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Stolpertonstein

Erzählerin: Christine Jensen
Sprecher: Viktor Hacker
Biografie: Carmen Smiatacz


Theodor Haubach
© Archiv "Enge Zeit" (S. 57)

Theodor Haubach * 1888

Rathausmarkt 1 (links vor dem Rathaus) (Hamburg-Mitte, Hamburg-Altstadt)


DR. THEODOR HAUBACH
MDHB 1927 – 1929 SPD
JG. 1888
MITGLIED "KREISAUER KREIS"
1944 VERHAFTET
BERLIN – PLÖTZENSEE
HINGERICHTET 23.1.1945

Weitere Stolpersteine in Rathausmarkt 1 (links vor dem Rathaus):
Kurt Adams, Etkar Josef André, Bernhard Bästlein, Adolf Biedermann, Gustav Brandt, Valentin Ernst Burchard, Max Eichholz, Hugo Eickhoff, Wilhelm Heidsiek, Ernst Henning, Hermann Hoefer, Franz Jacob, Friedrich Lux, Fritz Simon Reich, August Schmidt, Otto Schumann, Theodor Skorzisko, Ernst Thälmann, Hans Westermann

Theodor Haubach, geb. 15.9.1896, hingerichtet in Berlin-Plötzensee am 23.1.1945

Hartwicusstraße 2

Theodor Haubachs Vater, ein Großkaufmann, verstarb ein Jahr nach der Geburt seines Soh­nes. Deswegen zog seine Mutter, die Jüdin war, mit ihm von Frankfurt am Main nach Darm­stadt in die Kiesstraße. Ein Vormund ermöglichte ihm den Besuch eines Gymnasiums. Seit 1906 be­suchte Theodor Haubach daraufhin das Ludwig-Georg-Gymnasium in Darmstadt, wo er Carlo Mierendorff kennenlernte, mit dem er sein Leben lang eng befreundet bleiben sollte.

Als einer der letzten seiner Altersklasse besuchte Theodor Haubach noch zwölf Jahre lang die Schule, bis zum Jahr 1914, als er sein Notabitur machte. Danach meldete er sich freiwillig zum Kriegsdienst. 1918 wurde er zum Leutnant befördert. Allerdings wurde er während des Krieges einige Male verwundet und erlitt vor Kriegsende noch eine schwere Verletzung. Durch einen Schulterschuss gerieten Uniformstücke in seine Wunde, die durch eine Opera­tion entfernt werden mussten. Im Zusammenhang mit dieser Verwundung entstanden auch die markanten Narben an seinem Kinn, die auf Schnittwunden zurückzuführen waren.

Nach Kriegsende kehrte er zunächst nach Darmstadt zurück. Das Ende des Ersten Welt­krie­ges stellte für Theodor Haubach den Zusammenbruch einer alten Epoche und zeitgleich den Beginn einer neuen deutschen und europäischen Ära dar. Deswegen wuchs sein Interesse für die Politik, insbesondere für die Sozialdemokratie.

In Darmstadt wurde er 1920 Kommandant der Abwehrkräfte gegen den sogenannten Kapp-Putsch. Zudem studierte er seit 1919 in Heidelberg Philosophie, Soziologie und Staats­wis­senschaften. Vier Jahre später schrieb er im Fach Philosophie seine Doktorarbeit bei Professor Karl Jaspers. Während dieser Zeit stand er zusammen mit seinem Freund Carlo Mierendorff an der Spitze der sozialdemokratischen Stu­denten­be­we­gung. Dadurch kam es zu ersten Aus­ein­an­dersetzungen mit der nationalsozialistischen Szene, in der sich sowohl Studenten als auch Professoren engagierten. Theodor Haubach genoss schon damals den Ruf eines talentierten Redners.

