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Bereits verlegte Stolpersteine



Anna Eva Sussmann, 1906
© Staatsarchiv Hamburg

Anna Eva Sussmann (geborene Bernheim) * 1863

Lenhartzstraße 10 (Hamburg-Nord, Eppendorf)


HIER WOHNTE
ANNA EVA SUSSMANN
GEB. BERNHEIM
JG. 1863
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
2.4.1942

Weitere Stolpersteine in Lenhartzstraße 10:
Franz Martin Sussmann

Anna Eva Sussmann (-Ludwig), geb. Bernheim, geb. 17.10.1863 in Braunschweig, gestorben durch Suizid am 2.4.1942 in Hamburg

Lenhartzstraße 10

Anna Sussmann stammte aus Braunschweig. Ihre Eltern, der Kaufmann Luis Bernheim und seine Ehefrau Mary, geb. Ascher, hatten ihr eine sehr gute, breitgefächerte Bildung zukommen lassen. Im Alter von 21 Jahren wurde sie mit dem Hamburger Versicherungsmakler Siegfried Sussmann vermählt, dessen Vater Joseph (1807 Altona–1880 Hamburg) ebenfalls eine geborene Bernheim (Sophie, 1824 Salzgitter–1897 Hamburg) geheiratet hatte. Am 15. Januar 1886 wurde ihre Tochter Paula, am 30. Dezember 1887 ihr Sohn John geboren.

Neben der Erziehung ihrer Kinder widmete sich Anna Sussmann ihren literarischen Neigungen. Sie schrieb – unter dem Namen Anna Sussmann-Ludwig sowie den Pseudonymen Paul Ludwig und Luis Eva – Beiträge für das Feuilleton größerer Zeitungen, insbesondere über Bildende Kunst und Literatur, und war als Übersetzerin von Novellen und Romanen aus dem Englischen, Französischen, Italienischen und Spanischen tätig.

Sie unternahm – meist mit ihrer Tochter Paula – zahlreiche Reisen nach Italien, Norwegen, Schottland und Island sowie in sämtliche nordeuropäische Hauptstädte und gab ihre Eindrücke in Reisebriefen und -beschreibungen wieder. Am 1. Oktober 1899 übernahm sie die Redaktion der "Illustrirte Villen-Zeitung (Hamburger Chronik.)", einer Zeitschrift, die sich mit Fotos von Villen, Beiträgen zur Villen- und Landschaftsarchitektur, Fortsetzungsromanen und Menüvorschlägen an die Villenbesitzer Hamburgs und seiner Umgebung wandte. Unter ihrer einjährigen Leitung öffnete sich die Zeitung, die seit April 1890 "Illustrirte Hamburger Chronik (Villen-Zeitung)" hieß, für gesellschaftspolitische Themen und Meldungen. Schon in der ersten von ihr verantworteten Ausgabe erschien ein Beitrag "Zur Frauenbewegung", den sie vermutlich selbst verfasst hatte. Denn sie war eine enge Mitarbeiterin von Julie Eichholz (1852–1918), die als Vorsitzende der Hamburger Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (1900– 1904) und des Verbandes Norddeutscher Frauenvereine (1902–1912) zu den führenden Persönlichkeiten der bürgerlichen Hamburger Frauenbewegung gehörte.

In den von Julie Eich­holz gegründeten Abteilungen bzw. Vereinen für "Rechtsschutz" und "Stellenvermittlung" (von weiblichem Hauspersonal) hatte Anna Sussmann maßgebliche Funktionen inne. An der "Hamburger Frauen-Zeitung", die seit 1909 als Organ des aus der "Stellenvermittlung" hervorgegangenen "Hamburger Hausfrauen-Verein" erschien, wirkte sie redaktionell und durch eigene Beiträge mit.

Anna und Siegfried Sussmanns Sohn John, der wie sein Vater Kaufmann geworden war, fiel im Alter von 27 Jahren am 23. März 1915 im Ersten Weltkrieg. Ihre Tochter Paula hatte 1906 die Zugangsberechtigung zur Universität aufgrund von speziell für Mädchen eingerichteten Realgymnasialkursen erworben und anschließend Medizin in Heidelberg, München und Berlin studiert. Nach der Promotion im September 1911 an der Universität Heidelberg erhielt sie am 10. Juni 1912 ihre Approbation. Im August 1912 heiratete sie den Arzt Fritz Tobias, mit dem sie eine Arztpraxis im Weserbergland aufbaute.

Im April 1915 zog das Ehepaar Sussmann in den I. Stock des Hauses Lenhartzstraße 10. Nach dem Tod von Siegfried Sussmann am 16. Mai 1916 wechselte Anna Sussmann in eine kleinere Wohnung im IV. Stock desselben Hauses. Nachdem ihr Wertpapiervermögen, von dessen Erträgen sie lebte, durch die Judenvermögensabgabe erheblich gemindert war, wohnte sie seit 1939 in rascher Folge in mehreren Wohnungen und Pensionen zur Untermiete, zuletzt (seit dem 6. März 1940) in der Haynstraße 10 bei Martha Derenberg. Anna Sussmann vergiftete sich in der Nacht vom 30. auf den 31. März 1942 mit Schlafmitteln und starb nach Überführung in das Jüdische Krankenhaus am 2. April 1942. Ihre Vermieterin sagte gegenüber der Kriminalpolizei aus: "Es ging der Sussmann gesundheitlich und auch wirtschaftlich ganz gut. Als sie aber hörte, daß sie evakuiert werden sollte, konnte sie sich damit nicht abfinden. Einer Bekannten gegenüber hat sie sich geäußert, daß sie sich das Leben nehmen würde." Drei Wochen vor ihrem Suizid hatte Anna Sussmann ein Testament errichtet und darin den Jüdischen Religionsverband als Erbe eingesetzt.

Ihre Tochter Paula emigrierte mit ihrem Mann Fritz Tobias 1935 in die USA. Die Ehe wurde 1945 geschieden. Während ihr Mann wieder als Arzt tätig werden konnte, arbeitete Paula Tobias ab 1944 bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 1956 als Krankenschwester in einem Sanatorium in Kalifornien. Sie starb 1970.

© Heiko Morisse

Quellen: 1, 4, 5, 8; StaH 341-15 Oberfinanzpräsident-Devisen- und Vermögensverwertungsstelle, R 1939/2610; StaH 331-5 Polizeibehörde-unnatürliche Sterbefälle, 3 Akte 1942/541; Pataky, Lexikon, II. Band, 1898, S. 350; Kürschners Deutscher Literaturkalender 1900–1915; Heinsohn, Politik und Ge­schlecht, 1997, S. 187, 239; Lohfeld, Im Dazwischen, 2003.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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