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Bereits verlegte Stolpersteine



Karl Kock * 1908

Wilstorfer Straße , Tor 4 der ehem. Phoenix-Werke (Harburg, Harburg)

Hamburg
hingerichtet am 26.6.1944 Widerstandskämpfer

Weitere Stolpersteine in Wilstorfer Straße , Tor 4 der ehem. Phoenix-Werke:
Herbert Bittcher, Willi Milke

Herbert Bittcher, geb. 6.2.1908 in Harburg, zum Tode verurteilt, Suizid am 22.1.1944
Karl Kock, geb. 16.6.1908 in Harburg, zum Tode verurteilt, hingerichtet am 26.6.1944
Wilhelm Milke, geb. 16.9.1896 in Heide (Holst.), zum Tode verurteilt, Suizid am 12.1.1944

Stadtteil Harburg-Altstadt, Wilstorfer Straße, ehem. Phoenix, Eingang Tor 4

Die Harburger Phoenix zählt zu den ältesten Betrieben Harburgs. Die Gründer, die Brüder Albert und Louis Cohen, erhielten am 13. Juni 1856 aus den Händen des Harburger Bürgermeisters August Grumbrecht das Bürgerrecht. Sie hatten von der Stadt den Auftrag bekommen, eine "Fabrik zur Herstellung von Gummischuhen und vulkanisiertem Gummi" zu betreiben. Die Fabrik änderte mehrmals ihren Namen. 1872 schloss sie sich mit einer österreichischen Firma zusammen und hieß nun "Vereinigte Gummiwaren-Fabriken Harburg – Wien". 1922 zerfiel die Firma mit der beginnenden Inflation wieder. Der Harburger Betrieb fir­mierte unter "Harburger Gummiwarenfabriken Phoenix", später "Phoenix-Gummiwerke" und zuletzt "Phoenix AG". Seit 2007, als die Firma Continental ihn übernahm, heisst er "Conti-Tech".

Nach Errichtung der NS-Diktatur wurden alle Betriebe 1934 nach dem "Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit" dem Führerprinzip unterworfen. Der Unternehmer wurde zum "Betriebsführer", dem die "Gefolgschaft" Treue zu halten hatte. Der "Betriebsführer" stellte im Einvernehmen mit der Pseudogewerkschaft "Nationalsozislistische Betriebszellen-Organisation" (NSBO) eine Liste von "Vertrauensräten" auf, die von der "Gefolgschaft" in geheimer Abstimmung bestätigt werden musste. Diese "Vertrauensräte" hatten auf dem Boden des "nationalen Staates" zu stehen, es konnten also nur Mitglieder und Sympathisanten der NSDAP "gewählt" werden. 1934 und 1935 wurden solche Wahlen durchgeführt, führten aber zu für die Nationalsozialisten verheerenden Ergebnissen. Auf der Phoenix wurden nach einem geheimen Bericht der Reichsleitung der NSDAP vom 20. April 1935 nur 1394 Stimmen abgegeben (von möglichen 2347), die Kandidaten erhielten durchschnittlich nur 950 Ja-Stimmen. Nach 1935 wurden keine solchen Wahlen mehr durchgeführt.

In dem Betrieb gab es illegale kommunistische Widerstandszellen. Ein Bericht der KPD-Bezirksleitung Wasserkante sprach von einer zehn Mann starken Zelle auf der Phoenix. Betreut wurden solche Zellen von der Abschnittsleitung Nord der KPD in Kopenhagen. Es gab mehrere Kuriere, die von dort Material nach Harburg und auch auf die Phoenix brachten (siehe unter Felix Plewa). Die Gestapo berichtete im Januar 1938 von der Festnahme eines Kuriers. "Das von Dänemark für die Betriebszelle der Phoenix-Werke nach Hamburg eingeschmuggelte Material war in einem Koffer mit doppeltem Boden versteckt, und auch der eingeführte Taschenspiegel barg in seiner Hülle die kommunistische ‚Rote Fahne‘."