Nach dem Ende seines Studiums zog es Theodor Hau­bach nach Hamburg, um für das Institut für Außen­politik zu arbeiten. Ein Jahr später, 1924, begann er sein Wirken als außenpolitischer Redakteur der sozialdemokratischen Tageszeitung "Hamburger Echo". Diesen Pos­ten be­hielt er bis 1929. Zeitgleich trat er der Leitung des "Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold" bei, einem sozialdemokratischen Wehrverband, der es sich zur Auf­ga­be ge­macht hatte, die de­mo­kratische Grundordnung in der Weimarer Republik zu verteidigen. Zudem sahen sich die Mitglieder als Gegengewicht zu den immer stärker auftretenden nationalen und nationalsozialistischen Kampfverbänden.

Theodor Haubach wohnte in Hamburg in seiner Wohnung in der Hartwicusstraße 2 nicht allein. Seine Mutter zog zu ihm und lebte bis zu ihrem Tod im Jahr 1939 bei ihrem Sohn. Sie kümmerte sich um den Haushalt, während Theodor Haubach sich ganz der Politik widmete. Dadurch entwickelte sich sein Ruf eines ewigen Junggesellen.

Während seiner Jahre in Hamburg stand Theodor Haubach oft als Redner auf Bühnen bei demokratischen Groß­ver­anstal­tungen. 1927 wurde er als SPD-Mitglied in die Hamburger Bür­­gerschaft gewählt. Zwei Jahre später endete seine Zeit in Ham­burg, denn er wurde zuerst Pressechef beim Reichs­innen­ministerium und danach beim Berliner Polizeipräsidenten. Ein Ziel Theodor Haubachs lag in der Stärkung und Förderung der demokratischen Kräfte in der Berliner Polizei. Zudem übernahm er ab 1932 die politische Redaktion des "Reichs­ban­ners", einer SPD-nahen Zeitung.

Nach dem Staatsstreich von Franz von Papen am 20. Juli 1932 wurde Theodor Haubach, wie viele andere auch, aus dem Staatsdienst entlassen. Danach konzentrierte er sich auf seine Arbeit im "Reichsbanner", die ab 1933 illegal fortgeführt wurde. Im Kampf gegen den Na­tio­nalsozialismus trafen sich die Mitglieder des "Reichsbanners" zu geheimen Sit­zungen, warben neue Aktive, verbreiteten politische Schriften und Aufklärungsmaterial. Aufgrund dieser Arbeit wurde Theodor Haubach 1933 zum ersten Mal verhaftet, aber schon nach kurzer Zeit wieder entlassen. Ein Jahr später, am 24. November 1934, wurde er jedoch erneut festgenommen. Diesmal sollte seine Haft länger andauern. Bis 1936 war er zuerst im Kon­zen­tra­tions­lager Columbiahaus und später im Konzentrationslager Esterwege bei Papen­burg im Emsland in Gefangenschaft. Hier musste er mit den anderen Insassen an der Tro­cken­legung des Börgermoores arbeiten. Nach seiner Entlassung 1936 sah man ihm die Spu­ren der Inhaf­tie­rung an – er schien um Jahre gealtert.

Seine erste Anstellung nach der Haft fand Theodor Haubach als Handels- und Ver­si­che­rungs­vertreter. Danach bekam er eine Stelle als Mitarbeiter seines Freundes Viktor Bausch in dessen Papierfirma Felix Schoeller&Bausch. Durch diese Arbeit stellte sich auch wieder der Kontakt zu alten Sozialdemokraten und Gewerkschaftern her. Zudem wurde 1938 Carlo Mierendorff nach fünfjähriger Haft aus dem Konzentrationslager entlassen. 1939 wurde Theo­­dor Haubach noch einmal kurz verhaftet, da man ihm Spionage für die Tschecho­slowakei vor­warf.

