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Bereits verlegte Stolpersteine



Herbert Oberschitzky * 1904

Hallerstraße 8 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1942 Theresienstadt
tot am 27.7.1942

Weitere Stolpersteine in Hallerstraße 8:
Levy Louis Oberschitzky, Zerline Oberschitzky

Levy, gen. Louis Oberschitzky, geb. am 13.9.1869 in Burgdorf, deportiert nach Theresienstadt am 15.7.1942, von dort nach Treblinka am 21.9.1942, dort ermordet
Zerline Oberschitzky, geb. David, geb. am 1.7.1873 in Hannover, deportiert nach Theresienstadt am 15.7.1942, von dort nach Treblinka am 21.9.1942, dort ermordet
Herbert Fritz Oberschitzky, geb. am 1.4.1904 in Hamburg, deportiert nach Theresienstadt am 15.7.1942, dort gestorben am 27.7.1942

Hallerstraße 8

Levy und Zerline Oberschitzky entstammten jüdischen Kaufmannsfamilien. Levys Vater, der "Handelsmann" Salomon Oberschützky, wanderte um das Jahr 1860 herum mit seiner Frau Friederike, geb. Aron, aus dem damals dänischen Altona nach Burgdorf im Königreich Hannover ein, wo er eine Textilhandlung eröffnete. Burgdorf war zu dieser Zeit ein kleines Städtchen mit kaum mehr als 3000 Einwohnern, von denen etwa 100 Juden waren. Gegen Ende des Jahrhunderts nahm ihre Zahl ab. Es gab eine Synagoge und eine jüdische Schule. In Burgdorf wurden die acht Kinder von Salomon und Friederike Oberschützky geboren – Rosa und Abraham, Levy und Willy, Ida und Moritz, Hermann und Rudolf. Als Levy am 13.9.1869 geboren wurde, war – nach dem deutsch-österreichischen Krieg – das "Königreich Hannover" zur "Preußischen Provinz Hannover" geworden. Er und seine jüngeren Geschwister waren somit "Preußen durch Abstammung". Salomon Oberschützky verlegte seine Textilhandlung später nach Lüneburg und zog mit seiner Familie dorthin. So wuchs Levy mit seinen Geschwistern in Burgdorf und Lüneburg auf. Levy besuchte die Realschule. Als Wehrpflichtiger gehörte er dem preußischen Landsturm an. Er nannte sich später "Louis" statt "Levy" und – als einziger der Geschwister – "Oberschitzky" mit "i" statt "Oberschützky".

Die Söhne Salomon Oberschützkys wurden Kaufleute wie ihr Vater, die Töchter waren mit einem Kaufmann verheiratet. Um das Jahr 1900 herum zogen die ersten von ihnen nach Hamburg, seit Beginn der 1920er-Jahre lebten alle acht Geschwister mit ihren Familien in Hamburg. Ihre insgesamt sechzehn Söhne und Töchter waren Kaufleute wie ihre Väter oder mit einem Kaufmann verheiratet. Auch sie lebten – fast alle – mit ihren Familien in Hamburg, bis in das "Schicksalsjahr" 1938 hinein. Ein Merkmal der Familiengeschichte war der starke Geburtenrückgang innerhalb von drei Generationen. Salomon und Friederike Oberschützky hatten acht Kinder, die zwischen 1865 und 1880 geboren wurden. Diese hatten zusammen sechzehn Söhne und Töchter, die zwischen 1895 und 1905 geboren wurden, nur einer wurde erst 1921 geboren. Von den sechzehn Enkeln Salomon Oberschützkys hatten nur drei je ein Kind, geboren zwischen 1920 und 1934 in Hamburg. Alle drei waren Mädchen.

Auch Salomon David, der Vater von Zerline Oberschitzky, war Kaufmann. Er stammte aus dem ostfriesischen Wittmund, ihre Mutter Rosa (genannt "Röschen"), geb. Rosenbaum, aus Braunschweig. Zusammen hatten sie fünf Kinder. Das älteste wurde in der Nähe Hannovers, in Hagenburg, die drei nächsten in Hannover geboren, Zerline am 1.7.1873. In Hannover war Salomon David als Buchhändler tätig. Ein Jahr nach Zerlines Geburt zog die Familie nach Hamburg. Salomon David erwarb am 6. April 1877 das Hamburgische Bürgerrecht, wenige Tage vor der Geburt seiner jüngsten Tochter Jettchen. Sein Gewerbe wurde im Hamburger Bürgerregister als "Manufakturwarenhandel" und später ins Hamburger Adressbuch als "Seidenbandhandel" eingetragen. Obwohl die Gewerbefreiheit in Hamburg bereits 1864 eingeführt wurde, spiegelt sich in diesen Bezeichnungen noch die alte Hamburgische Gewerbeordnung aus der Zeit davor. Sie schloss Juden vom Handel mit Waren aus, der den Mitgliedern der Handels- und Handwerkszünften vorbehalten war. Der Handel mit den historisch "neuen" Manufaktur- und Importwaren – wie Seidenbändern – war bereits nach der alten Gewerbeordnung nicht ausschließlich Zunftmitgliedern vorbehalten, er stand auch Juden offen. Salomon David errichtete sein Geschäft in der Neustadt, am Alten Steinweg 51. Etwa 1880 verlegte er es an den Neuen Steinweg 96, ins eigene Haus, wo Zerline und ihre Geschwister aufwuchsen. Als "Rentier" zog Salomon David mit seiner Frau 1905 aus der Neustadt an den Grindelberg, in das Haus Nr. 76/1. Er starb am 24. Juli 1917. Röschen David lebte noch fast dreißig Jahre in der Wohnung am Grindelberg. Sie starb, 93-jährig, am 10. Februar 1933, wenige Tage nach der nationalsozialistischen Machtübernahme.

