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Bereits verlegte Stolpersteine



Hermann Hoefer ca. 1930
© Hilde Jacobs

Hermann Hoefer * 1868

Rathausmarkt 1 (links vor dem Rathaus) (Hamburg-Mitte, Hamburg-Altstadt)


HERMANN HOEFER
MDHB 1928 – 1931 KPD
JG. 1868
VERHAFTET 1944
ZUCHTHAUS COSWIG
TOT AN HAFTFOLGEN

Weitere Stolpersteine in Rathausmarkt 1 (links vor dem Rathaus):
Kurt Adams, Etkar Josef André, Bernhard Bästlein, Adolf Biedermann, Gustav Brandt, Valentin Ernst Burchard, Max Eichholz, Hugo Eickhoff, Theodor Haubach, Wilhelm Heidsiek, Ernst Henning, Franz Jacob, Friedrich Lux, Fritz Simon Reich, August Schmidt, Otto Schumann, Theodor Skorzisko, Ernst Thälmann, Hans Westermann

Stolperstein für Hermann Hoefer

Rede von Hilde Jacobs anlässlich der Enthüllung des Stolpersteins für ihren Großvater am 10.10.2009 in der Eppendorfer Landstraße 74

Zunächst möchte ich mich bei allen bedanken, die es ermöglicht haben, diesen Stolperstein für meinen Großvater Hermann Hoefer zu legen. Dem Lions Club möchte ich besonders danken, dass er die Patenschaft übernommen hat.

Vor längerer Zeit erfuhr ich überhaupt erst, dass es diese Steine gibt und von dem Künstler Gunter Demnig gelegt werden. Ich war begeistert von der Idee, und irgendwann - leider erst viel später - kam mir der Gedanke, dass man für Opa Hoefer auch so einen Stein legen lassen könnte.

Es ist sicher kein Zufall, dass ich im August dieses Jahres hier entlang ging, weil meine Tochter Nina in der Eppendorfer Landstraße arbeitet. Ich wollte sie besuchen und dachte: "Dann kannst Du ja gleich mal gucken, ob sich in der Umgebung von Nr. 74 etwas verändert hat." Ich wollte schon wieder weitergehen, da blickte ich – keine Ahnung warum – auf den Boden und entdeckte ungläubig diesen Stein. Er war erst kürzlich, nämlich im Juli 2009 gelegt worden, zeitgleich mit meiner Absicht, mich um einen Stolperstein zu kümmern!

Freudig überrascht und vollkommen perplex zermarterte ich mir den Kopf, wer das veranlasst haben könnte. Aus meiner Familie war es bestimmt niemand gewesen. Es gibt nicht mehr viele von uns.

Ich fragte bei Herrn Diercks an, mit dem ich schon wegen einiger Schriftstücke der Familie Hoefer in Kontakt war. Er verwies mich an Herrn Hess. Von Herrn Hess erfuhr ich, dass eine Frau Hochmuth die Nachforschungen über NS Opfer organisiert und Listen mit Namen an Herrn Hess weitergeleitet hat. Auf einer dieser Listen war der Name meines Großvaters.

Herrn Hess, Frau Hochmuth und dem Lions Club habe ich es zu verdanken, dass wir alle jetzt hier an meinen Opa denken und ihn ehren dürfen.

Was meinen Großvater, den sozialdemokratischen Lehrer Hermann Hoefer auszeichnete, war, wie in einem Nachruf von Gerhard Hoch zu lesen ist, seine ehrenamtliche Tätigkeit als Armenpfleger. Er hat als junger Mensch während der Cholerazeit in Hamburg aufopfernde Hilfe geleistet.

1924 war er der KPD beigetreten und hat als Mitglied in der Hamburger Bürgerschaft diese Partei vertreten. Er war bekannt dafür, dass er mit seiner ruhigen, durchdachten
Art der Argumentation auch dem politischen Gegner Aufmerksamkeit und Achtung zukommen ließ.

Eine seiner Wesensarten war sein feiner Humor. So meinte er einmal, als es um die Bewilligung von Mitteln für die Schulausstattung ging: "Es fehlt in der Schule Marienthalerstraße eine Dunkelkammer. Wenn wir auch sonst g e g e n ‚Dunkelkammern’ sind, so ist doch in jeder Schule eine Dunkelkammer nötig, weil das Photographieren im Physikunterricht behandelt werden muss."