Als 1940 der "Kreisauer Kreis" als Widerstandsgruppe gegen das nationalsozialistische Regi­me entstand, trat auch Theodor Haubach ihm bei. Carlo Mierendorff hatte schon länger Kon­takt zu der Widerstandsgruppe um Helmuth James Graf von Moltke und führte nun auch Theodor Haubach in den Kreis ein. Dieser nahm zum ersten Mal an einem Treffen vom 18. bis 20. Oktober 1942 teil. Das Ziel der Widerstandsorganisation lag in der geistigen, politischen und sozialen Neuordnung Deutschlands nach dem Ende der Diktatur. Eine ihrer For­derungen lautete: "Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus!"

Ab 1943 wandte sich der "Kreisauer Kreis" auch anderen Widerstandsgruppen zu, um sich an einer aktiven Verschwörung gegen den Nationalsozialismus zu beteiligen. So kamen die Mit­glie­der in Kontakt mit Graf von Stauffenberg und Carl Friedrich Goerdeler. Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 auf Adolf Hitler wurden viele Beteiligte in Berlin sofort verhaftet. Theodor Hau­bach befand sich noch in Oberstdorf im Allgäu. Obwohl er wusste, wie gefährlich es für ihn in Berlin geworden war, kehrte er Anfang August dorthin zurück. Carlo Mie­ren­dorff lebte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr. Eine Fliegerbombe hatte ihn am 4. Dezember 1943 in Leipzig ge­tötet.

Am Morgen des 9. August 1944 wurde Theodor Haubach von der Gestapo in seiner Woh­nung im Falterweg 1 in Berlin verhaftet. Man brachte ihn in die Sicherheitspolizei-Schule Drö­gen bei Ravensbrück, danach wurde er ins Berliner Gefängnis Lehrter Straße überführt. Kurz vor seiner Festnahme hatte Theodor Haubach die Sängerin Anneliese Schellhase kennengelernt, die seine große Liebe werden sollte. Theodor Haubachs langjährige gute Freun­din Alma de l’Aigle schrieb im Vorwort zu dem Abdruck einiger Briefe Haubachs an Anne­liese Schellhase:

"Es ist wie ein Wunder, wie eine ganz besondere Gnade, die in allem Unglück in seinem Leben waltete, dass er nicht lange vor dem gewaltsamen Abschluss seines Lebens noch die große Liebe kennen lernte, die auch zu einem späten Lebensbündnis geführt hätte, wenn der Tod nicht gewaltsam dazwischen geschlagen hätte. Er kannte Anneliese Schellhase schon vor seiner Verhaftung. Die herbe knabenhafte Erscheinung, das klassische Gesicht und der rege Geist der jungen Sängerin hatten ihn bald angezogen. Aber das große Wunder der See­len­begegnung fand erst statt, als Haubach in der Zelle des Gefängnisses Lehrter Straße saß."

Aus dem Gefängnis schrieb Theodor Haubach Briefe an Anneliese Schellhase, zog sie von Partenkirchen nach Berlin. Nach der Verlobung war es ihr gestattet, ihn regelmäßig zu besuchen und ihm die nötigsten Dinge für den täglichen Bedarf zu besorgen. Nichts konnte Anneliese Schellhase davon abhalten, ihren Verlobten im Gefängnis zu besuchen. Selbst als sie bei einem Bombenangriff schwer verletzt wurde und fortan gehbehindert war, besuchte sie ihn regelmäßig. Sein letztes gemeinsames Weihnachtsfest feierte das Paar im Gefängnis Lehr­ter Straße. Der wachhabende SS-Untersturmführer Knuth hatte den beiden seine Kam­mer zur Verfügung gestellt.

Im Gefängnis Lehrter Straße schrieb Theodor Haubach am 6. Januar 1945 einen letzten Brief an Anneliese Schellhase, bevor das Urteil gegen ihn gefällt wurde: "Mein Liebes, Geliebtes! Wir wollen doch die Dinge richtig sehen. Entweder lässt Gott in Gnade und Barmherzigkeit zu, dass alles gut geht – dann schadet auch Dr. W. nichts – oder er lässt es nicht zu, dann helfen auch alle Götter nicht …
Wo immer Deutschland in Not stand, stand auch immer ich. Einen kleinmütigen und verzagten Angeklagten werden die Herren in mir nicht kennen lernen. Vielleicht werden sie sich sogar wundern. Voriges Jahr um diese Zeit stand ich auf so manchem brennenden Dach in Berlin, heute soll ich mich darüber rechtfertigen, ob ich ein nationaler Mann bin."