Die Oberschützkys wie die Davids gehörten der Jüdischen Gemeinde an. Nur einer, ­Zerlines Bruder Bernhard David, trat als "Glaubensloser", wie auf seiner Kultussteuerkarte vermerkt wurde, 1929 aus der Jüdischen Gemeinde aus. Alle heirateten innerhalb der Jüdischen Gemeinde, in einer jüdisch-christlichen Mischehe lebte niemand von ihnen. Den "Nürnberger Gesetzen" von 1935 zufolge galten sie im nationalsozialistischen Deutschland als "Volljuden".

Louis Oberschitzky und Zerline David heirateten am 11. Juni 1896 in Hamburg. Anfangs lebten sie im benachbarten – seit 1867 ebenfalls preußischen – Altona, am Schulterblatt 30 A/I. Hier wurden ihre zwei Töchter geboren, Friederike am 6.4.1897 und Paula am 23.6.1898. Seit 1900 lebten sie in Hamburg, in der Grindelallee 165, wo ihr Sohn Herbert Fritz am 1.4.1904 geboren wurde. Seit 1907 lebten sie in der Hallerstraße, im Haus Nr. 8 in der 2. Etage – in der Nähe von Zerlines Eltern. Einige Jahre vor ihrem Einzug hatte eine Annonce im "Hamburger Fremdenblatt" genau diese "Etage" so beschrieben: "… vis a vis der Klosterallee … hochelegante 2. Et. …, enth. 4 große Gesellschaftszi., 4 Wohn-, resp. Schlafzi., sowie Bade-, Mädchen-, u. Anrichtezi., Garderobenzi., Speisek., Waschküche, Boden und Weinkeller". Von 1907 bis 1939 – solange am Bornplatz die Synagoge stand – war diese Etage der Familien- und Firmensitz der Oberschitzkys. Hier wuchsen ihre Kinder auf, hier war das Kontor der Firma. Von hier aus gingen Friederike, Paula und Herbert in die Schule. Welche Schule Friederike und Paula besuchten, wissen wir nicht. Herbert besuchte die Oberrealschule in Eimsbüttel, die während des Ersten Weltkriegs, als er dort zur Schule ging, im Heinrich Hertz Realgymnasium beim Schlump untergebracht war. Anschließend absolvierte er eine kaufmännische Lehre.

Seit 1903 war Louis Oberschitzky, dem Handelsregister zufolge, Inhaber und persönlich haftender Gesellschafter der – 1899 gegründeten – Firma Neu­mann & von Ancken. Er blieb es bis zu ihrer "Arisierung". Den Schwerpunkt seines Geschäfts bildete der Handel mit (schwarzen) Schutzanstrichen und anderen chemischen Bauschutzstoffen. Seit 1931 stellte die Firma diese zum Teil auch selbst her, in einer kleinen Fabrik am Schulterblatt 58. Eines der Produkte trug den Handelsnamen "Zerlanin", den nur leicht abgewandelten Namen seiner Frau Zerline. Ebenfalls im Jahre 1931 wurde die Firma in eine offene Handelsgesellschaft umgewandelt, Herbert Oberschitzky, Kaufmann wie sein Vater, trat im Alter von 27 Jahren als Gesellschafter in das Unternehmen ein. Trotz des Boykotts jüdischer Unternehmen nach der nationalsozialistischen Machtübernahme behauptete sich die Firma bis 1938, sie konnte in diesen Jahren sogar Umsatz und Gewinn steigern. Davon zeugen auch die Beiträge, die Louis Oberschitzky in dieser Zeit als Kultussteuer an die Jüdische Gemeinde in Hamburg entrichtete.

Am Schulterblatt in Altona, wo Louis und Zerline Oberschitzky anfangs gelebt hatten, gehörte ihnen seit 1909 ein Mietshaus, das Haus Nr. 104–108. Dieses wurde 1941 "arisiert" – und während eines Bombenangriffs total zerstört.

Erst das "Schicksalsjahr" 1938 vernichtete ihre wirtschaftliche Existenz. Da ihr Vermögen den Betrag von 5000 RM überstieg, mussten auch sie, nach der Verordnung des Reichswirtschaftsministeriums "über die Anmeldung des Vermögens von Juden" vom 26. April 1938, eine "Vermögenserklärung" über ihr gesamtes Grund-, Betriebs- und Kapitalvermögen, einschließlich aller persönlichen Wertgegenstände abgeben. Nach einer Anordnung Görings vom selben Tag wurde ihnen das Verfügungsrecht über ihr Vermögen entzogen. Durch eine "Sicherungsanordnung" der Devisenstelle beim Oberfinanzpräsidenten in Hamburg wurde ihr Vermögen auf einem "Sicherungskonto" gesperrt, wobei ihnen monatlich 600 RM zugestanden wurden. Jede über diese Summe hinausgehende Ausgabe musste beantragt und durch die zuständige Devisenstelle beim Oberfinanzpräsidenten in Hamburg genehmigt werden.

Die Firma Neumann & von Ancken wurde "arisiert", verkauft und liquidiert. "Verkaufen" durften sie allerdings nur das Inventar, die Rohstoffe und das Warenlager der Firma. Der Kaufvertrag "verpflichtete" sie aber zugleich, alle eingetragenen Schutzmarken, Rezepturen und genauen Herstellungsverfahren, auch die Kundenkartei – das eigentliche Kapital der Firma also – "unentgeltlich dem Käufer abzuliefern". Kaufverträge im Rahmen der "Arisierung" bedurften der Genehmigung durch den Hamburger Reichsstatthalter. Der genehmigte diesen Vertrag am 18. November 1938, wenige Tage nach der Pogromnacht, unter der Auflage, dass der ohnehin extrem niedrig veranschlagte Kaufpreis für die Firma noch einmal halbiert wurde. Der betrug letztlich 17.500 RM, für ein Unternehmen, das trotz des Boykotts jüdischer Unternehmen in den Jahren zuvor einen jährlichen(!) Gewinn von etwa 50.000 RM erzielt hatte. Allein die "Judenvermögensabgabe", die Louis und Herbert Oberschitzky nach der Pogromnacht zahlen mussten, betrug ein Mehrfaches dieses "Verkaufspreises".