Aus seinen Briefen an meine Mutter geht hervor, dass er einen Heidenspaß mit seinen beiden Enkelkindern hatte, meinen Brüdern, ich war damals noch nicht geboren. Wenn er zu Besuch kam, lief er absichtlich an der Haustür vorbei. "Neulich", so schreibt er in einem Brief über den drei- oder vierjährigen Uwe, "hörte ich ihn laut krähen: ‚Opa, du läufst vorbei!’ – Ich rief ihm zu: ‚Ja, wenn du nicht Bescheid sagst...’ , worauf Uwe meinte: ‚Ich hab doch ganz laut gesrien!’ "

1933 wurde mein Großvater, wie viele andere Lehrer auch, aus dem Beruf gedrängt, weil er sich dem NS-Regime nicht widerstandslos unterworfen hat.

Er und seine älteste Tochter Margarethe, die ihren Vater sehr verehrte und sich in seinem Sinne politisch betätigte, waren mehrmals in Haft.

Im Juli 1943 geschah etwas Unglaubliches mit einem tragischen Ende:

Die Bombenangriffe in Hamburg schufen ein solches Chaos, dass sich die Staatsanwaltschaft veranlasst sah, etwa 2000 Untersuchungsgefangenen zwei Monate Hafturlaub zu geben. Unter ihnen war auch Heinz Priess, ein Freund von Hermann Hoefer. Er beschloss, nach Ablauf der zwei Monate nicht zurückzukehren, sondern sich verborgen zu halten. Hermann und Margarethe Hoefer waren sofort bereit, ihn in ihrem Waldhaus in Dassendorf zu verstecken.
Beide Hoefers wurden durch einen V-Mann verraten und wieder verhaftet.

Heinz Priess wurde zum Tode verurteilt.

Als Hermann Hoefer 1944 vor dem Volksgerichtshof in Berlin der Prozess wegen Vorbereitung zum Hochverrat gemacht wurde, kamen auch seine Frau Nicoline, genannt Nina, und sein Sohn Hermann mehrere Monate lang in Gestapo-Haft.

Hermann Hoefer war 76 Jahre alt, als er zusammen mit seiner Tochter Margarethe in die Strafanstalt in Coswig transportiert wurde.

Was ich in den Ehrungen ihm und Margarethe gegenüber vermisse, ist das Gedenken an Hoefers jüngste Tochter Edith, (das ist meine Mutter), die die beiden nach der Befreiung durch die Rote Armee unter großen Strapazen und Scheußlichkeiten aus der damaligen russischen Zone herausgeholt hat. Mein Opa saß völlig geschwächt und krank im Rollstuhl, und Margarethe hatte wegen eines gebrochenen Armes nicht die Kraft, ihn im Chaos der Nachkriegszeit den weiten Weg nach Hause zu befördern. Ohne zu zögern ist meine Mutter mit einer Freundin aufgebrochen, um sie zu holen. Die Freundin wurde von Russen vergewaltigt, meiner Mutter blieb dieses Schicksal erspart, weil sie schon älter war.

Aber alle Strapazen waren umsonst, denn in Hamburg angekommen, starb Hermann Hoefer am 13. Dezember 1945 an den Folgen der Haft. Kurz vor seinem Tod sah ich ihn als Siebenjährige im Krankenhaus. Den Anblick des alten von Folter gezeichneten Mannes werde ich nie vergessen.

Gretel Hoefer schrieb einmal an ihre Eltern aus dem Gefängnis die trostvollen Worte: "Alles hat (irgendwann) ein Ende". Ich möchte in Ehrfurcht vor Hermann Hoefer und seiner Familie hinzufügen: "In jedem Ende liegt ein neuer Anfang".

© Hilde Jacobs


Hermann Hoefer MdHB

Der Bürgerschaftsabgeordnete Hermann Martin Hoefer wurde am 21. August 1868 in Hamburg geboren.Sein Vater war ein katholischer Schuhmacher, der in den 1860er Jahren aus dem Rheinland zuwanderte. In Hamburg distanzierte er sich von der katholischen Lehre und wandte sich den Gedanken von Karl Marx und Friedrich Engels zu. Diese Wandlung der weltanschaulichen Grundüberzeugungen im Elternhaus prägte den Werdegang Hermann Hoefers beruflich wie auch politisch in starkem Maße.