Den Vorsitz bei den Gerichtsverhandlungen nach dem 20. Juli 1944 hatte der Präsident des Volksgerichtshofes, Roland Freisler. Für ihn stand das Todesurteil schon vor Beginn der Ver­handlung fest. Während der Prozesse liefen Kameras und Tonbandgeräte. Theodor Haubach wirkte ernst und gefasst. Mit leicht nach hinten geneigtem Kopf und den Blick in die Ferne gerichtet, saß er vor dem Richter. Da er bereits im Gefängnis an einer schweren Gallenkolik erkrankt war, brach er während des Prozesses zusammen und musste aus dem Saal getragen werden. Seine Verhandlung wurde daraufhin von den anderen abgetrennt. Am 15. Januar 1945 wurde der Schwerkranke wegen Hoch- und Landesverrats zum Tode verurteilt. Anneliese Schellhase reichte zwei Gnadengesuche ein. Sie drang sogar bis zu Roland Freisler vor, um ihn von dem Todesurteil abzubringen. Doch alle Hoffnungen zerschlugen sich mit der Hinrichtung Theodor Haubachs am 23. Januar 1945 im Gefängnis Plötzensee.

Einige Tage vor der Hinrichtung wurden die Gefangenen, unter ihnen auch Theodor Hau­bach, in die Todeszelle gebracht. Wegen seiner Gallenerkrankung musste Theodor Haubach am 23.Ja­nu­ar zum Galgen getragen werden. Dann wurde er, wie seine Mitgefangenen auch, er­hängt.

Heute gibt es in Deutschland zwei Schulen, die nach Theodor Haubach benannt sind. Eine steht in Berlin-Charlottenburg, die andere in Hamburg-Altona. Zudem existieren in Berlin-Char­lottenburg, Hamburg, Frankfurt am Main, Bielefeld und Lüneburg Straßen mit seinem Namen. In Berlin trägt der Briefingsaal im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung seinen Namen.

© Carmen Smiatacz

Quellen: StaHH 121-3, Bürgerschaft I, A 17; Beuys: Verteidigung der Republik; Brakelmann: Die Kreisauer, S. 373ff.; Ditt: Sozialdemokraten im Widerstand, S. 74; Hamburg im "Dritten Reich", S. 45f. ; Leber: Das Gewissen steht auf, S. 215ff.; Zimmermann: Theodor Haubach (1896–1945).


Theodor Haubach MdHB

Theodor Haubach wurde am 15. September 1896 in Frankfurt a.M. geboren. Kindheit und Jugend verbrachte er in Darmstadt. Nach dem frühen Tod seines Vaters wurde er von seiner Mutter erzogen, die ihn auch später auf den verschiedenen Stationen seines politischen Wirkens begleitete. Ein nach dem Tod des Vaters bestimmter Vormund ermöglichte Haubach den Besuch des Darmstädter Ludwig-Georgs-Gymnasiums, an dem er 1914 das Abitur ablegte. Unmittelbar nach seiner Schulentlassung meldete er sich im Rahmen der allgemeinen Kriegsbegeisterung als Freiwilliger ins kaiserliche Heer. Wenig später stand er bereits als junger Offizier an der Westfront, wo er mehrfach verwundet wurde.

1919 begann Haubach in Heidelberg das Studium der Philosophie und Soziologie, hörte unter anderem bei Alfred Weber, Emil Lederer und Karl Jaspers. In seinem engeren Umfeld befanden sich zu jener Zeit sein langjähriger Freund und Weggefährte Carlo Mierendorff, Egon Wertheimer und Emil Henk - um nur einige des damals in Heidelberg versammelten "Darmstädter Kreises" zu nennen.