"Abgewickelt" wurde diese "Arisierung" durch den Hamburger Wirtschaftsprüfer Dr. rer. pol. Friedrich P. Siegert. Wie dieser in einem Schreiben anmerkte, lag es "… nicht im Interesse des Reiches, … dass die Abwicklung durch einen Juden erfolgt". Siegert war Mitglied der Reichskammer der Wirtschaftstreuhänder, nicht aber, soweit bekannt, Mitglied der NSDAP.

Trotz des extrem niedrigen Kaufpreises scheiterte der Käufer, ein Kaufmann aus Blankenese, bei der Fortführung des Geschäfts. Der Verkauf der Bauchemikalien hatte in der Firma Neumann & von Ancken in den Händen von Reisenden gelegen, die – bis auf einen – Juden waren. Als auch sie im Zuge der "Arisierung" aus der Firma ausscheiden mussten, brach der Verkauf von Bauchemikalien nach kurzer Zeit zusammen.

Noch vor der Pogromnacht, im Oktober 1938, verließ als erste Paula, Louis und Zerline Oberschitzkys jüngere Tochter, Hamburg – beinahe noch "freiwillig". Mit ihrem Mann Hermann Martin Goldschmidt und ihrer am 23.12.1920 geborenen Tochter Ingeborg – dem einzigen Enkelkind von Louis und Zerline Oberschitzky – emigrierte sie in die USA. Die Emigration rettete ihr Leben, bewahrte sie aber nicht vor der wirtschaftlichen Ausplünderung durch den nationalsozialistischen Staat. Allein die "Reichsfluchtsteuer", die sie entrichten mussten, um Deutschland verlassen zu können, betrug 25 Prozent ihres Vermögens. Der "Abschlag" an die Deutsche Golddiskontbank (Dego), der beim (Zwangs-)Umtausch von Devisen fällig wurde, betrug zum Zeitpunkt ihrer Emigration 90 Prozent(!). Ihrem Mann entgingen bei ihrer Emigration ausstehende Provisionen in Höhe von 5000 RM. Die Einziehung dieser Außenstände und deren Transfer in die USA wurden verhindert. "Eingezogen" wurden sie 1941 doch noch – allerdings nicht, um sie in die USA zu transferieren, sondern um sie als "Judenvermögensabgabe" des "Emigranten" Goldschmidt zu konfiszieren. Diese perfide Zwangsabgabe, die Juden in Deutschland nach der Pogromnacht auferlegt wurde, hatte es zum Zeitpunkt ihrer Emigration noch nicht gegeben. Nach seiner Emigration und seiner darauf folgenden Ausbürgerung aus Deutschland wurde sie auch ihm noch abgepresst. Schließlich wurde auch ihr gesamtes, für den Transfer in die USA im Hamburger Hafen eingelagertes Umzugsgut – Möbel, Haushaltsgeräte, Bekleidung – zuerst festgehalten und dann, nach Ausbruch des Krieges, von der Gestapo beschlagnahmt und "zu Gunsten des Reiches" öffentlich versteigert.

Paula Goldschmidt, geb. Oberschitzky, heiratete in New York in zweiter Ehe Lutz Weisskopf.

Nur wenige Tage nach Paula verließ auch Friederike, Louis und Zerline Oberschitzkys älteste Tochter, Hamburg – anders als ihre Schwester allerdings nicht freiwillig. Zusammen mit ihrem Mann Jacob, genannt James Gärtner, wurde sie am 28. Oktober 1938 verhaftet und aus Hamburg, wie es hieß, "abgeschoben". Sie waren zwei der etwa 17.000 Juden vermeintlich "polnischer Herkunft" aus Deutschland – darunter etwa 1000 aus Hamburg – die am 28. und 29. Oktober 1938 verhaftet und an die polnischen Grenze transportiert wurden. Zwar gelang es ihnen, dem "Niemandsland" an der polnischen Grenze zuerst nach Warschau und von dort ins noch neutrale Holland zu entkommen, der nationalsozialistischen Verfolgung entgingen sie nicht. Am 23. März 1943 wurden Jacob und Friederike (Fryderyke) Gärtner in Amsterdam verhaftet und ins Internierungslager Westerbork eingeliefert. Am 30. März 1943 wurden sie von dort in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und ermordet. Zwei Stolpersteine vor dem Haus Nr. 62 in der Brahmsallee erinnern an sie.

Wenige Tage nach der "Abschiebung" ihrer Tochter erlebten Louis und Zerline Oberschitzky die Novemberpogrome in Hamburg. Möglich, dass sie die Zerstörung der Bornplatz-Synagoge nicht selbst sahen. Die Schändung und Demolierung der Synagoge "Vereinigte Alte und Neue Klaus" aber geschah direkt vor ihren Augen – vor den zum Garten gelegenen Fenstern ihrer Etage. Am Tag nach der Pogromnacht wurde Louis Oberschitzkys jüngster Bruder Rudolf verhaftet und ins Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt. Er kehrte erst am 14.Dezember 1938 nach Hamburg zurück, gezeichnet von den erlittenen Miss­handlungen und unter der Auflage, Deutschland zu verlassen. Er blieb nicht der einzige aus der Familie Oberschützky, der nach der Pogromnacht Hamburg verließ. Binnen weniger Monate vollzog sich der "Exodus" der Familie. Bis zur Pogromnacht lebten Louis‘ Geschwister alle in Hamburg, außer zwei bereits verstorbenen Brüdern. Und bis auf einen Neffen – Louis Behr –, der bereits 1934 in die USA emigrierte, lebten dort auch ihre sechzehn Söhne und Töchter mit ihren Familien fast alle. Nach der Pogromnacht flohen vier Geschwister von Louis Oberschitzky und acht seiner Neffen mit ihren Familien aus Hamburg. Alle emigrierten in die USA bzw. nach Südamerika. Von denen, die blieben, hat niemand den Holocaust überlebt.

