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Bereits verlegte Stolpersteine



Anna Rosenbaum * 1893

Gustav-Leo-Straße 4 (Hamburg-Nord, Eppendorf)

1941 Lodz
1942 weiterdeportiert

Weitere Stolpersteine in Gustav-Leo-Straße 4:
Anna Schönfeld, Felix-Manfred Schönfeld

Anna (Aenne) Rosenbaum, geb. 23.5.1893 in Hannover, am 25.10.1941 nach Lodz deportiert, im April oder Mai 1942 nach Chelmno weiterdeportiert

Gustav-Leo-Straße 4

Anna Rosenbaum wurde als drittes von vier Kindern des Ehepaares Gustav Rosenbaum und Fanny, geborene Berju, in Hannover geboren. Der Vater stammte aus der Umgebung von Seesen, einem frühen Ort jüdischer Aufklärung in Niedersachsen. Die ältere Schwester Gertrud (1886) heiratete den Kaufmann Emil Ascher aus Parchim. Ihr Bruder Otto (1890) ließ sich als Arzt in Berlin nieder. Wie ihre jüngere Schwester Käthe (1898), verheiratete Mondschein, blieb Anna zunächst in Hannover. Sie erhielt vom zehnten Lebensjahr an eine vorzügliche Ausbildung als Pianistin. Ihre Lehrerin, Mathilde Franke, war von der damals europaweit geschätzten Sophie Menter ausgebildet worden, einer Schülerin von Hans von Bülow und Franz von Liszt. Das war Annas ganzer Stolz. Mit 17 Jahren begann sie, Privatunterricht zu erteilen, wurde aber bald in der Hannoveraner Bildungsanstalt für jüdische Lehrer angestellt, deren Aufgabe es war, den Kindern in den zahlreichen jüdischen Landgemeinden die Voraussetzung für eine religiös fundierte Erziehung zu schaffen. Die Abwanderung vieler Juden und Jüdinnen in die Städte und die Inflation erzwangen die Schließung dieser Einrichtung am 1. April 1922.

Die ledige Anna Rosenbaum begab sich zunächst zu ihrem Bruder nach Berlin, dann aber bald nach Parchim in Mecklenburg, wo sie eine Beschäftigung als Kassiererin im Kaufhaus Hirsch Ascher fand, dessen Inhaber ihr Schwager Emil war.

Ausschreitungen gegen Juden und Jüdinnen – auch Schaufenster des Kaufhauses Ascher wurden 1935 eingeworfen – veranlassten Anna, nach Wuppertal zu gehen, von da nach Hannover und im August 1936 nach Hamburg. Dort hoffte sie wohl, im Schutz einer gewissen Anonymität, Arbeit, Wohnung und Auswanderungschancen zu finden. Sie traf mit den Parchimern, die sich auch dort eingefunden hatten, in der Haynstraße 5 III, einem späteren "Judenhaus", bei Familie Krebs zusammen. Dort scheinen die Schwestern längere Zeit miteinander verbracht zu haben. Anfang 1940, nach Inkrafttreten des "Gesetzes über die Mietverhältnisse mit Juden" zog Anna in die Schlüterstraße zu Frau Selma Schümann, wo sie als Haushaltshilfe arbeitete. Im Mai ging es weiter in die Oderfelder Straße 42 IV zu Familie Arndt und im August in die Alte Rabenstraße 9 zu Ilse Lippstadt (s. dort). Ein knappes Jahr relativer Ruhe begann dann Ende 1940 bei dem Ehepaar Felix und Annie Schönfeld (s. dort), zu dem sie als Haushaltshilfe in den Rehagen 4 zog. "Logis und Verpflegung" waren frei, 40 RM wurden als Lohn gezahlt.

Man könnte meinen, dass Anna Rosenbaum sich auf diese Weise durchs Hamburger Leben schlug, weil sie mittellos war. Weit gefehlt!

Noch im April 1938 gab sie ein Vermögen von 23172 RM an, als dieses für Juden und Jüdinnen meldepflichtig geworden war. Für diesen Betrag hätte sie sich damals eine gute Wohnung und ein unabhängiges Leben leisten können. Als von ihr 1938 nach dem Novemberpogrom die Judenvermögensabgabe gefordert wurde, verfügte sie immer noch über auskömmliche 18835 RM. Bereits im Februar 1940 war dieser Betrag aber überwiegend durch staatliche Eingriffe auf 10049,50 RM zusammengeschmolzen.

Am 8. Februar 1940 musste sie die Devisenstelle sogar um Barauszahlung ihres Lohnes bitten. Offenbar war eine Überweisung unerreichbar auf dem Sperrkonto gelandet. Von ihrem Geld musste sie auch ihre Eltern unterstützen, die ebenfalls nach Hamburg gekommen waren. Die Mutter starb dort schon 1940, der Vater am 14. Februar 1941 im 86. Lebensjahr.

Der Familie ihrer Schwester Gertrud gelang die Auswanderung in die USA. Die Schwester Käthe Mondschein hingegen wurde mit ihrer Familie von Hannover aus deportiert.

Das Jahr bei Schönfelds endete mit dem ersten Hamburger Transport nach Lodz am 25. Oktober 1941. Dort wurde Anna Rosenbaum mit sechs Personen in die Wohnung 22, Blattbindergasse 8/10 eingewiesen, in der sie noch ein halbes Jahr bleiben durfte. Zu dieser Wohngemeinschaft gehörten mit den Ehepaaren Gustav und Emilie sowie Iwan und Elfriede Rosenstein zeitweise weitere "Eppendorfer" (s. dort).

Die im Getto "nutzlose" fünfzigjährige Klavierlehrerin wurde im Frühjahr 1942 in Chelmno mit Autoabgasen ermordet.

Bezüglich der Vermögensverhältnisse bleibt anzumerken, dass die Zweigstelle Eppendorf der Dresdner Bank im März 1942 das Restvermögen von 2093 RM an die Oberfinanzkasse Hamburg überweisen musste, ebenso wie einen allerletzten Rest von 116,68 RM am Jahresende, als Anna Rosenbaum längst tot war.

© Dietrich Rauchenberger

Quellen: 1; StaH 314-15 OFP, R 1940/75; StaH 351-11 AfW, 230593 Rosenbaum, Anna; Adressbuch der Stadt Parchim 1933; Kaelke, Wolfgang, Museum Parchim, Auskunft v. 4.5.2010; Schulze, Dr. Peter, Stadtarchiv Hannover, Auskunft v. 6.5.2010.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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