Gleich zu Beginn seines Studiums begann sich Haubach politisch wie publizistisch zu betätigen. Sein Doktorvater Karl Jaspers erinnerte sich später, der Student Haubach habe – was damals noch eine Seltenheit war – des Öfteren politische Auseinandersetzungen zum Gegenstand von Seminardiskussionen gemacht. Vor allem aber schrieb Theodor Haubach für das "Tribunal" seines Freundes Carlo Mierendorff. Ein Blatt, das kompromisslos für ein demokratisches und zugleich sozialistisches Deutschland im Rahmen einer europäischen Wertegemeinschaft eintrat. Der von Haubach und den anderen "Darmstädtern" verfasste "Aufruf an die französische Jugend" zum gemeinsamen Aufbau eines neuen Europa, war ein aus der Erfahrung des Ersten Weltkrieges geborenes, richtungweisendes Manifest gegen bisherige Konzepte nationalstaatlicher Machtpolitik. Am Ende seiner Studienzeit promovierte er 1923 mit einer kunstphilosophisch orientierten Arbeit zu Fragen und Problemen der Ästhetik.

Nach Abschluss des Examens ging Haubach nach Hamburg, um dort zunächst eine Tätigkeit am "Institut für Außenpolitik" aufzunehmen. Sogleich betätigte er sich aktiv für die SPD, der er 1922 beigetreten war, und fand den Weg zu dem Hamburger Ableger des 1923 begründeten "Hofgeismarkreises" der Jungsozialisten um Alma de l‘Aigle und Gustav Dahrendorf. Lange Jahre des gemeinsamen Weges mit Dahrendorf begannen hier, zunächst in der Redaktion des sozialdemokratischen "Hamburger Echo", später als Abgeordnete in der Hamburger Bürgerschaft.

Ab 1924 war Haubach wesentlich am Aufbau des "Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold" beteiligt, der zunächst als "Bund der republikanischen Kriegsteilnehmer" gegründeten, im Kern sozialdemokratischen Parteiformation. Der Intellektuelle mit einem ausgeprägten Sinn für militärische und strategische Fragen wurde in den "Reichsbanner-Gauvorstand Nordwest" gewählt und avancierte später so-gar zum stellvertretenden Vorsitzenden der Reichsleitung.

1927 folgte die Wahl in die Hamburger Bürgerschaft. Seine großen Reden galten der inneren Führung der Hamburger Polizei, dem Tarifsystem der Hamburger Hochbahn und schließlich einem brisanten Giftgasunfall auf dem Betriebsgelände der Veddeler Firma Müggenburg, der die bislang versteckten Wiederaufrüstungsbemühungen der Reichswehr offen zutage treten ließ.

Doch bereits 1929 gab Haubach sein Mandat zurück, da er zum Pressereferenten von Carl Severings avancierte und diesem ins Reichsinnenministerium nach Berlin folgte. Auch in der Reichshauptstadt setzte Theodor Haubach seine publizistische Tätigkeit in gewohntem Umfange fort. Er schrieb nach wie vor Artikel für den "Reichsbanner" und saß darüber hinaus mit Mierendorff, Lederer, Wilhelm Sollmann und anderen im Redaktionsbeirat der "Neuen Blätter für den Sozialismus".