Louis und Zerline Oberschitzky blieben. Zunächst mussten sie "nur", nach mehr als dreißig Jahren, ihre Etage in der Ostmarkstraße 8 – wie die Hallerstraße seit 1938 hieß – verlassen. Das am 30. April 1939 erlassene Reichsgesetz "über die Mietverhältnisse mit Juden" hob den Mieterschutz für Juden auf und bereitete die Konzentration der jüdischen Bevölkerung in "Judenhäusern" vor. Auch das Haus in der Haynstraße Nr. 7, in dem Louis und Zerline Oberschitzky mit ihrem nicht verheirateten Sohn Herbert in den nächsten etwa drei Jahren lebten, war eines der "Judenhäuser". 1939, während der Volkszählung, war auch ihre Tochter Friederike Gärtner vorübergehend dort gemeldet. Sie hatte ihre Flucht von Warschau nach Amsterdam mit ihrem Mann noch einmal in Hamburg unterbrochen. Wo James Gärtner sich zu dieser Zeit aufhielt, wissen wir nicht.

Als im Herbst 1941 die Hamburger "Volljuden" nach Lodz, Minsk und Riga deportiert wurden, blieben Louis und Zerline Oberschitzky – zunächst – verschont. Louis war zu diesem Zeitpunkt 73 und Zerline 69 Jahre alt – und Juden, die älter als 65 Jahre waren, sollten von der Deportation "zurückgestellt" werden. Sie mussten nach diesen Deportationen "nur" noch einmal "Wohnraum für Volksgenossen" frei machen. Am 1. April 1942 ordnete die Gestapo an, alle Juden in "Judenhäuser" umzusiedeln. Schon einige Tage davor, am 24. März 1942, forderte der Jüdische Religionsverband Hamburg e.V. per Aushang (Nr. 21) "… alle Juden (außer Misch-Ehen), die noch nicht in einem vom Jüdischen Religionsverband Hamburg e.V. bewirtschafteten Grundstück wohnen … (auf), sich umgehend im Büro des Jüdischen Religionsverbandes e.V., Beneckestr. 2, Zimmer 18 zu melden …" Louis, Zerline und Herbert Oberschitzky gehörten wohl zu denen, die, wie es hieß, bereits in ein vom Jüdischen Religionsverband bewirtschaftetes Grundstück – in eines der verbliebenen "Judenhäuser" – eingewiesen worden waren. Bereits am 25. März 1942 zogen sie ein letztes Mal in Hamburg um, in das zum "Judenhaus" umgewandelte "Louis-Levy-Stift" am Durchschnitt 1. Wenige Monate später erhielten Louis, Zerline und Herbert Oberschitzky hier den "Evakuierungsbefehl" nach Theresienstadt. Mit dessen Einrichtung als "Altersgetto" – so die NS-Propaganda – hatte die Deportation auch der über 65-jährigen Juden aus dem "Altreich" begonnen.

Louis und Zerline Oberschitzky emigrierten nicht, solange es für sie vielleicht möglich gewesen wäre. Ein Grund dafür war, so ist anzunehmen, die Krankheit ihres Sohnes Herbert. Er litt seit seiner Kindheit an einer chronischen Hautkrankheit. Eine frühe Behandlung mit Röntgenstrahlen hatte schwere Hautverbrennungen zur Folge gehabt. Die einzige Chance auf Heilung war, einer Diagnose aus dem Jahre 1937 zufolge, die operative Entfernung aller röntgengeschädigten Körperflächen. Eine solche Operation war in keinem der verbliebenen Jüdischen Krankenhäuser in Deutschland möglich. Obwohl im NS-Staat "… von keinem Juden ein irgendwie begründbarer Anspruch auf Aufnahme (in ein Krankenhaus) geltend gemacht werden …" konnte, wurde Herbert Oberschitzky mehrfach – in Utrecht und Wien, aber auch in Berlin und zuletzt im UKE in Hamburg – operiert und jeweils längere Zeit stationär behandelt. Alles Geld, das Herbert Oberschitzky nach der "Arisierung" der Firma geblieben war, war für Operationen und Krankenhausaufenthalte aufgebraucht – zumal sich Herberts Krankheitskosten zusätzlich dadurch erhöhten, dass er, als "… Nichtarier, gezwungen (war), in der Klinik ein Einzelzimmer zu bewohnen".

1941 wollte Louis Oberschitzky die Behandlungskosten für seinen Sohn übernehmen. In seinem Namen bat sein Vermögensverwalter Siegert den Oberfinanzpräsidenten mehrfach um die "Erteilung einer Einzelgenehmigung … von dem beschränkt verfügbaren Sicherungskonto Louis Israel Oberschitzky … zur Bestreitung von Krankenhaus- und Arztkosten" seines Sohnes. Die Antworten des OFP lauteten jedes Mal lapidar, "obigem Antrag vermag ich nicht zu entsprechen". Im letzten Antrag vom 10. Juli 1942 hieß es, "Herr Louis Israel Oberschitzky möchte seinem Sohn Herbert Israel Oberschitzky … einen Betrag von RM 10.000 zur Bezahlung der ihm durch seine Krankheit entstehenden Operations- und Krankenhauskosten schenken. Herr Herbert Israel Oberschitzky leidet an Strahlenkrebs. Durch Operationen ist ihm bisher bereits die Nase und die Unterlippe und ein Teil der Kinnpartie weggenommen worden. Es erweist sich jedoch als nötig, noch eine weitere große Operation vorzunehmen. … Er ist weitestgehend auf Hilfe … bzw. Krankenhausaufenthalt angewiesen". Nach nur fünf Tagen, am 15. Juli 1942, genehmigte der Oberfinanzpräsident "die schenkungsweise Übertragung … aus dem beschränkt verfügbaren Sicherungskonto des Louis Israel Oberschitzky bei der Dresdner Bank … auf das bei der gleichen Bank geführte beschränkt verfügbare Sicherungskonto seines Sohnes Herbert Israel Oberschitzky" – zur Honorierung seiner "arischen" Ärzte.

