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Bereits verlegte Stolpersteine



Julia Schwarzwald * 1872

Glockengießerwall / Ferdinandstraße (vormals Glockengießerwall 23) (Hamburg-Mitte, Hamburg-Altstadt)


HIER WOHNTE
JULIA SCHWARZWALD
JG. 1872
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
22.2.1942

Weitere Stolpersteine in Glockengießerwall / Ferdinandstraße (vormals Glockengießerwall 23):
Eugen Gowa

Julie (Julia) Schwarzwald, geb. am 18.12.1872 in Hamburg, Suizid am 22.2.1942 in Hamburg

Glockengießerwall 22 (Glockengießerwall 23)

Julie Schwarzwald war als Tochter des Glasers Julius Schwarzwald (geb. 21.6.1847) und Fanny, geb. Spanier (geb. 26.9.1850), am 18. Dezember 1872 in Hamburg geboren worden. Sie blieb unverheiratet und wohnte ab 1900 mit ihrer Mutter in Wandsbek in der Königstraße 91, der Vater war bereits am 16. Dezember 1872, zwei Tage vor ihrer Geburt verstorben. Ihre Mutter Fanny starb im Alter von 60 Jahren am 20. September 1911.

Julie Schwarzwald verließ Wandsbek und wurde Mitglied der Jüdischen Gemeinde in Hamburg. Auf ihrer Kultussteuerkarte wurde die Adresse Glockengießerwall 23 vermerkt, unter der Rubrik Firma und Branche findet sich der Eintrag "Institut für Elektrolyse". Am Glockengießerwall 23 befand sich das von Martha Wolters im Jahre 1906 gegründete "Institut für Damen-Elektrolyse und Gesichtspflege". Martha Wolters ließ 1912 im Hamburger Branchenbuch inserieren: "entfernt Gesichtshaare elektrolytisch schmerzfrei für immer unter Garantie ohne Narben". Im Institut wurde auch Englisch und Französisch gesprochen, Zweiginstitute gab es in London, Ostende, Berlin, Mannheim und Köln. Ob Julie Schwarzwald für Martha Wolters als Hausangestellte tätig oder am Unternehmen beteiligt war, ließ sich nicht feststellen. 1911, als sie den Tod ihrer Mutter dem zuständigen Standesamt in Wandsbek meldete, gab sie für sich "gewerblos" an. Von 1913 bis 1916 verzeichneten die Hamburger Adressbücher Julie Schwarzwald als Hauptmieterin im Glockengießerwall, dann war dort wieder Martha Wolters mit ihrem Institut verzeichnet. Erst 1940 tauchte Julie Schwarzwald im Hamburger Adressbuch wieder auf, diesmal in der Reinhard-Keiser-Straße 47, die im Jahr zuvor noch Große Theaterstraße hieß.

Julie Schwarzwald lebte sehr zurückgezogen in einer Zweizimmerwohnung in der ersten Etage, wie eine Nachbarin später berichtete. Man begegnete sich im Treppenhaus oder beim Aufsuchen des Luftschutzkellers (in den Julie sich als Jüdin eigentlich nicht flüchten durfte). Bei einer dieser Begegnungen am 21. Februar 1942 erzählte Julie Schwarzwald ihr, dass ihr die Wohnung gekündigt wurde und sie zu einer ihr fremden Person in ein "Judenhaus" am Großneumarkt ziehen sollte (auf ihrer Kultussteuerkarte wurde das ehemalige Nanny Jonas-Stift in der Agathenstraße 3 als ihre letzte Adresse vermerkt). Mit dieser Maßnahme könne sie sich nicht abfinden und rechne auch mit einer baldigen "Evakuierung", die sie nicht mehr erleben wollte.

Die Nachbarin und eine weitere Hausbewohnerin, beunruhigt über dieses, wie sie fanden seltsame Benehmen, trafen sich am Morgen des 22. Februar 1942 und stellten nach mehrmaligem Klopfen an der Wohnungstür fest, dass der Briefkastenschlitz von innen verklebt war. Ein herbeigerufener Polizist ließ die Wohnung durch einen Schlosser öffnen und fand Julie Schwarzwald in der Küche in einem Sessel sitzend tot auf. Ihr Tod war durch eine Co-Vergiftung eingetreten. Laut Polizeibericht hatte Julie Schwarzwald ihren Suizid sorgfältig vorbereitet, alle Spalten und Ritzen in der Küche waren abgedichtet, anschließend hatte sie den Verbindungsschlauch vom Gasherd gelöst. Angehörige konnten nicht ermittelt werden. Julie Schwarzwald fand ihre letzte Ruhestätte auf dem Jüdischen Friedhof in Ohlsdorf.

Stand: September 2018
© Susanne Rosendahl

Quelle: 1; 4; 9; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Abl. 1999/01, 181; StaH 332-5 Standesämter 4559 u 321/1911; StaH 332-5 Standesämter 1152 u 109/1942; StaH 331-5 Polizeibehörde Unnatürliche Sterbefälle 860/42.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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