Die "Neuen Blätter" galten als Sprachrohr einer Gruppe von jungen Intellektuellen, die – als "Reformsozialisten" bezeichnet – darauf zielten, die Sozialdemokratie ideologisch mit dem politisch-sozialen System der Weimarer Republik auszusöhnen. Sie hielten klassenkämpferische Dogmen v.a. wegen der pragmatischen Haltung der Parteiführung für obsolet und traten für eine Öffnung der SPD für die Mittelschichten ein. Mit dieser Konzeption versuchten Haubach und seine Weggefährten auf dem rechten Parteiflügel, die SPD auch strukturell zu einer staatstragenden Integrationspartei werden zu lassen, die – und hier sah gerade auch Haubach ein wichtiges Anliegen – zur Verteidigung der Republik mit allen Mitteln bereit war. Es waren diese Überlegungen, die ihn zum Fürsprecher einer klaren militärpolitischen Haltung der Sozialdemokratie werden ließen.

Als Voraussetzung für die von ihm angestrebte Republikanisierung der Reichswehr hielt er eine Überwindung der Spannungen zwischen der SPD auf der einen und der militärischen Führung auf der anderen Seite für unverzichtbar. Gemeinsam mit Carl Severing und Julius Leber kritisierte Haubach auf dem Magdeburger Parteitag 1929 die ablehnende Haltung der SPD in der Debatte um den von der Reichsregierung betriebenen Bau des "Panzerkreuzers A". Den Umstand, dass der sozialdemokratische Reichskanzler und die der SPD angehörenden Reichsminister aus Fraktionszwang gegen die eigene Kabinettsvorlage stimmen mussten, hielt Haubach vor allem aus staatspolitischen Gründen für bedenklich.

Als Ende März 1930 die seit langem vom Reichspräsidenten und seinen Beratern gehegten Pläne zur Etablierung eines sog. "antiparlamentarischen" und "antimarxistischen" Präsidialkabinetts realisiert wurden, wechselte Haubach als Pressechef ins Berliner Polizeipräsidium, dessen Führung zur gleichen Zeit Albert Grzesinski übertragen wurde. Von hier aus erlebte Haubach den Sommerwahlkampf 1930, nachdem die Reichsregierung durch eine vorzeitige Reichstagsauflösung den Plan zur Regierungspraxis auf der Basis von Notverordnungen gemäß §48 der Weimarer Reichsverfassung realisieren wollte. Das Ergebnis der "Katastrophenwahlen" vom September 1930 war, dass die NSDAP zur reichsweit zweitstärksten Partei anwuchs. Haubach analysierte treffend: "Mit dem Wahlausgang stehe nicht nur ‚das ganze politische Werk‘ der Sozialdemokratie, sondern ‚letzten Endes Staat und Demokratie‘ auf dem Spiele". Dass der Reichsregierung das Erstarken der Nationalsozialisten nicht ungelegen als Handhabe kam, die SPD in eine Tolerierung der Präsidialkabinette zu zwingen, reflektierte Haubach dabei ebenso wenig wie die Parteiführung.

Vielmehr übte er sich in Selbstkritik: Zu lange habe man sich auf die Argumentation verlassen und im Zeichen zunehmender Propaganda von Seiten der radikalen Parteien die politische Aktion vernachlässigt. Mit dem Ziel, dieses Feld nicht allein den antidemokratischen Kräften zu überlassen, forderte er "eine noch nie dagewesene Offensive in der Agitation".

Die in dieser Hinsicht neuen Massenaufmärsche der republikanischen "Eisernen Front" 1932 waren daher auch Folgen dieser Überlegungen. Parallel dazu forderte Haubach staatliche Maßnahmen, die es den antidemokratischen Parteien erschwerten, ihre Hetze gegen das republikanische "System" vorzutragen. Ebenso wie Otto Braun und Carl Severing unterstützte er entsprechende Verordnungen der Reichsregierung.

Im Zeichen des dramatischen Erstarkens der antidemokratischen Kräfte trug Haubach im Grundsatz den von der Parteiführung getragenen Kurs einer Tolerierung des Reichskanzlers Heinrich Brüning (Zentrum) mit. Wiederholt mahnte Haubach jedoch die Entwicklung einer politischen Alternative zum Präsidialkabinett an. Als ersten Schritt einer Reparlamentarisierung der politischen Entscheidungen sah auch er den verschiedentlich diskutierten Eintritt des preußischen Ministerpräsidenten Otto Braun als Vizekanzler in die Reichsregierung an. Diese Konstruktion war jedoch weder im Präsidentenpalais noch in der Reichskanzlei erwünscht.

