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Max Dreifus * 1884
Isestraße 96 (Eimsbüttel, Harvestehude)
HIER WOHNTE
MAX DREIFUS
JG. 1884
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
TOT 12.9.1941
Weitere Stolpersteine in Isestraße 96:
Blanka Dreifus, Selma Schlesinger, Gertrud Singer, Lot Voss, Margarethe Voss, Uri Voss
Blanka Dreifus, geb. Kuder, geb. 14.3.1888 in Gießen, am 25.10.1941 deportiert nach Lodz, Todesdatum 5.6.1942
Max Dreifus, geb. 5.6.1884 in Pirmasens, am 12.9.1941 in Hamburg verstorben
Seit Oktober 1940 wohnten Max und Blanka Dreifus und Blankas Nichte Gertrud bei Familie Voss zur Untermiete. Sie kamen aus Pirmasens nach Hamburg. Das Ehepaar Dreifus war zunächst seit dem 6. Dezember 1939 in der Dillstraße 15, einem Haus der Jüdischen Gemeinde, untergebracht gewesen.
Max Dreifus hatte in Pirmasens seit 1917 eine kleine Schuhfabrik besessen, die aber 1924 in Konkurs geriet und 1929 aus dem Handelsregister gelöscht wurde. Danach hielt sich die Familie wahrscheinlich mit Rücklagen, auch aus dem Besitz von Blanka Dreifus, über Wasser. Aus dem Wiedergutmachungsverfahren wissen wir, dass die Familie in Pirmasens in einer gut bürgerlich eingerichteten Vierzimmerwohnung gelebt hatte. Das berichtete ein Schulfreund des Sohnes Erich. Die beiden Jungen trafen sich dort fast täglich, um gemeinsam ihre Hausaufgaben zu machen.
Erich Dreifus wurde am 21.11.1913 geboren. Nach dem Abitur am Humanistischen Gymnasium in Pirmasens besuchte er eine Schuhfachschule. 1936 wurde er einer der Vorsitzenden der Ortsgruppe Pirmasens des "Jüdischen Pfadfinderbundes im Verband der jüdischen Jugendvereine Deutschlands", der, bürgerlich-lebensreformerisch orientiert, half, die Jugendlichen mit der zionistischen Idee vertraut zu machen. Im Januar 1939 wanderte Erich Dreifus in die USA aus. Er dürfte noch miterlebt haben, dass viele jüdische Bürger aus Pirmasens in der Verhaftungswelle nach der Pogromnacht am 9. November 1938 ins Konzentrationslager Dachau gebracht wurden. Offenbar waren er und sein Vater aber nicht darunter. Die Verfolgung der Juden vor Ort mag jedoch der Auslöser für seine Emigration gewesen sein.
Am 1. September 1939, dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, traf das Schicksal dann zunächst die gesamte Bevölkerung der Stadt Pirmasens: Im Zusammenhang mit dem Ausbau des "Westwalls" wurde die Stadt zur "Roten Zone" erklärt und alle Einwohner, Nichtjuden und Juden, evakuiert. Sie mussten ihre Häuser verlassen, durften nur das Nötigste mitnehmen, Möbel und sonstige Einrichtungsgegenstände blieben zurück. Zu der Zeit lebten noch etwa 200 von ehemals mehr als 800 Juden in der Stadt. Familie Dreifus wählte Hamburg als Zufluchtsort, sie wurde nicht zwangsweise dorthin verwiesen. Möglicherweise verfügte sie hier über persönliche Kontakte. Im August 1940 konnten sämtliche nichtjüdischen Einwohner in ihre Häuser zurückkehren, außerdem für kurze Zeit 64 Juden, die noch über einen Teil ihres Eigentums bestimmen durften. Auf Dauer war aber allen Juden das Aufenthaltsrecht verwehrt. Pirmasens wurde für "judenrein" erklärt. Die Juden, die in weiter entfernte Gebiete evakuiert worden waren, konnten nicht einmal mehr ihren Besitz retten.
Auch Max und Blanka Dreifus sahen ihr Haus nicht wieder. Es war nicht zu klären, was mit dem Besitz in Pirmasens geschah. Die Wohnung mit der gesamten Einrichtung galt als "im Stich gelassen" und wurde mit Gewissheit, so wie es in Hamburg mit den Wohnungen der Deportierten geschah, versteigert, der Ertrag der Staatskasse zugeführt.
Zu dem Zeitpunkt, als die Pirmasenser in ihre Häuser zurückkehren durften, lebten Blanka und Max Dreifus bereits in Hamburg, wo die beiden von der Jüdischen Wohlfahrt unterstützt wurden. Vielleicht raubte diese Demütigung Max Dreifus die letzte Lebenskraft. Er war nach zwei Schlaganfällen, im Mai 1931 und im April 1939, geschwächt und teilweise gelähmt. Am 12. September 1941 starb er in der Isestraße 96. Er wurde in Hamburg auf dem jüdischen Friedhof an der Ilandkoppel begraben. Die Angabe "Freitod" im Gedenkbuch des Bundesarchivs beruht auf einer Fehlinformation.
Blanka Dreifus musste sechs Wochen später mit dem ersten Transport, der die Stadt verließ, nach Lodz in den Tod fahren.
© Christa Fladhammer
Quellen: 1; 8; AfW 211113, StaH, 352-2 Gesundheitsbehörde-Todesbescheinigungen-1941, Standesamt 2 Nr. 393; Juden in Pirmasens, Spuren ihrer Geschichte, im Auftrag der Stadt Pirmasens, zusammengestellt von Bernhard Kukatzki, Dunja Maurer, Heike Wittmer und dem Arbeitskreis "Geschichte der Juden in Pirmasens", Stadtverwaltung Pirmasens 2004, S. 272, S. 372; mündliche telefonische Auskunft der Stadtarchivarin Heike Wittmer am 27.7.2009; schriftliche Auskunft von Norman Salzmann, Stadt Pirmasens, Stadtverwaltung – Museen und Archive, 6.8.2009; telefonische Auskunft des jüdischen Friedhofs Ilandkoppel am 28.1.2010.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".