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Bereits verlegte Stolpersteine



Betty Meyer * 1875

Wexstraße 29 (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
BETTY MEYER
JG. 1875
EINGEWIESEN 1935
HEILANSTALT LANGENHORN
"VERLEGT" 23.9.1940
BRANDENBURG
ERMORDET 23.9.1940
"AKTION T4"

Weitere Stolpersteine in Wexstraße 29:
Herbert Meyer

Betty Meyer, geb. am 15.10.1875 in Hamburg, ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Stolperstein Hamburg-Neustadt, Wexstraße 29

Betty Meyer kam am 15. Oktober 1875 als Tochter des Kaufmanns Adolph Meyer, geboren am 21. Mai 1849, und seiner Ehefrau Mathilde, geborene Wolffsohn, geboren am 8. September 1843, zur Welt. Die Eltern stammten aus Hamburg, sie hatten dort am 5. Mai 1874 geheiratet und bekannten sich zum jüdischen Glauben. Bei Bettys Geburt wohnte das Ehepaar Meyer in der Wexstraße 29 in der Hamburger Neustadt.

Betty Meyer erhielt ihren Vornamen nach ihrer Großmutter mütterlicherseits. Über Bettys Leben sind nur spärliche Informationen zugänglich. Ihr Vater starb, als sie vier Jahre alt war, am 17. November 1879 in der "Irrenanstalt Friedrichsberg”. Er hatte seine Ehefrau für den Fall seines Todes aufgefordert, für Betty Vormünder bestellen zu lassen. Bettys Mutter war damit einverstanden, zumal sie nicht selbst Vormund ihrer Tochter werden wollte. So übernahmen die am Alten Wall 48 residierenden Kaufleute Hermann Simonsen und Julius Cronheim 1882 die Vormundschaft für Betty Meyer. Mutter und Tochter verfügten über keinerlei Vermögen. Mathilde Meyer handelte mit Lotterielosen. Doch brachte dies so wenig ein, dass beide von ihrer Familie unterhalten werden mussten. Das Vormundschaftsverhältnis endete 1896 mit Bettys Volljährigkeit.

Mathilde Meyer, Bettys Mutter, starb am 23. Juli 1914 in ihrer Wohnung in der Grindelallee 110, in der sie seit etwa 1905 gelebt hatte.

14 Jahre später, im Juni 1928, wurde Betty Meyer Patientin der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg. Ihre Patienten-Karteikarte enthält den Hinweis "Stand ohne". Damit war gemeint, dass sie keinen Beruf hatte bzw. nicht berufstätig war. Grund und Dauer des Aufenthalts in dieser Anstalt kennen wir nicht. Wir wissen auch nicht, wo sie seit dem Tod ihrer Mutter bis zur Einweisung in Friedrichsberg gewohnt hatte.

Sieben Jahre blieb Betty Meyer in Friedrichsberg, bis sie am 7. Juni 1935 in die Staatskrankenanstalt Langenhorn wechseln musste. Hier lebte sie in den folgenden fünf Jahren.

Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen. Nachdem alle jüdischen Patienten aus den norddeutschen Anstalten in Langenhorn eingetroffen waren, wurden sie gemeinsam mit den dort bereits länger lebenden jüdischen Patienten am 23. September 1940 nach Brandenburg an der Havel transportiert. Unter ihnen war Betty Meyer. Noch am selben Tag wurden die Patientinnen und Patienten in dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses mit Kohlenmonoxyd getötet. Nur eine Patientin, Ilse Herta Zachmann, entkam diesem Schicksal zunächst (siehe dort).

Es ist nicht bekannt, ob und ggf. wann Angehörige Kenntnis vom Tod Betty Meyers erhielten. Auf dem Geburtsregistereintrag von Betty Meyer wurde notiert, dass ihr Tod am am 11. Februar 1941 registriert worden sei. Das Standesamt "Cholm II (Generalgouvernement)" soll den Todesfall unter der Nr. 304/1941 erfasst haben. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Cholm (polnisch Chelm), einer Stadt östlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Cholm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

Stand: November 2017
© Ingo Wille

Quellen: 1; 4; 5; 9; AB; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 232-1 Vormundschaftsbehörde Serie III_1206 Betty Meyer; 332-3 Zivilstandsaufsicht A 213 Geburtsregister Nr. 7818/1875 Betty Meyer; 332-5 Standesämter 8020 Sterberegister Nr. 336/1914 Mathilde Meyer geb. Wolffsohn; 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26.8.1939 bis 27.1.1941; UKE/IGEM, Archiv, Patienten-Karteikarte Betty Meyer der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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