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Bereits verlegte Stolpersteine



Henry Polles * 1890

Vereinsstraße 7 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)

1941 Minsk
ermordet 24.01.1945 Neuengamme

Weitere Stolpersteine in Vereinsstraße 7:
Rolf Wilhelm Simon, Auguste Spitzkopf, Alfred Spitzkopf, Kurt Spitzkopf, Ruth Spitzkopf, Charlotte Spitzkopf, Heinz Ruben Spitzkopf

Henry Polles, geb. am 5.5.1890 in Geyer/Sachsen, am 8.11.1941 von Hamburg nach Minsk deportiert, am 24.1.1945 in Bremen-Blumenthal, Außenlager des KZ Neuengamme, gestorben

Vereinsstraße 7

1927 wurde Henry Polles erstmals als Mitglied der Jüdischen Gemeinde in Hamburg registriert. Ob er erst in jenem Jahr nach Hamburg zog und wo er bis dahin lebte, ist nicht bekannt. Seine Eltern Mathilde und David Polles hatten bereits im April 1903 – als er gerade 13 Jahre alt war – seinen Geburtsort Geyer im Erzgebirge verlassen, um nach Leipzig überzusiedeln.

Mathilde Polles war 1853 als Tocher einer Familie Fürth in Prag, das zu Österreich-Ungarn gehörte, zur Welt gekommen; ihr ein Jahr älterer Ehemann stammte aus Warschau, damals ein Teil von Russland. Beide hatten sich nach ihrer Heirat in Geyer niedergelassen. Dort führte der Kaufmann David Polles ein Geschäft, in dem er von Korsetts über Handtücher, Teppiche und Seidenwaren bis hin zu Damen-, Herren- und Kinderkleidung alles offerierte, was unter "Schnittwaren" fiel. Die großen Verkaufsräume mit mehreren Schaufenstern und Vitrinen lagen im Erdgeschoss eines einstöckigen Hauses an der breiten Zwönitzerstraße, in der Etage darüber wohnte die Familie. David Polles muss sich mit seinem Geschäft in Geyer einen Namen gemacht haben, denn auch sein Nachfolger, Alex Liebenthal, firmierte, wie eine Anzeige in der Festschrift zum Heimatfest 1905 zeigt, unter "D. Polles Nachf."

Mathilde und David Polles bekamen drei Kinder. Der älteste Sohn wurde im Oktober 1884 geboren und trug den Namen Julian Richard. Hugo kam fast auf den Tag genau drei Jahre später zur Welt. Er wurde nicht einmal ein Jahr alt. 1888 starb er im Alter von sieben Monaten in der elterlichen Wohnung. Der jüngste Sohn erhielt den Namen Henry und war sechs Jahre jünger als Richard.

Wie sein Vater übte Henry Polles den Beruf des Kaufmanns aus, allerdings als Angestellter. So arbeitete er in Hamburg zunächst als Buchhalter im renommierten Kaufhaus Bucky in der Eimsbütteler Chaussee, später bei der Kurzwarenfabrik L. Wagner in der Elbstraße 70. Zwischen 1929 und 1934 lebte er vorübergehend nicht in Hamburg, ab 1934 stand er dann in der Hansestadt wieder in Lohn und Brot. Eine Familie gründete er in all den Jahren nicht, auch hatte er keine eigene Wohnung, sondern lebte stets zur Untermiete und wechselte fast jährlich das Zimmer. Ab Anfang 1939 war er immer wieder arbeitslos oder nur kurzfristig beschäftigt. Henrys älterer Bruder Richard lebte in Berlin in der Grellstraße 66. Am 7. August 1940 brachte die Gestapo ihn ins KZ Sachsenhausen, wo er vier Tage später starb.

Henry Polles wurde am 8. November 1941, da war er 51 Jahre alt, von Hamburg aus nach Minsk deportiert. Zu der Zeit bewohnte er ein Zimmer bei einer Frau Rimberg in der Karolinenstraße 6. Wann er in der Vereinsstraße 7 wohnte, wo heute vor Nachkriegsbauten der Stolperstein für ihn liegt, ließ sich nicht ermitteln.

Lange hielt Henry Polles in Minsk dem Terror der SS stand. Heinz Rosenberg, einer der wenigen Überlebenden des Gettos, erwähnt ihn in seinem Buch "Jahre des Schreckens". Nach der Auflösung des Gettos im Oktober 1943 wurde Rosenberg ebenso wie Polles und zahlreiche andere, vor allem junge und alleinstehende Männer, aus Minsk weggebracht. Gemeinsam durchlitten sie eine Schreckensodyssee durch zehn Zwangsarbeits- und Vernichtungs­lager: Treblinka, Budzyń 1 und Budzyń 2 (Heinkel-Flugzeugbau), Rzeszow/Reichshof (Daimler- Benz), Plaszow, Wieliczka, Flossenbürg, Colmar, Sachsenhausen, Bremen-Blumenthal und Bremen-Schützenhof. Die beiden Letztgenannten waren Außenlager des KZs Neuengamme. Nach Bremen-Schützenhof gelangte Henry Polles vermutlich im Dezember 1944. In dem Monat kamen dort Hunderte von Häftlingen an, die bereits in Blumenthal Zwangsarbeit für die zum Krupp-Konzern gehörende Deschimag (Deutsche Schiffs- und Maschinenbau AG) geleistet hatten. Sie wurden nun, ebenfalls für die Deschimag, bei der Herstellung von U-Boot-Teilen und dem Bau des U-Boot-Bunkers "Hornisse" eingesetzt. Heinz Rosenberg beschrieb die Situation der in Schützenhof Inhaftierten in seinem Buch: "In diesen Wochen [gemeint ist Januar 1945; fs] verloren viele Gefangene ihr Leben. Jeden Abend mußten zehn bis fünfzehn entweder getragen oder auf einem Karren gefahren werden. Im Lager lud man sie ab, und ein sogenannter SS-Lager-Arzt und der Lagerälteste schlugen sie so lange, bis sie entweder starben oder wegkrochen, um am nächsten Tag wieder zu arbeiten. Täglich starben etwa zehn Personen". Henry Polles überlebte bis zum 24. Januar 1945.

© Frauke Steinhäuser

Quellen: 1; 4; 5; 8; Archiv der Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen; Stadt Ehrenfriedersdorf, Standesamt; Stadtarchiv Geyer; Festschrift Heimatfest Geyer/Erzgebirge, 1905; Die Toten – Konzentrationslager Neuengamme (Datenbank); KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Außenlager und Gedenkstätten: Bremen-Blumenthal, Bremen Schützenhof: http://kurzurl.net/V3H5h (Zugriff 4.1.2012); Amtliches Fernsprechbuch Hamburg 1937; Rosenberg, Jahre des Schreckens, S. 88 u. 139.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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