Zur illegalen Gruppe auf der Phoenix gehörten Karl Kock und Wilhelm Milke. 1940 wurde Karl Kock festgenommen. Die Gestapo beschuldigte ihn, eine kommunistische Zelle auf der Phoenix gebildet zu haben. Das Hanseatische Oberlandesgericht sprach ihn 1941 jedoch mangels Beweisen wieder frei. 1942 unterstützten Kock und Milke die Hamburger Widerstandsorganisation um Bästlein, Jacob und Abshagen, die hauptsächlich Stützpunkte auf den Werften und anderen Großbetrieben hatte (siehe unter Karl Kock). Die Kontakte von der Phoenix zur Leitung liefen über Berthold Bormann und Oskar Reincke. Sie halfen auch den auf der Phoenix beschäftigten Kriegsgefangenen, Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen, steckten ihnen Lebensmittel, Rasierzeug und Radios zu.

Im Sommer kamen die von der Gestapo gesuchten Erna Eifler und Wilhelm Fellendorf nach Hamburg. Wilhelm Fellendorf suchte seinen Cousin Herbert Bittcher auf, der in Harburg wohnte und auch auf der Phoenix arbeitete (siehe unter Herbert Bittcher).

Im Oktober 1942 wurden mehrere Kommunisten und andere Unterstützer der Bästlein-Organisation festgenommen. Wilhelm Milke und Herbert Bittcher wurden von der Gestapo auf der Phoenix abgeholt, was im Betrieb einige Unruhe verursachte. Die Gestapo streute das Gerücht aus, die beiden hätten die Phoenix in die Luft sprengen wollen. Auch Karl Kock sollte verhaftet werden. Er war aber krankgeschrieben und nicht im Betrieb, wurde rechtzeitig gewarnt und flüchtete mit Hilfe seiner Freunde mit der Straßenbahn nach Hamburg. Hier versteckte er sich bei Verwandten und Freunden, zuletzt in Harburg bei August Quest am Kapellenweg 15. Am 6. März 1943 stürmte die Polizei das Haus und nahm ihn und Karl Kock fest.

Es folgten die Quälereien in Gestapohaft. Später kamen die Widerstandskämpfer ins Unter­suchungsgefängnis am Holstenglacis. Wilhelm Milke und Herbert Bittcher wurden nach Berlin überstellt, wo am 12. Januar 1944 der Prozess gegen die Unterstützer der Fallschirmspringer stattfand. Beide wurden vom "Volksgerichtshof" zum Tode verurteilt. Wilhelm Milke hat sich noch am gleichen Tag in der Zelle erhängt, Herbert Bittcher am 22. Januar.

Karl Kock wurde vom "Volksgerichtshof" am 8. Mai 1944 zum Tode verurteilt und zusammen mit neun anderen Widerstandskämpfern am 26. Juni im Gefängnis am Holstenglacis hingerichtet.

Die Erinnerung an die Männer wurde wachgehalten: Am 14. September 1947 wurde Karl Kock im Ehrenhain der Widerstandskämpfer auf dem Ohlsdorfer Friedhof bestattet. Am 24.11. 1984 erhielt das Büro der DKP Harburg (Hohe Straße 26) den Namen "Karl-Kock-Centrum" (heute existiert es nicht mehr). Seit 1988 gibt es den Karl-Kock-Weg (in Wilstorf, Abzweigung Radickestraße) und den Bittcherweg (Nähe Mensingstraße).

© Hans-Joachim Meyer

Quellen: VVN-BdA Harburg (Hrsg.), Die anderen, S. 291ff.; Ursel Hochmuth, Niemand, S. 84ff.; VVN-BdA Harburg (Hrsg.), Stumme Zeugen, s. Personenverzeichnis; Streiflichter, S. 341ff.; Friedrich, Werk, S. 9; Heyl/Maronde-Heyl, Abschlussbericht; Totenliste VAN.

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