Der 15. Juli 1942, der Tag der Genehmigung, war der Tag der Deportation von Louis, Zerline und Herbert Oberschitzky von Hamburg nach Theresienstadt. Am Tag davor mussten sie sich mit ihrem Gepäck in der Volksschule Schanzenstraße, der Sammelstätte für diesen Transport, einfinden. Hier verbrachten sie ihre letzte Nacht in Hamburg. Von hier aus wurden sie auf offenem Lastwagen zum Hannoverschen Bahnhof transportiert, wo die Deutsche Reichsbahn den Zug für ihren Transport einsetzte. Sie gehörten zum ersten Transport nach Theresienstadt. Möglich, dass sie noch einmal hofften, mit ihrer "Wohnsitzverlagerung nach Theresienstadt" – so der NS-offizielle Terminus – der "Deportation in den gefürchteten Osten" entgangen zu sein. Diese Hoffnung stützte sich auf den "Heimeinkaufsvertrag" mit der "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland", den Louis Oberschitzky kurz vorher hatte abschließen müssen. Er versprach ihnen Unterkunft, Verpflegung und medizinische Betreuung auf Lebenszeit, als Gegenwert für ihr gesamtes zurückgelassenes Vermögen. Der Schock, den sie bei ihrer Ankunft in Theresienstadt erlebten, muss furchtbar gewesen sein, angesichts der totalen Überbelegung des Lagers, der fehlenden Verpflegung und der fehlenden medizinischen Versorgung.

Herbert Oberschitzky starb zwölf Tage nach ihrer Ankunft, am 27. Juli 1942. Für Louis und Zerline Oberschitzky war Theresienstadt ein Umweg in den Tod. Am 21. September 1942 wurden sie von dort nach Treblinka deportiert und ermordet.

Bereits am 27. August 1942 verfügte der Oberfinanzpräsident Hamburg, das Vermögen von Louis, Zerline und Herbert Oberschitzky "zu Gunsten des Reiches" einzuziehen. Auch diese letzte Ausplünderung geschah nach nationalsozialistischem "Recht und Gesetz". Die elfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 verfügte die Konfiszierung der Vermögen der deportierten wie der emigrierten Juden. Von dem Vermögen der Oberschitzkys wurden 5000 RM an die "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland", "w. Heimeinkaufsvertrag", der "Rest" an die Oberfinanzkasse Hamburg überwiesen. Laut Auskunft der Dresdner Bank vom 18. Juni 1957 waren dies etwa 80.000 RM. Ihre "bewegliche Habe" – Möbel und andere Wertgegenstände – wurden vom Hamburger Auktionator Schopmann "zugunsten des Deutschen Reiches" öffentlich versteigert. Die Einladung zu dieser Auktion ist verschollen, ebenso das Protokoll der Versteigerung. So wissen wir nicht, welche Möbelstücke und anderen Wertgegenstände bei dieser Auktion unter den Hammer kamen. Wir kennen auch nicht die Namen derer, die sie ersteigerten. Wir kennen nur den Erlös, der anschließend an die Oberfinanzdirektion Hamburg überwiesen wurde, es waren 9639,30 RM. Da Möbel aus "jüdischem Besitz" damals regelrecht verschleudert wurden, lässt der ungewöhnlich hohe Versteigerungserlös Rückschlüsse auf die Werte aus dem Besitz von Louis und Zerline Oberschitzky zu, die bei dieser Auktion "arisiert" wurden.