So erwirkte der Vater 1877 den Wechsel aus der 3. Klasse der katholischen auf die allgemeine Volksschule. Nach Abschluss der Schule fasste Hermann Hoefer den Entschluss, Lehrer werden zu wollen. Die Absolvierung der "Präparandenanstalt" (1884–1887) ermöglichte ihm den dreijährigen Besuch des Lehrerseminars. 1890 trat Hoefer als Volksschullehrer in den Hamburger Schuldienst ein. 1894 verbeamtet, war er bis zu seiner Pensionierung an verschiedenen Hamburger Schulen tätig, zuletzt an der Schule Papendamm 5. Nebenamtlich unterrichtete Hoefer zeitweilig auch an Hamburger Fach- und Gewerbeschulen.

Neben Schule und Familie – aus Hoefers Ehe gingen fünf Kinder hervor – bildeten soziales und politisches Engagement die Hauptinhalte seines Lebens. Hoefer, der sich 1892 der SPD anschloss, ging es in erster Linie um praxisbezogene politische Arbeit – als Theoretiker oder Aktivist ist er nie hervorgetreten, auch nicht in seiner späteren Zeit als Bürgerschaftsabgeordneter für die KPD. Aus seinem politischen Weltbild entsprang ein besonderes Interesse für soziale Fragen, wie es sich erstmals 1892 in seiner Tätigkeit in einem der ehrenamtlichen Komitees zur Bekämpfung der Choleraepidemie und danach in seinem langjährigen Einsatz für die Hamburger Armen- und Wohlfahrtspflege manifestierte.

Sein pädagogisches Ideal vertrat Hoefer in der "Gesellschaft der Freunde des vaterländischen Erziehungswesens", der damaligen reformistischen Lehrergewerkschaft. Der Erste Weltkrieg brachte für Hoefer den Bruch mit der SPD. Er, der bereits vor dem Krieg der "Friedensgesellschaft" angehörte, war scharfer Kritiker der sog. "Burgfriedenspolitik" der SPD-Führung. Als 1917 die Mehrheitsparteien im Reichstag, darunter die SPD, ihre Friedensresolution aufgaben und sich dem Primat der militärischen Führung beugten, trat Hoefer zur USPD über, die sich den Kampf gegen die Fortführung des Krieges auf die Fahnen geschrieben hatte. Zusammen mit dem linken USPD-Flügel schloss er sich Ende 1920 der KPD an, die bis dahin eher ein Schattendasein geführt hatte. Infolge der Vereinigung mit der sozialdemokratischen Linken wurde sie indes zur Massenpartei mit etwa 400.000 Mitgliedern.

In den 1920er Jahren spielte Hoefer zunächst keine herausragende Rolle in der Hamburger KPD. Erst im Oktober 1928 zog er im Alter von 60 Jahren für seine Partei als Nachrücker in das wenige Monate zuvor gewählte Parlament ein.

Der politische Pragmatiker Hoefer kritisierte die Ende der 1920er Jahre vollzogene Stalinisierung seiner Partei und zählte sich zu den sog. "Versöhnlern", die einen Ausgleich mit der SPD anstrebten. Dies mag dazu beigetragen haben, dass er bereits Ende 1930 noch vor Ablauf der Wahlperiode wieder aus dem Hamburger Landesparlament ausschied. Sein parlamentarisches Engagement galt sozialen Fragen und einer Verbesserung des Hamburger Schulwesens. In den zwei Jahren seiner Parlamentszugehörigkeit war er Mitglied der Oberschulbehörde und des Wohnungsamtes.

Ob es um die Einrichtung von Dunkelkammern für den Physikunterricht oder die Erneuerung von Sitzbänken ging – stets präsentierte sich der kommunistische Bürgerschaftsabgeordnete als wohlinformierter und sachlich argumentierender Anwalt Hamburger Schulen. Der Schulbetrieb hatte für ihn eine weit über den Bildungsauftrag hinausgehende soziale Funktion: Hier sah er wie er in seiner letzten Rede vor der Bürgerschaft im September 1930 ausführte – den Ort, an dem: "Kinder aus beschränkten Wohnverhältnissen wenigstens fünf Stunden täglich [...] etwas Erholung, Freude und Schönheit genießen können."

