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Bereits verlegte Stolpersteine



Elsa Hüttmann, 1936
Elsa Hüttmann, 1936
© Archiv Evangelische Stiftung Alsterdorf

Elsa Hüttmann * 1897

Enckeplatz 4 (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
ELSA HÜTTMANN
JG. 1897
EINGEWIESEN 1943
’HEILANSTALT’
STEINHOF / WIEN
ERMORDET 5.1.1944

Weitere Stolpersteine in Enckeplatz 4:
Selma Bleiweiss, Semmy Selig Bleiweiss, Käthe Bleiweiss, Uri Bleiweiss, Rudolf Bleiweiss

Elsa Frieda Johanna Hüttmann, geb. am 2.2.1897 in Hamburg, eingewiesen am 29.7.1934 in die damaligen Alsterdorfer Anstalten, verlegt am 16.8.1943 in die Wagner-von-Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien, gestorben am 5.1.1944

Enckeplatz 4

Elsa Hüttmann durchlebte eine scheinbar ganz "normale" Kindheit und Jugend. Sie wuchs mit ihrem älteren Bruder Franz Ernst Johannes auf, der am 28. November 1892 zur Welt gekommen war. Die Familie lebte in der Marcusstraße (heute Markusstraße), die allerdings zum Zeitpunkt ihrer Geburt noch Marktstraße hieß (die Umbenennung erfolgte drei Jahre später).

Ihre Eltern, Franz Heinrich Friedrich Hüttmann (geb. 16.3.1863, gest. 6.12.1944) und Albertine Auguste, geb. Meyer (geb. 20.5.1872, gest. 9.2.1939), hatten am 5. Mai 1892 in Hamburg geheiratet. Der Vater war Schuhmacher, betätigte sich aber seit 1889 als Kaufmann mit einem Geschäft für Leder- und Schuhmacher-Bedarfsartikel. 1907/1908 zog Familie Hüttmann von der Marcusstraße 30 fünf Häuser weiter in die Marcusstraße 42.

Elsa Hüttmann besuchte mit gutem Erfolg die Höhere Mädchenschule St.-Anschar bis zur Oberklasse und wurde Ostern 1911 konfirmiert. Nach ihrer Schulzeit arbeitete sie im Kontor und Geschäft ihres Vaters, dann in einem Haushalt und seit 1916 in einem "fremden Kontor". In ihrer Freizeit spielte sie Klavier.

Im Herbst 1919 wurde sie "auffällig". Sie kam für einige Monate zur Erholung nach Schwarzenbeck und dann für acht Wochen in ein Sanatorium. In der Zwischenzeit hatten ihre Eltern die private Wohnung an den Enckeplatz 4 verlegt.

Am 1. März 1922 wurde Elsa Hüttmann mit der Diagnose "Dementia praecox" (eine veraltete Bezeichnung für Psychosen der Schizophrenie) in die Staatskrankenanstalt Friedrichsberg in Hamburg-Eilbek eingewiesen. Weitere vorübergehende Unterbringungen in Friedrichsberg folgten. Elsa Hüttmann wurde dort als sehr eigenwillig beschrieben. Ihre Stimmung habe zwischen abweisendem und zugänglichem Verhalten geschwankt. Sie sei sehr unruhig. Werde sie zurechtgewiesen, könne sie äußerst rabiat werden, auch ihrer Mutter gegenüber.

Albertine und Franz Hüttmann sahen keinen anderen Ausweg, als ihre Tochter am 29. Juli 1934 in die damaligen Alsterdorfer Anstalten einzuweisen (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf). Der überweisende Arzt beschrieb sie als seit zehn Jahren an "Paranoia" leidend und befürwortete ihre dauerhafte Anstaltsversorgung mit Rücksicht auf die schwere Belastung der Eltern. Besonders wies er auf die Schonungsbedürftigkeit der Mutter hin. Das Ehepaar Hüttmann, zu diesem Zeitpunkt 62 und 71 Jahre alt, zog bald nach der Einweisung ihrer Tochter in eine kleinere Wohnung in die Burgstraße 10 nach Bahrenfeld.

Elsa Hüttmann wurde zu Beginn ihres Aufenthaltes in "Alsterdorf" zunächst noch als selbstständig beschrieben und mit leichter Hand- und Hausarbeit beschäftig. Über ihre Fähigkeiten wurde geurteilt: "kann aber sonst fast nichts". Auch aus späteren Akteneinträgen sprach wenig Verständnis für ihre Erkrankung, wenn es dort hieß: "Bei allen Verrichtungen, die sie macht, nimmt sie 5- bis 6-mal einen Anlauf. Sie kann keinen Schuh anziehen, ohne nicht 6-mal herein und herauszugehen. Ebenso macht sie es mit einer Tasse oder einem Löffel, wenn sie sie zum Munde führen will."

Im April 1940 wurde Elsa als "vollkommener Pflegling" bezeichnet, "sitzt den ganzen Tag stur auf dem Stuhl. Verweigert oft das Mittagessen."

Mit der vorgeschobenen Begründung, der Anstaltsbetrieb könne nach den schweren Luftangriffen auf Hamburg nicht mehr aufrechterhalten werden, wurde Elsa Hüttmann am 16. August 1943 "ausgewählt" und kam mit weiteren 227 Frauen und Mädchen in die Wagner-von-Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien.

Schon bei ihrer Aufnahme in Wien, bereits an einem Darmkatarrh erkrankt, wog sie nur noch 37 Kilo und galt als "sehr schwach". Drei Monate später, im November, wurde sie in die dortige Pflegeabteilung verlegt: "Im Wachsaal, liegt unter der Decke, spricht nicht, ist desorientiert. Muss gepflegt werden." Kurz vor ihrem Tod wurde notiert: "Verfällt, nimmt keine Nahrung zu sich. Schwach."

Elsa Hüttmann hatte ihrer gezielten pflegerischen Vernachlässigungen nichts mehr entgegenzusetzen. Fünf Monate nach ihrer Verlegung am 5. Januar 1944 starb sie in Wien. Ihrer Familie wurde mitgeteilt, eine Herzschwäche nach einem schweren Darmkatarrh habe zu einem "natürlichen Tod" geführt.


Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: StaH 332-5 Standesämter 2428 u 517/1897; StaH 332-5 Standesämter 6278 u 3933/1892; StaH 332-5 Standesämter 4158 u 5/1944; UKE/IGEM, Patientenakte Elsa Hüttemann der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg Akten-Nr. 49353; Archiv Evangelische Stiftung Alsterdorf, Patientenakten der Alsterdorfer Anstalten, V 195 Elsa Hüttmann; Wunder: Exodus, S. 213.

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