Da die Lebensgeschichten von Louis und Zerline Oberschitzky untrennbar verbunden sind mit denen ihrer Geschwister, sollen Kurzbiographien der Geschwister dieses Lebensbild ergänzen. Zunächst Louis Oberschitzkys Geschwister:
Rosa, die Älteste der acht Geschwister, am 4.3.1865 geboren, war mit dem "Reisenden" Julius Simon verheiratet. Beide lebten in Hamburg, wo ihre Kinder Alfred, Pauline und Walter geboren wurden. Julius Simon starb früh, im Jahr 1911. Nach seinem Tod wurde Rosa Simon, so steht es auf ihrer Kultussteuerkarte, "von ihren Brüdern und Kindern ernährt". Sie wohnte in der Rutschbahn 22, nur durch Gärten von der Wohnung ihres Bruders Louis getrennt, später in der Schlankreye 57, der Hartungstraße 1, zuletzt am Hegestieg 12 bei Möller. Alfred Simon, geb. am 19.12.1900, und Walter Simon, geb. am 16.9.1905, lebten in Hamburg und waren Kaufleute. Beide waren verheiratet, aber kinderlos. Beide emigrierten in die USA, Walter im Juli 1939, Alfred im Januar 1940. Rosa Simon konnte – als letzte der Familie – noch im Juni 1940 Deutschland verlassen und ihren Söhnen in die USA folgen.
Von Pauline Simon wissen wir wenig. Sie wurde am 16.12.1902 geboren und war Kontoristin, Ihre letzte Adresse, die wir kennen, war die ihrer Mutter in der Rutschbahn 22. Ihr Schicksal kennen wir nicht.
Abraham, gen. Adolf Oberschützky, geb. am 4.4.1867, beantragte 1916 – da lebte er bereits lange in Hamburg – seine "Aufnahme in den Hamburgischen Staatsverband". Zu seinem Aufnahmeantrag ist vermerkt, dass "der Antragssteller statt Abraham den deutschen Namen Adolf" führe. Mit seiner Frau Hedwig, geb. Jacobsohn, hatte er drei Kinder, Anni und Hans, die in Wilhelmshaven, und Käthe, die 1902 bereits in Hamburg geboren wurde. Der Jüdischen Gemeinde in Hamburg trat Adolf Oberschützky am 8. Januar 1904 bei. Neben seinem Bruder Willy war er bis 1917 Teilhaber der Firma W. Otto Franke. Anfangs wohnte er im selben Haus wie sein Bruder Willy in der Grindelallee 159, danach in der Bornstraße 8/1. Hedwig Oberschützky starb am 25. Oktober 1910 in Hamburg. Adolf Oberschützky heiratete in zweiter Ehe Rosa, geb. Wohl, geb. am 29.11.1879 in Wilhelmshaven. Sie wohnten zuletzt in der Isestraße 35. Adolf Oberschützky starb vermutlich im Jahr 1932.
Rosa Oberschützky wohnte nach seinem Tod in der Isestraße 53 bei Pein. Sie starb am 8.März 1940 in Hamburg.
Hans Oberschützky, geb. am 30.11.1899, lebte in Hamburg, war kaufmännischer Angestellter und nicht verheiratet. Im Januar 1939 emigrierte er in die USA.
Anni Oberschützky, geb. am 29.7.1898, heiratete Leonhard Frankenthal, geb. am 18.9.1900 in Hamburg. Mit ihm zog sie 1930 nach Berlin, wo sich das Ehepaar trennte. Leonhard Frankenthal hat – versteckt – in Berlin den Holocaust überlebt und gehörte nach dem Krieg der Berliner Jüdischen Gemeinde an. Anni heiratete ein zweites Mal. Als Anni Mayer lebte sie zuletzt in München. Am 11. August 1942 beging sie Suizid. Ihr Freitod bewahrte sie vor Deportation und Ermordung.
Käthe Oberschützky, geb. am 2.9.1902, heiratete 1933 den Schriftsetzer Hans Manfred Scheier, geb. am 21.11.1903 in Hamburg. Sie war die einzige in der Familie, die nicht mit einem Kaufmann verheiratet war. Ihre Tochter Ilma Hedwig wurde am 16.10.1934 in Hamburg geboren. Sie war das einzige Enkelkind von Adolf und Hedwig Oberschützky. Zuletzt wohnten sie in der Rothenbaumchaussee 83. Am 8. November 1941 wurden Käthe, Hans Manfred und ihre nur sieben Jahre alte Tochter Ilma Hedwig Scheier von Hamburg nach Minsk deportiert und ermordet. Drei Stolpersteine erinnern an sie vor dem Haus Nr. 83 in der Rothenbaumchaussee.
Willy, nach Louis der vierte in der Geschwisterfolge, wurde am 25.8.1871 geboren. Er heiratete 1903 in Fulda Ida Gottlieb, geb. am 5.5.1879 in Neustadt im Kreis Fulda. Ihr Sohn Helmut wurde am 20.2.1905 in Hamburg geboren. Sie wohnten in der Grindelallee 159/II, später im Durchschnitt 19, zuletzt in der Blücherstraße 6 bei Heilbrunn. Willy Oberschützky war neben seinem Bruder Adolf zuerst Teilhaber, seit 1917 Alleininhaber der Firma W. Otto Franke, einem Großhandel für orthopädische Artikel und Bauchemikalien. Im Handel mit Bauchemikalien war er Geschäftspartner seines Bruders Louis, bis zur "Arisierung" beider Firmen.
Helmut Oberschützky lebte in Hamburg und arbeitete für die Firma seines Vaters. Er war nicht verheiratet. Im Januar 1940 emigrierte er in die USA.
Willy Oberschützky starb am 9. Juli 1941 in Hamburg. Sein Tod bewahrte ihn vor Deportation und Ermordung.
Ida Oberschützky wurde am 6. Dezember 1941 von Hamburg nach Riga deportiert. Ihren Todestag kennen wir nicht. Ein Stolperstein vor dem Haus Durchschnitt 19 erinnert an sie.
Ida, das fünfte Kind von Salomon und Friederike Oberschützky, geb. am 29.8.1873, war verheiratet mit dem Kaufmann Bernhard Behr, geb. am 12.7.1871 in Osterholz-Scharmbek, der Schuhgeschäfte in mehreren deutschen Städten besaß. Ihre drei Söhne wurden in Schwerin geboren, Louis am 29.5.1896, Friedrich am 30.3.1898 und Alfred am 12.5.1902. Nach dem Ersten Weltkrieg zogen sie nach Hamburg. In die Jüdische Gemeinde in Hamburg wurde Bernhard Behr am 23. Januar 1920 aufgenommen. Sie wohnten beim Andreasbrunnen 9 und in der Haynstraße Nr. 11. Bernhard Behr gehörte ein Schuhgeschäft in der Kleinen Theaterstraße 7. Die Zentrale seines Unternehmens "Behr-Schuhe" befand sich im neu erbauten "Deutschlandhaus" am Gänsemarkt. Die Söhne, Kaufleute wie ihr Vater, übernahmen 1932 die Geschäftsführung des Unternehmens. Bereits 1933 zwang der nationalsozialistische Boykott jüdischer Geschäfte sie zur Aufgabe ihrer Firmenzentrale. Alle drei Söhne waren verheiratet, doch nur einer von ihnen, Friedrich, hatte mit seiner Frau Ilse eine Tochter, Lieselotte, geboren am 9.7.1924 in Hamburg. Sie war das einzige Enkelkind von Bernhard und Ida Behr. Louis Behr emigrierte bereits im Mai 1934 mit seiner Frau in die USA. Sein Bruder Friedrich folgte ihm mit seiner Familie im April 1939. Den genauen Zeitpunkt der Emigration von Alfred Behr kennen wir nicht. Ida und Bernhard Behr flohen im Dezember 1939 über Kopenhagen nach Oslo, von dort mit dem Dampfer "Gripsholm" nach New York.
Moritz Oberschützky, am 1.2.1876 als Sechster in der Geschwisterreihe geboren, war "Reisender". Er war verheiratet mit Else, geb. Simson, geb. am 13.12.1881 in Kiel, und lebte mit ihr in Schwerin, wo ihre Kinder Friederike (Frieda) und Erwin geboren wurden. Nach dem Ersten Weltkrieg zogen auch sie nach Hamburg. Der Jüdischen Gemeinde in Hamburg trat Moritz Oberschützky am 1. Juni 1919 bei. Sie wohnten in der Wrangelstraße 6, Schlankreye24 und Grindelberg 70/I.
Moritz Oberschützky starb am 12. September 1930 in Hamburg.
Else Oberschützky emigrierte am 26. Juli 1938 nach Stockholm.
Erwin Oberschützky, geb. am 8.6.1904, war Reisender wie sein Vater. 1935 "verzog (er) unbekannt" aus Hamburg. Er war bis zu diesem Zeitpunkt nicht verheiratet. Sein späteres Schicksal kennen wir nicht.
Friederike Oberschützky, geb. am 14.10.1902, heiratete 1926 Semmy Frankenthal, geb. am 11.5.1883 in Hamburg. Er hatte zwei Kinder aus erster Ehe, Edgar und Lolotta. Semmy und Friederike Frankenthal hatten keine gemeinsamen Kinder. Ohne Friederike zog Semmy Frankenthal 1939 nach Berlin und wurde von dort am 15. August 1942 nach Riga deportiert. Als sein Todestag wurde der 18. August 1942 angegeben.
Das Schicksal von Friederike Frankenthal, geb. Oberschützky, ist unbekannt.
Hermann Oberschützky wurde am 21.5.1878 als siebentes Kind von Salomon und Friederike Oberschützky geboren. Von 1904 bis 1911 war er Vertreter für die Firma seines Bruders Neumann & von Ancken. Im Ersten Weltkrieg war er Soldat im Eisenbahner-Regiment I in Berlin-Schöneberg. Mit seiner Frau Elfriede, geb. Rosenberg, geb. am 19.7.1883 in Dortmund, hatte er einen Sohn, Gerhard (Gerd) Adolf, der am 4.5.1921 in Hamburg zur Welt kam. Die Familie wohnte beim Andreasbrunnen 9/II und in der Isestraße 23. Hermann Oberschützky betrieb einen Großhandel für chemische Baustoffe. Auch er war Geschäftspartner seines Bruders Louis.
Hermann, Elfriede und Gerd Oberschützky emigrierten im Juli 1939 nach Uruguay.
Hermann Oberschützky starb am 17. Juni 1959 in Buenos Aires.
Rudolf Oberschützky, geb. am 30.5.1880, war der Jüngste der acht Geschwister. In erster Ehe war er verheiratet mit Friederike, verw. Behr. Sie hatte zwei Töchter aus ihrer ersten Ehe, Irene und Susanne, die beide in Dortmund geboren wurden. Friederike starb 1919. Rudolf Oberschützky heiratete in zweiter Ehe Betty, geb. Levy, geb. am 2.10.1889 in Köln. Zusammen hatten sie keine Kinder. Auch Rudolf Oberschützky war von 1914 bis 1918 Soldat. Nach dem Krieg zog er nach Hamburg. Ihm gehörte dort im Zentrum der Stadt das Geschäft "ERO-Schuhe". Nach der Pogromnacht wurde er verhaftet und ins KZ Sachsenhausen "überführt". Seine Häftlingsnummer war 010737. Am 14. Dezember 1938 kehrte er nach Hamburg zurück, "geschunden" und mit "geschorenen Haaren". Sein Bruder Hermann schenkte ihm das Geld für die Emigration. Er emigrierte mit seiner Familie über Frankreich in die USA. Da bei Ausbruch des Krieges ihre Einreisevisen für die USA noch nicht vorlagen, wurden sie in Frankreich bis Januar 1940 interniert.
Rudolf Oberschützky wurde 100 Jahre alt. Er starb 1980 in Los Angeles. Bis an sein Lebensende litt er an den Folgen der KZ-Haft. Nach dem Krieg stellte er einen Wiedergutmachungsantrag in Hamburg. Im Wiedergutmachungsverfahren wurde er vertreten durch Dr. Friedrich P. Siegert, Wirtschaftsprüfer in Hamburg – demselben, der 1938 die "Arisierung" seines Geschäfts, wie auch der Firma seines Bruders Louis "abgewickelt" hatte.