Haubachs Tätigkeit im Berliner Polizeipräsidium fand mit dem sog. "Preußenschlag" des Reichskanzlers Franz von Papen ein jähes Ende. Nicht nur die geschäftsführende preußische Regierung Braun-Severing, sondern auch der Berliner Polizeipräsident und dessen Mitarbeiter wurden am 20. Juli 1932 durch die präsidiale Notverordnung ihres Amtes enthoben. Auch Theodor Haubach war somit ein Opfer der autoritären Verfassungskonzepte Hindenburgs und seiner nationalkonservativen Berater, die den Weg in die spätere "Gleichschaltungspolitik" der Nationalsozialisten ebneten.

Mit dem Machtantritt der NSDAP begann auch für Theodor Haubach die Zeit der Verfolgung. Nachdem er noch im Februar 1933 mutige Artikel im "Reichsbanner" gegen die ersten politischen Schritte der Regierung unter Hitler publiziert hatte, verließ er Berlin nach den Märzwahlen 1933 und hielt sich zunächst in München versteckt. Ende März beriet er in Zürich mit Carlo Mierendorff und Hans Hirschfeld das weitere Vorgehen. Zusammen mit Mierendorff kehrte er schließlich nach Deutschland zurück, um hier Vorbereitungen für die illegale Parteiarbeit zu treffen

"Überwintern" hielt Haubach für die falsche Strategie. Er war überzeugt, dass die Erfahrungen aus der Zeit des Sozialistengesetzes unter den Bedingungen einer modernen, totalitären Diktatur wenig hilfreich sein würden. Haubach nahm jedoch mit dieser Konzeption eine Minderheitenposition in der SPD ein. Auch bei der Hamburger Parteiführung fand er nur wenig Unterstützung für seinen Plan, den Kampf gegen das NS-Regime aus der Illegalität heraus zu organisieren.

Dennoch hoffte Haubach, ihm persönlich als zuverlässig bekannte Sozialdemokraten und Reichsbannerangehörige zum Kern einer illegalen, auf unterster Ebene aus Kleingruppen bestehenden Organisation machen zu können, die Informationen austauschen und Aktionen gegen das nationalsozialistische Regime vorbereiten sollte. Für den Aufbau einer derartigen Organisation in Hamburg war der Polizeileutnant a. D. Otto Grot vorgesehen, mit dem Haubach bereits bei der Aufstellung und Ausbildung der "Reichsbannerschutzformationen" zusammengearbeitet hatte. Bei illegalen Treffen im Tangstedter Forst wurden im Sommer 1933 erste Schritte besprochen.

Durch seine illegalen Parteitätigkeiten war Theodor Haubach schon bald Repressionen der Nationalsozialisten ausgesetzt. Im Herbst 1933 wurde er erstmals verhaftet und verbrachte mehrere Monate lang in "Schutzhaft". Im November 1934 griff die Gestapo erneut zu: Diesmal wurde Haubach ins Konzentrationslager Börgermoor gebracht und dort ohne Gerichtsverfahren insgesamt zweieinhalb Jahre lang festgehalten. Nach seiner Entlassung fand er in der Papierfabrik seines Studienfreundes Viktor Bausch eine Anstellung, die ihm eine umfangreiche Reisetätigkeit und damit den Kontakt zu vielen seiner Parteiund Gesinnungsfreunde im gesamten Reich erlaubte. Noch einmal wurde Haubach kurze Zeit nach Kriegsbeginn im Herbst 1939 verhaftet, nach mehreren Verhören in Dresden aber wieder entlassen.

