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Bereits verlegte Stolpersteine



Dr. Rahel Liebeschütz-Plaut * 1894

Martinistraße 52 / UKE, vor dem neuen Hauptgebäude (Hamburg-Nord, Eppendorf)


Dr. RAHEL
LIEBESCHÜTZ-PLAUT
JG. 1894
FLUCHT 1938
ENGLAND
ÜBERLEBT

Weitere Stolpersteine in Martinistraße 52 / UKE, vor dem neuen Hauptgebäude:
Dr. Ernst Delbanco, Dr. Walter Griesbach, Dr. Arthur Haim, Dr. Erwin Jacobsthal, Dr. Hermann Josephy, Dr. Victor Kafka, Dr. Otto Kestner, Dr. Paul Kimmelstiel, Dr. Walter Kirschbaum, Dr. Martin Mayer, Dr. Ernst-Friedrich Müller, Dr. Heinrich Poll, Dr. Ernst Sieburg, Dr. Hans Türkheim, Dr. Friedrich Wohlwill

Rahel Liebeschütz-Plaut, geb. Plaut, geb. 21.6.1894, Flucht 1938 nach England

Neue Rabenstraße 21

Martinistraße 52 (UKE, vor dem neuen Hauptgebäude)

Rahel Liebeschütz-Plaut wurde am 21. Juni 1894 als Tochter des Bakteriologen und Leiters des Pilzinstituts in Eppendorf, Hugo Carl Plaut, sowie seiner Frau Adele geboren. Mit ihren drei älteren Geschwistern Theodor, Hubert und Carla wurde sie zu Hause durch Hauslehrer und die Eltern unterrichtet, bis sie 1908 mit 15 Jahren das erste für Mädchen zugelassene Realgymnasium besuchte und die Hochschulreife durch eine externe Prüfung am Johanneum erwarb.

Rahel Plaut studierte Medizin in Freiburg, Kiel und Bonn, wo sie im Frühjahr 1918 das Staatsexamen ablegte. Zunächst arbeitete sie als Medizinalpraktikantin im Israelitischen Krankenhaus und als Volontärärztin im Eppendorfer Krankenhaus in der Inneren Abteilung. Im September 1919 wurde sie wie alle Ärztinnen entlassen, um Kriegsheimkehrern Platz zu machen. Der Leiter des Physiologischen Instituts, Otto Kestner, der auch mit ihrem Vater befreundet war, bot ihr eine Assistentenstelle an.

Von 1919 bis 1924 arbeitete sie als Wissenschaftlerin am Physiologischen Institut und veröffentlichte, zum Teil gemeinsam mit Kollegen oder Otto Kestner, 27 wissenschaftliche Arbeiten. Sie habilitierte sich 1923 als erste Ärztin an der Medizinischen Fakultät Hamburg und als dritte Ärztin in Deutschland überhaupt mit einer Arbeit über die Sperrung des Skelettmuskels.

Als sie 1924 den Historiker Hans Liebeschütz heiratete, wurde sie vom Senat wegen des sogenannten Doppelverdiener-Paragraphen entlassen. Ihre Lehrtätigkeit setzte sie trotz der Geburt von drei Kindern fort.

Aus dem sozialen Leben der überwiegend männlichen Ärzte wurde sie ausgegrenzt. Einige Kollegen grüßten sie nicht, wenn sie sich auf dem weitläufigen Gelände des Krankenhauses begegneten. Das Ärztecasino, berühmt und berüchtigt, Kantine und sozialer Treffpunkt der Ärzte, durften Frauen nicht betreten. Als Privatdozentin saß sie wie die wenigen anderen Ärztinnen in der Kantine an einem kleinen Tisch für Frauen neben dem großen Tisch für die männlichen Medizinalpraktikanten.

1933 wurde Rahel Liebeschütz-Plaut von den Nationalsozialisten, wie allen anderen jüdischen Kolleginnen und Kollegen auch, die Lehrerlaubnis aberkannt, und sie musste damit die Arbeit an der Universität beenden. 1938 wurde allen jüdischen Ärzten auch die Approbation aberkannt, sie durften sich nur noch "Krankenbehandler" nennen.

Mit ihrer Familie emigrierte sie im Dezember 1938 nach England. Ausgelastet mit der Versorgung ihrer Kinder sowie ihrer Mutter und Schwiegermutter war sie nicht mehr als Wissenschaftlerin tätig. Sie arbeitete noch als 90jährige ehrenamtlich beim Women`s Royal Voluntary Service, um dem Land, das sie aufgenommen hatte, etwas zurückzugeben.

Nach Deutschland kehrte sie nach Ende des Zweiten Weltkrieges nur noch zu Besuchen von den Freunden zurück, die ihnen bis 1938 zur Seite gestanden hatten.

1989 wurde sie als Ehrengast der Medizinischen Fakultät zur 100-Jahrfeier des Krankenhauses Eppendorf eingeladen und konnte in Begleitung ihrer Tochter mit 95 Jahren ihre Rehabilitierung und Anerkennung ihrer Wissenschaftlichen Arbeit erfahren.

Rahel Liebeschütz-Plaut starb fast 100jährig am 22. Dezember 1993 in Hull, England, wo sie bei ihrer Tochter gelebt hatte.

Stand: Dezember 2020
© Doris Fischer-Radizi

Quelle: Doris Fischer-Radizi, Vertrieben aus Hamburg. Die Ärztin Rahel Liebeschütz-Plaut. Göttingen 2019. Wallsteinverlag (dort weitere Quellen- und Literaturangaben).

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