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Bereits verlegte Stolpersteine



Flora Halberstadt * 1860

Großneumarkt 38 (vorm. Schlachterstraße) (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
FLORA HALBERSTADT
JG. 1860
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 1.12.1942

Weitere Stolpersteine in Großneumarkt 38 (vorm. Schlachterstraße):
Hanna Aghitstein, Julie Baruch, Ludwig Louis Baruch, Julius Blogg, Rebecca Blogg, Kurt Cossmann, Mathilde Cossmann, Frieda Dannenberg, Alice Graff, Leopold Graff, Elsa Hamburger, Herbert Hamburger, Louis Hecker, Max Hecker, Marianne Minna Hecker, Lea Heymann, Alfred Heymann, Wilma Heymann, Paul Heymann, Jettchen Kahn, Adolf Kahn, Curt Koppel, Johanna Koppel, Hannchen Liepmann, Henriette Liepmann, Bernhard Liepmann, Johanna Löwe, Martin Moses, Beate Ruben, Flora Samuel, Karl Schack, Minna Schack, Werner Sochaczewski, Margot Sochazewski, verh. Darvill, Sophie Vogel, Sara Vogel

Flora Halberstadt, geb. am 15.4.1860 in Hamburg, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, dort gestorben am 1.12.1942

Großneumarkt 38 (Schlachterstraße 46/47)

Flora Halberstadt wurde am 15. April 1860 in der Peterstraße geboren und wuchs dort auf. Ihr Vater Joachim Abraham nannte sich Halberstadt, obwohl der ursprüngliche Familienname Joachim war. Die Großeltern väterlicherseits, Abraham und Gütel Joachim, geb. Goldschmidt, hatten am Neuen Steinweg Hof 78 gewohnt, wo sie einen Glashandel betrieben. Auch Floras Eltern waren Händler gewesen. Ihre Mutter Henriette, geb. Hertz, brachte am 19. März 1862 noch einen Sohn zur Welt, der den Namen Joseph Joachim erhielt.

Joseph Joachim Halberstadt wurde Kaufmann. In der Kaiser-Wilhelm-Straße 116 eröffnete er eine Uhren- und Goldwaren Großhandlung und heiratete am 15. Oktober 1896 die Lehrerin Martha Elias (geb. 21.10.1859 in Altona).

Im Gegensatz zu ihrem Bruder blieb Tochter Flora im Haushalt ihrer Eltern. In dem Jahr, in dem ihr Bruder heiratete, bekam sie im Alter von 36 Jahren am 6. Mai 1896, einen Sohn, den sie Henry nannte und in Pflege gab. Der kleine Henry verstarb mit sechs Monaten am 19. November in der Wohnung seiner Pflegemutter Ernestine Gumprecht in der Süderstraße 29 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof Langenfelde beerdigt. Drei Jahre später, am 11. Januar 1899, kam ein weiteres Kind, Tochter Alice Bertha zur Welt. Alice wuchs bei ihrer Mutter Flora und ihrer Großmutter Henriette in der Peterstraße 61 auf. Ihren Großvater Joachim lernte sie nicht mehr kennen, er war am 19. April 1895 gestorben. Henriette Halberstadt starb am 5. August 1915.

Flora arbeitete als Näherin, während des Ersten Weltkrieges auch als Fabrikarbeiterin. Im März 1919 gab sie die Wohnung in der Peterstraße auf und zog mit ihrer Tochter in das jüdische Lazarus-Gumpel-Stift, Schlachterstraße 46/47, Haus 5. Im Juni desselben Jahres verlor sie ihre Arbeit in der Südfrüchte Großhandlung von H. Möller in der Neuen ABC-Straße 12 wegen mangelnder Auftragslage. Da sie bereits lungenkrank war, konnte sie eine zeitweilige Beschäftigung in einer Steppdeckenfabrik nicht fortsetzen und musste Fürsorgeleistungen in Anspruch nehmen. Ende 1922 arbeitete sie als Mattenflechterin in den "Hamburger Werkstätten für Erwerbsbeschränkte", einer Einrichtung, die zwei Jahre zuvor vom Senat der Hansestadt zur Arbeitsplatzbeschaffung u.a. für Kriegsversehrte gegründet worden war. Ab 1926 erhielt Flora Halberstadt eine Invalidenrente von 20,72 Reichsmark im Monat. Am 11. Dezember 1926 heiratete ihre Tochter Alice den Schlosser Ewald Julius Hübenthal (geb. 31.12.1883 in Springe) und gründete eine eigene Familie.

1934 zog Flora Halberstadt innerhalb des Lazarus-Gumpel-Stifts um, wahrscheinlich in eine kleinere Wohnung. Zuletzt musste sie sich mit Hanna Aghitstein (s. dort) die Wohnung Nr. 14 im Haus 3 teilen. Durch das "Gesetz über die Mietverhältnisse mit Juden" vom 30. April 1939 war der Wohnraum für die jüdische Bevölkerung weitgehend eingeschränkt worden. Das Lazarus-Gumpel-Stift, eines von insgesamt 15 Wohnstiften, wurde später zur Deportationsvorbereitung von den NS-Machthabern zum "Judenhaus" erklärt und musste immer mehr Menschen aufnehmen.

Gemeinsam mit ihrer Mitbewohnerin erhielt Flora Halberstadt ihren Deportationsbefehl für den 19. Juni 1942 nach Theresienstadt. Der noch verbliebene Hausstand wurde von der Gestapo beschlagnahmt und nach ihrer Deportation öffentlich versteigert. Laut der Todesfallanzeige des Gettos Theresienstadt starb Flora Halberstadt am 1. Dezember 1942 an einer Herzschwäche.

Ihre Tochter Alice Hübenthal, ebenfalls Mutter einer Tochter, war durch ihre "privilegierte Mischehe" geschützt. Während der schweren Luftangriffe auf Hamburg wurde sie zweimal ausgebombt, flüchtete nach Bayreuth und kehrte erst im Juli 1946 nach Hamburg zurück.

Floras Bruder, Joseph Halberstadt, hatte seine Schwester finanziell unterstützt, bis er infolge eigener Verfolgung dazu nicht mehr in der Lage war. Am 15. Juli 1942 wurde das Ehepaar Halberstadt aus dem "Judenhaus" in der Bundesstraße 43 nach Theresienstadt deportiert. Beide starben noch im selben Jahr, Joseph am 30. September 1942, seine Frau Martha am 10. Oktober 1942. Für sie wurden Stolpersteine in der Löwenstraße 52 verlegt (s. Stolpersteine in Hamburg-Eppendorf).


Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 3; 4; StaH 351-11 AfW 21900 (Hübenthal, Alice); StaH 351-11 AfW 6969 (Hübenthal, Ewald); StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1238 (Halberstadt, Flora); StaH 314-15 OFP, R 1940/11; StaH StaH 332-5 Standesämter 378 u 840/1895; StaH 332-5 Standesämter 5937 u 974/1896; StaH 332-5 Standesämter 404 u 906/1896; 332-5 Standesämter 2402 u 1691/1896; StaH 332-5 Standesämter 13169 u 171/1899; StaH 332-5 Standesämter 6650 u 712/1926; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 4; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 5; Hamburger Börsenfirmen, 1923, S. 382.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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