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Bert(h)a Seligmann (geborene Ambrunn) * 1890

Dillstraße 21 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
BERTA SELIGMANN
GEB. AMBRUNN
JG. 1890
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
1943 AUSCHWITZ
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Dillstraße 21:
Bertha Berges, Charlotte Berges, Marianna Berges, Emma Blitz, Herbert Cohen, Abraham Freimann, Karl Gänser, Julius Gottschalk, Minna Gottschalk, Hermann Samuel Gottschalk, Ernst August Gottschalk, Karola Gottschalk, Erwin Levinson, Flora Levinson, Hugo Levinson

Bertha Seligmann, geb. Ambrunn, geb. am 12.7.1890 in München, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, von dort aus am 20.1.1943 nach Auschwitz Birkenau deportiert, ermordet

Dillstrasse 21

Bertha Ambrunn wurde am 12. Juli 1890 als drittes Kind des jüdischen Ehepaares Mayer und Jettchen Ambrunn in München geboren. Ihr Vater war von Beruf Kaufmann und ihre Mutter, eine geborene Adler, war Inhaberin der Firma Sally Adler & Co., einer Pack- und Makulaturpapierhand-lung in der Pestalozzistraße 38.

Bertha wuchs in gutbürgerlicher Umgebung zusammen mit drei Brüdern auf: Joseph (geb. 14.10.1882), Leopold (geb. 23.06.1889) und dem jüngeren Nathan Nikolaus (geb. 18.12.1894). Nathan verstarb bereits 1929. Über die Kindheit und Jugendzeit der Geschwister ist uns nichts bekannt.

Am 23. April 1914 heiratete Bertha den Hamburger Kaufmann Ivan (Iwan) Isaak Seligmann in München. Nach der Heirat ließ sich das Paar in Hamburg nieder und bezog in der Dillstrasse 21 im II. Obergeschoss eine 5-Zimmer-Wohnung.

Ivan Isaak Seligmann wurde am 5. Oktober 1875 in Segeberg geboren und siedelte bereits als Junge mit seiner Familie nach Hamburg über, wo sein Vater Abraham ein Textil-Detailgeschäft führte. Seit 1902 arbeitete Ivan als selbständiger Kaufmann sowie als "Agent" (Vertreter) für den Bereich Hamburg und führte ein Büro in der Admiralitätsstraße 26. Später übernahm er zusammen mit seinem Bruder Gustav Seligmann (geb. 2.5.1874) das Geschäft seines Vaters und führte dies vor und während des Ersten Weltkrieges recht erfolgreich. Bertha lebte somit als Hausfrau in komfortablen Verhältnissen. In den folgenden Jahren bekam das Paar drei Kinder: den erstgeborenen Arnold (geb. 19.3.1915) und die Töchter Blanka (geb. 12.9.1919) und Margot (geb. 6.1.1923).

Arnold besuchte die Talmud Tora Schule und ging im Anschluss für ein Volontariat beim Jüdischen Bund nach Berlin. Seine Schwestern besuchten die jüdische Mädchenschule in der Carolinenstraße. Nach Abschluss derselben begann Blanka eine Ausbildung zur Gärtnerin und zog dafür nach Blankenese, wo sie diese auf dem Anwesen der Warburgs absolvieren konnte. Tochter Margot entschied sich für den Bereich Hauswirtschaft und besuchte als Vorbereitung für ein Jahr (1937/38) die Jüdische Haushaltsschule in der Heimhuderstraße 70. Anschließend ging sie "in Stellung" (d.h. arbeitete als Hausangestellte) bei der Familie Heckscher, bis diese im Januar 1939 Deutschland verließ.

Im Laufe der 1920iger-Jahre hatte die schlechte gesamtwirtschaftliche Lage auch vor dem Geschäft der Brüder Seligmann nicht halt gemacht. Spätestens seit 1926 war der Ertrag für die Versorgung zweier Familien nicht mehr ausreichend. Eine Zeit lang erhielt das Geschäft eine Unterstützung von der Mittelstandhilfe der Deutsch-Israelitischen Gemeinde und auch Familienmitglieder wie der Schwiegervater von Gustav investierten.

Ende 1929 teilte Frau Pels – ihre Fürsorgerin (damals: Pflegerin) von der Gemeinde – den Brüdern mit, dass die Gemeinde die Zahlung nicht mehr weiter gewähren könnte. Damit war Ivan gezwungen, um Unterstützung bei der staatlichen Fürsorge nachzusuchen. Berthas Nerven setzte die gesamte Situation so zu, dass Frau Pels es für notwendig erachtete, dass Bertha, trotz der angespannten finanziellen Situation, weiter ein Dienstmädchen für RM 30 per Monat beschäftigte, die ihr bei der Wäsche und im Haushalt zur Hand ging. Das Fürsorgeamt sah das anders und das Mädchen musste entlassen werden. Damit erhielt die Familie Seligmann eine Unterstützungszahlung, welche aber wohl nicht ausreichend war. Dies legt eine in der Fürsorgeakte hinterlegte Klage gegen Ivan Isaak Seligmann wegen Mietschulden nahe.