Sein in derselben Bürgerschaftsrede geäußertes Bekenntnis zum Vorgehen des "Jungspartakusbundes", der in seinen Publikationen bekannt gewordene Prügelstrafen an Hamburger Schulen unter Nennung der Umstände und der beteiligten Lehrer veröffentlichte, führte zu einer heftigen Leserbrief-Auseinandersetzung in der "Hamburger Lehrerzeitung". Während Hoefer die erzieherische Wirkung der Veröffentlichungen des "Jungspartakusbundes" auf die Hamburger Lehrer im Sinne einer "völligen Beseitigung der körperlichen Züchtigung" begrüßte, warf ihm die "Hamburger Lehrerzeitung" unter Hinweis auf die Zielsetzung der Spartakisten vor, "die Schulstube mit einem Agitationslokal für die eigene Partei" zu verwechseln.

Wie für die meisten Angehörigen der KPD bedeutete die nationalsozialistische Machtübernahme auch für Hoefer und seine Familie eine tiefgreifende Zäsur. Unter Berufung auf das sog. "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" wurde ihm 1933 die Pension entzogen. Seine Tochter, ebenfalls Lehrerin in Hamburg, wurde fristlos und ohne Ruhegehalt aus dem Schuldienst, sein Sohn aus dem Jugendamt entlassen. Die Hoefers, die zu dieser Zeit in der Eppendorfer Landstraße wohnten, schlugen sich fortan mit einem kleinen, von dem früheren sozialdemokratischen Bürgerschaftsabgeordneten Kurt Adams vermittelten Kaffeehandel und einer Zimmervermietung durch.

Doch schon bald wurden auch sie zum Ziel der Verfolgung durch die nationalsozialistischen Machthaber und ihrer Organe. Hoefer selbst war in den Jahren 1933 bis 1937 mehrfach in Fuhlsbüttel interniert, sein Sohn verbüßte 1934/35 eine einjährige Gefängnisstrafe wegen "illegaler Arbeit".

Im Zweiten Weltkrieg entstanden engere Kontakte zum kommunistischen Hamburger Widerstand. Hoefer, inzwischen hochbetagt, beteiligte sich zwar nicht aktiv an den Aktionen der Hamburger Kommunisten, versteckte aber 1943 zusammen mit seiner Familie zwei Verfolgte der Bästlein-Widerstandsorganisation in seinem Dassendorfer Wochenendhaus. 1944 wurden Hoefer und seine Tochter Margarete verhaftet und wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" angeklagt. Der "Volksgerichtshof " verurteilte den 76jährigen, inzwischen schwer magenkranken Hoefer zu einem Jahr, seine Tochter Margarete zu sieben Jahren Haft. Hoefers Ehefrau Nicolina, zunächst ebenfalls verhaftet, kam nach neunwöchiger "Schutzhaft" wieder frei.

Hermann Hoefer erlebte das Kriegsende und sah seine Heimatstadt nach Beendigung der Feindseligkeiten für kurze Zeit wieder. Am 23. April 1945 wurde er von sowjetischen Truppen aus dem Zuchthaus Coswig/ Anhalt befreit. Seine Tochter Margarete, die zwei Tage zuvor aus dem Konzentrationslager Griebow befreit worden war, begab sich mit ihrem schwer kranken und stark geschwächten Vater umgehend auf den Weg zurück nach Hamburg. Von mehreren Krankenhausaufenthalten unterbrochen, erreichten sie und ihr Vater Ende November 1945 die Hansestadt. Wenige Wochen nach seiner Heimkehr starb Hermann Hoefer am 13. Dezember in einem Krankenhaus an den Folgen seiner Haft.

© Text mit freundlicher Genehmigung der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg (Hrsg.) entnommen aus: Jörn Lindner/Frank Müller: "Mitglieder der Bürgerschaft – Opfer totalitärer Verfolgung", 3., überarbeitete und ergänzte Auflage, Hamburg 2012

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