Ein Blick auf die Geschwister von Zerline Oberschitzky, geb. David, soll dieses Familienbild abschließen:
Moses, gen. Moritz David, ihr ältester Bruder, wurde am 15.10.1865 in Hagenburg bei Hannover geboren. Er war verheiratet mit Emilie, geb. Löffler, geb. am 6.7.1872. Mit ihr lebte er in Hamburg, wo am 5.5.1900 ihr Sohn Ernst geboren wurde. Moritz’ Schicksal und auch das seines Sohnes Ernst kennen wir nicht. Emilie David wohnte in der Kielortallee 15. Sie starb 1931.
Jettchen Alexander, geb. David, Zerlines jüngste Schwester, wurde am 18.4.1877 in Hamburg geboren. Verwitwet lebte sie zusammen mit ihrer Mutter am Grindelberg 76/1, bis zu deren Tod im Jahr 1933. Danach wohnte sie in der Isestraße 53/1 bei Pein, wo auch Rosa Oberschützky nach dem Tod ihres Mannes Adolf lebte. Jettchen starb am 31. Oktober 1936 in Hamburg.
Bernhard David, Zerlines Bruder, geb. am 29.7.1869 in Hannover, war verheiratet mit Elfriede, geb. Perutz, geb. am 25.1.1884 in Hamburg. Ihre zwei Söhne wurden in Hamburg geboren, Franz Werner am 4.6.1904 und Walter S. am 31.1.1908. Bernhard David war selbstständiger Kaufmann. Ihm gehörte die chemische Fabrik Gustav Schmidt & Co. in Eidelstedt. 1935 wurde sein Sohn Franz Werner David Teilhaber der Firma. Drei Jahre danach, im September 1938, wurde sie "arisiert". Walter David, der jüngere Sohn, betrieb am Neuen Steinweg 96, in dem Haus, das seit seinem Großvater Salomon David im Familienbesitz war, einen Handel mit technischen Geräten. Bernhard und Elfriede David wohnten in der Parkallee 13, im Jungfrauenthal 20, im Jahr 1939 vorübergehend in der Curschmannstraße 6 und danach wieder in der Parkallee, jetzt in Nr. 10. Ihr letzter Wohnort in Hamburg war ein Zimmer in der Heimhuderstraße 70/2, einem "Judenhaus".
Als "Glaubensloser" hatte Bernhard David 1929 seinen Austritt aus der Jüdischen Gemeinde erklärt, als "Jude" nach den Bestimmungen der "Nürnberger Gesetze" gehörte er der "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" seit 1939 zwangsweise an.
Franz Werner David emigrierte am 30. September 1938, noch vor der Pogromnacht, mit seiner Frau Luise, geb. Dreyfuss, und ihrem einjährigen Sohn Carl Wolfgang in die USA.
Walter David emigrierte nach der Pogromnacht, im April 1939, nach England.
Bernhard und Elfriede David starben im Juli 1942 in Hamburg, innerhalb weniger Tage. Bernhard David starb am 23. Juli 1942 im Israelitischen Krankenhaus in der Johnsallee 68, wo er seit März 1942 behandelt wurde. Er starb an einer Herzlähmung. In seiner Todesbescheinigung bestätigte der "zur ärztlichen Behandlung ausschließlich von Juden berechtigte" jüdische "Krankenbehandler" Dr. Klewansky, dass er "keine Spur einer widernatürlichen Veranlassung seines Todes gefunden" habe.
Wenige Tage vor seinem Tod, am 14. Juli 1942, unternahm Elfriede David in ihrem Zimmer in der Heimhuderstraße 70/2 einen Suizidversuch mit Schlaftabletten. "Besinnungslos", aber noch lebend – so der Polizeibericht – wurde sie ins Hafenkrankenhaus überführt. Ihr Zimmer wurde versiegelt, der Schlüssel beim Hauswart abgeliefert. Dass ihr Mann zu diesem Zeitpunkt im Israelitischen Krankenhaus noch lebte, verzeichnete der Polizeibericht nicht. Elfriede David starb in den Morgenstunden des 16. Juli 1942 im Hafenkrankenhaus. Der Krankenhausbericht verzeichnete als mutmaßliche Todesursache eine "Schlafmittelvergiftung" und als "Motiv des Selbstmords: Evakuierung".
Der Tag, an dem Elfriede David einen Suizidversuch unternahm, war der Tag, an dem Zerline, Louis und Herbert Oberschitzky ihren Weg in die Volksschule Schanzenstraße, die Sammelstätte für ihren Transport nach Theresienstadt, antreten mussten.
(Ein Stolperstein für Elfriede David ist bisher nicht verlegt. Er müsste vor dem Haus Parkallee10 verlegt werden.)