Der Beginn des Krieges fiel mit dem Tod seiner Mutter zusammen. Haubach, der Individualist, zog sich nun mehr und mehr zurück, trieb in seinem "Bedürfnis nach Einsamkeit" religiös-philosophische Studien.

Der Untergrundaktivität Mierendorffs suchte er sich in den folgenden zwei Jahren bewusst zu entziehen. Eine Wende bedeutete das Jahr 1941, ein – wie er Alma de l‘Aigle schrieb – "gesegnetes Jahr". Am Jahresende stellte er bei sich wieder eine "Übereinstimmung von vita activa und vita contemplativa" fest. Es waren seine Kontakte zum Grafen Yorck von Wartenburg und dem im Herbst 1940 gegründeten "Kreisauer Kreis", die ihm neuen Mut gaben und so eine erneute Phase politischer Aktivität initiierten.

Beseelt von seinem bereits nach dem Ersten Weltkrieg formulierten politischen Ziel, "aus einem alten Deutschland ein neues Deutschland [...], aus einem alten Europa ein neues Europa [zu machen]", geriet Haubach über seine Kontakte zum "Kreisauer Kreis" in die Widerstandsbewegung des 20. Juli. Gemeinsam mit Adolf Reichwein, Wilhelm Leuschner und Carlo Mierendorff konnte er die 1942/43 auf dem schlesischen Gut Moltkes entwickelten theoretisch-konzeptionellen Planungen für die Zeit nach dem erwarteten Zusammenbruch des Nationalsozialismus in wichtigen Punkten beeinflussen. Mit dem Konzept einer Zusammenführung aller demokratischen Kräfte in eine Art "Volksbewegung" gab er richtungweisende Impulse und trug nicht zuletzt dazu bei, die Kreisauer Planungen auf ein breiteres Fundament zu stellen. Gemeinsam mit Mierendorff hielt Haubach Verbindungen zwischen Kreisau und dem Berliner Kreis um Beck und Goerdeler aufrecht. Haubach war somit auch wesentlich daran beteiligt, die Sozialdemokratie an den konservativ-bürgerlichen und militärischen Widerstand von Stauffenberg und Leuschner heranzuführen. Er war für die nach dem erhofften Tod Hitlers zu bildende Reichsregierung als Informationsminister vorgesehen.

Nach Scheitern des Attentats vom 20. Juli 1944 wurde Theodor Haubach am 6. August 1944 in Berlin verhaftet, obwohl bereits Vorbereitungen seinerseits getroffen waren, in die Illegalität zu gehen. Doch Haubachs Name fand sich auf den Kabinettslisten Goerdelers, die der Gestapo in die Hände gefallen waren. Er wurde zunächst im Lager Drögen bei Fürstenberg inhaftiert, um später nach Berlin in das Untersuchungsgefängnis Lehrter Straße überstellt zu werden. Regelmäßigen Zugang zu dem inzwischen schwer an der Galle Erkrankten hatte zu dieser Zeit nur noch seine Braut Anneliese Schellhase.

Im Januar 1945 stand Haubach zusammen mit Julius Leber, Adam Trott zu Solz, Peter Yorck, Adam Reichwein und anderen An-gehörigen des "Kreisauer Kreises" vor dem "Volksgerichtshof ". Am 15. Januar sprach der vorsitzende Richter Freisler das Todesurteil. Eine Woche später, am 23. Januar 1945, wurde Theodor Haubach in Plötzensee hingerichtet.

Zu Ehren Theodor Haubachs trägt eine Straße in Hamburg-Altona seinen Namen. In der dortigen Theodor-Haubach-Schule erinnert eine Ehrentafel an Leben und Wirken des von den Nationalsozialisten hingerichteten Sozialdemokraten.

© Text mit freundlicher Genehmigung der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg (Hrsg.) entnommen aus: Jörn Lindner/Frank Müller: "Mitglieder der Bürgerschaft – Opfer totalitärer Verfolgung", 3., überarbeitete und ergänzte Auflage, Hamburg 2012

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