Im Jahr 1933 orientierte sich Ivan beruflich um und startete einen Obsthandel, den er von der Eta-genwohnung aus betrieb. Die zunehmenden Repressionen gegen die jüdische Bevölkerung wirkten sich jedoch auch auf sein Geschäft aus – im November 1938 nahm ihm die Gestapo (so notiert in der Fürsorgeakte) seinen Ausweis für den Einkauf ab und verbot die Fortsetzung des Geschäftes. Wieder war die Familie auf die Fürsorge angewiesen.

Im Laufe der Zeit hatte sich Bertha Seligmanns Gesundheitszustand verschlechtert. Im Mai 1936 wurde sie mit der Diagnose "organische Hirnkrankheit" das erste Mal in das Deutsch-Israelitische Krankenhaus eingewiesen, zwei Jahre später (21.1.–3.3.1938) ein zweites Mal. Sie litt unter Schwindelanfällen, Gleichgewichtsstörungen und hatte einen unsicheren Gang. Die Ärzte vermuteten zunächst einen Gehirntumor, dann Multiple Sklerose. Eine weitere Anamnese ist nicht bekannt.

Die Kinder von Bertha und Ivan Seligmann fassten nacheinander den Entschluss, Deutschland Richtung Palästina zu verlassen. Arnold ging, wie es scheint, als erster nach Palästina. Blankas Kultussteuerkarte der Jüdischen Gemeinde nennt den 13. September 1940 als Termin für ihre Ausreise nach Palästina. Margot verließ Deutschland im Februar 1939 mit einem Jugendtransport. Die Reise ging mit der Bahn von Hamburg nach Triest und mit dem Schiff von Triest nach Haifa. Dort kam sie am 27. Februar 1939 an.

1940 meldete Ivan Seligmann ein neues Gewerbe an – die Zimmervermietung an jüdische Dauermieter. Dies betrieb er bis zum erzwungenen Umzug in ein sogenanntes Judenhaus in der Dillstraße 15 am 18. März 1942. Bereits seit September 1941 mussten Bertha und Ivan Seligmann den gelben "Judenstern" auf ihrer Kleidung tragen.

Wahrscheinlich ging es Ivan Seligmann zum Zeitpunkt des Umzugs gesundheitlich schon schlecht. Am 4. Juli 1942 verstarb er im Israelitischen Krankenhaus in der Johnsallee 68 an einem Lungen-Tumor.

Bertha Seligmann blieb nicht viel Zeit für ihre Trauer. Am 15. Juli 1942 wurde sie mit dem Transport VI/1 von Hamburg aus in das Getto Theresienstadt deportiert und von dort am 29. Januar 1943 mit dem Transport Ct, Zug Da 107 nach Auschwitz Birkenau, wo sie ermordet wurde. Ein direkter Todesnachweis liegt weder für sie noch für andere vor, aber der Transport Ct galt als Todestransport. Nach dem Krieg wurde als Todesdatum der 8. Mai 1945 festgelegt.

Und die Familienmitglieder?
Die Kinder von Bertha und Ivan Isaak Seligmann überlebten: Mirjam (Margot) Porath und Blanka Friedmann blieben in Israel, sie lebten in der Nähe von Tel Aviv. Arnold war nach Essex, England weitergezogen.
Bertha Seligmanns Bruder Leopold arbeitete bis zu seinem Berufsverbot 1938 als Anwalt. Er wurde 1942 nach Piaski deportiert und ermordet.
Joseph emigrierte 1933 nach Lyon, danach verliert sich seine Spur.
Ihre Mutter Jettchen verstarb am 15. November 1938, der Vater am 27. Februar 1942. Beide sind auf dem Neuen Israelitischen Friedhof in München begraben.
Berthas Schwager Gustav Seligmann (geb. 2.5.1874), ihre Schwägerin Debora, geb. Katzenstein (geb. 19.7.1886) sowie deren Tochter Margarethe (geb. 8.4.1920) wurden vier Tage nach Bertha am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert. Gustav verstarb dort am 23. Januar 1943, Debora und Margarethe wurden am 12. Oktober 1944 weiter nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Ihr Sohn Alfred (geb. 29.9.1913) wurde von Bremen aus am 18. November 1941 in das Getto von Minsk deportiert und dort am 28. Juli 1942 ermordet.


Stand: Juli 2019
© Sylvia Möller

Quellen: 1; 7; StAHH 351-14 Arbeits-und Sozialfürsorge 1797; StAHH 351-11 Amt für Wiedergutmachung 12469; StAHH 351-11 Amt für Wiedergutmachung 45706; StAHH 332-3 Standesämter – Totenschein Nr. 314 vom 6. Juli 1942; Deportationsliste von Hamburg nach Theresienstadt am 15.7.1942, www.statistik-des-holocaust.de/VI/1-50.jpg (letzter Aufruf: 23.9.2018); http://www.muenchen.de/rathaus/gedenkbuch/gedenkbuch.html (letzter
Aufruf: 30.9.2018). Biographische Gedenkbuch der Münchner Juden 1933–1945; http://www.statistik-des-holocaust.de/OT411118-6-1.jpg (letzter Aufruf: 24.1.2019).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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