Stand: September 2016
© Jost v. Maydell

Quellen: 1; 2; 3; 4; 5; 6; 7; 8; 9; StaH, 213-13 (Staatsanwaltschaft) Z 20770; 214-1 (Gerichtsvollzieher) Sign. 546; 314-15 (Oberfinanzpräsident – Devisenstelle und Vermögensverwertungsstelle) Sign. R 1938/2891, R 1941/0039; 331-5 (Polizeibehörde – Unnatürliche Todesfälle) Sign. 1330/42; 332-5 (Standesämter); 332-7 (Aufnahme in den Hamburgischen Staatsverband) B III Nr. 114887; 332-8 (Meldewesen); 351-11 (Amt für Wiedergutmachung) Sign. 1586, 21227, 55695, 74221, 34100; 522-1 (Jüdische Gemeinden) 992.d (Steuerakten, Kultussteuer), 992l (Bekanntmachungen des jüdischen Religionsverbandes), 992o (Vermietung sog. Judenhäuser); Bajohr, "Arisierung", S. 153; Brockhaus – Die Enzyklopädie, Leipzig – Mannheim, 1996; Das jüdische Hamburg, hrsg. vom Institut für die Geschichte der deutschen Juden, S. 25; Enzyklopädie des Holocaust, Band III, hrsg. von Jäckel u.a.; Erinnerung eröffnet Zukunft. Der Burgdorfer Gedenkfries im Ratssaal des Schlosses, hrsg. von der Stadt Burgdorf und dem Arbeitskreis Gedenkweg 9. November; Hamburger Adressbücher, versch. Jahrgänge; Lexikon der jüdischen Gemeinden, Bd. 1 u. 2, hrsg. Alicke; Meyer (Hrsg.), Verfolgung; Morisse, Lenhartzstraße 3, in Koser/Brunotte, Stolpersteine in Hamburg-Eppendorf; Verfolgung, Vertreibung, Vernichtung, S. 206; Vieth, Hier lebten sie, S.125; von Villiez, Mit aller Macht; Wegweiser, Mosel (Bearb.), Heft 2, S. 104, Heft 3, S. 178; Auskünfte von Rudolf Bembenneck, Burgdorf vom 29.12.2012; Bernd Kasten, Stadtarchiv Schwerin vom 22.4.2013; Monika Liebscher, Archiv der "Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten/Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen" vom 18.10.2012; Carmen Lorenz c.lorenz@bundesarchiv.de vom 31.10.2012; Norbert Jung, Landeshauptstadt Hannover, Amt für Einwohnermeldeangelegenheiten/Archiv vom 6.1.2014; Jose Martin@kampvesterbork.nl vom 3.9.2012; Dr. Diana Schulle vom 20.1.2013 und 15.3.2013; Dr. Rebecca Schwoch, UKE, Institut für Geschichte und Ethik der Medizin vom 3.4.2012; Himali Siering, Stadtarchiv Hannover vom 6.1.2014; Nicolai M. Zimmermann, Bundesarchiv vom 22.4.2013.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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