bei seinen Eltern, damals für einen unverheirateten Mann um die 40 Jahre eine durchaus übliche Wohnsituation.
1937 starb Philipp/Paul Oppenheimer im Alter von 83 Jahren.

Der ältere Sohn Albert Oppenheimer, der bis 1933 in der Rechtsanwaltskanzlei des Vaters in der Dammtorstraße 14 tätig gewesen war und anschließend bis 1938 ein eigenes Rechtsanwaltsbüro betrieb, arbeitete bis zu seiner Emigration im Juli 1941 (von Barcelona aus in die USA) beim Jüdischen Religionsverband. Alices Stieftochter Olga Wolfers, geb. Oppenheimer und ihr Ehemann Hugo Wolfers (geb. 22.10.1875), Mitinhaber der Leinen- und Baumwollgroßhandlung Schönfeld & Wolfers (Hohe Bleichen 31/32), wurden am 6. Dezember 1941 nach Riga deportiert. Der jüngste Sohn von Alice Oppenheimer, Ernst, wurde am 8. November 1941 nach Minsk deportiert.

Alice Oppenheimer lebte nun allein in der Wohnung Sierichstraße 58. Sie traf sich häufig mit ihrer ebenfalls verwitweten Schwester Johanna. Am 20. März 1942 musste Alice Oppenheimer in ein "Judenhaus" in der Beneckestraße 6 (Rotherbaum) umziehen. Am 15. Juli 1942 wurde sie zusammen mit ihrer Schwester Johanna nach Theresienstadt deportiert. Die beiden Schwestern wurden zusammen im Gebäudeteil L 425 8 Nr.13 h untergebracht. Nach der offiziellen Todesfallanzeige des Gettos Theresienstadt soll Alice Oppenheimer nach nur sechs Wochen an Herzschwäche gestorben sein. Das Todesdatum ihres Sohnes Ernst ist nicht bekannt.

© Björn Eggert

Quellen: 1; 3; 4; 5; 8; StaHH 241-2 (Justizverwaltung Personalakten), Signatur A 1811 (Dr. Albert Oppenheimer); StaHH 131-1 II (Senatskanzlei II), Signatur 3612 (Korrespondenz ehem. jüd. Mitbürger, Dr. Albert Oppenheimer), 1966–1973; StaHH 314-15 (Oberfinanzpräsident), Signatur FVg 8619 (Dr. Albert Oppenheimer), 1941; StaHH 424-13 (Liegenschaft Altona), Signatur 740 und 760 (Grundstücksakte, Dr. Paul Oppenheimer); Heiko Morisse, Jüdische Rechtsanwälte in Hamburg. Ausgrenzung und Verfolgung im NS-Staat, Hamburg 2003, S. 150; Gerrit Schmidt, Die Geschichte der Hamburger Anwaltschaft von 1815 bis 1879, Hamburg 1989, S. 375; Wilhelm Mosel, Wegweiser zu ehemaligen jüdischen Staetten in Hamburg, Heft 2, Hamburg 1985, S. 54–55 (Hirsch Berend Oppenheimer, Dr. R.L. Oppenheimer, Dr. Paul Oppenheimer); Museum für Hamburgische Geschichte, Hamburg Portrait Heft 27/97, Juden in Hamburg – Begleitheft zur Ausstellung (Abb. des Hauses Neuer Wall, Stahlstich, o. D.); Jahrbuch der Hamburgischen Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe (Patriotische Gesellschaft), Hamburg 1915, S. 64 (Dr. R. L. Oppenheimer); Wilhelm Gymnasium Hamburg 1881–1956, Hamburg o. D., S. 119; AB 1936 (Beneckestr. 6); Amtliche Fernsprechbücher Hamburg (Oppenheimer) 1895–1936; Amtliche Fernsprechbücher Hamburg (Albert Oppenheim) 1895, 1899–1901, 1906–1911; Briefe von Franz Rappolt an seinen Sohn Ernst Rappolt in die USA, Privatbesitz, 1940–1941; E-Mails des Urenkels H. W. (Australien), 15.1.2008, 24.2.2008; Universität Heidelberg 1878 Jura-Promotion von Philipp Oppenheimer (* 1854), lateinischer Lebenslauf; Beate Meyer (Hrsg.), Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden 1933–1945, Hamburg 2006, S. 46 (Abb. Albert Oppenheimer); Irmgard Stein, Jüdische Baudenkmäler in Hamburg, Hamburg 1987, S. 114f.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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