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Bereits verlegte Stolpersteine



Bronislawa Luise Dorothea Mattersdorf * 1899

ohne Hamburger Adresse


ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Weitere Stolpersteine in ohne Hamburger Adresse :
Dr. Hans Bloch, Felix Cohn, Moraka Farbstein, Erland Walter Friedmann, Richard Guth, Martha Havelland, Albert Hirsch, Auguste Hirschkowitz, Sophie Kasarnowsky, Ernestine Levy, Richard Levy, Hannchen Lewin, Karl Friedrich Michael, Lucie Rothschild, Dorothea Dorthy Silberberg, Wilhelm Süsser, Anna Luise (Louise Hedwig) Weimann, Salo Weinberg

Bronislawa Luise Dorothea Mattersdorf, geb. am 11.2.1899 in Berlin, ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Ohne Stolperstein

Luise Mattersdorf kam am 11. Februar 1899 in Berlin, Friedrichstraße 106, als Tochter des Rechtsanwalts Franz August Mattersdorf, geboren am 29. September 1863 in Breslau, und Gitel, geborene Natansohn, zur Welt. Luises Eltern bekannten sich zum jüdischen Glauben. Für die Lebensgeschichte von Luise Mattersdorf stehen keine Informationen über ihre Kindheit, ihre Jugend und die Gründe für ihren Aufenthalt in einer psychiatrischen Einrichtung zur Verfügung. Wahrscheinlich starb ihre Mutter zu Beginn des 20. Jahrhunderts, denn Franz August Mattersdorf, nun Justizrat, heiratete am 19. Dezember 1916 die Geschäftsleiterin Selma Michaelis, geboren am 31. März 1864 in Berlin.

Luise Mattersdorf lebte in den 1930er Jahren in der "Privatanstalt Fräulein Clausen" in Friedrichsfeld in der Gemeinde Prinzenmoor in der Nähe von Rendsburg. Im Meldeverzeichnis von Friedrichsfeld ist Luise Mattersdorf ohne Angabe des genauen Aufnahmedatums aufgeführt.

In Friedrichsfeld war 1883 auf dem Gelände eines früheren Glashüttenwerks eine private Einrichtung für "nerven- und gemütskranke Damen" entstanden. Die Kranken stammten zumeist aus "besseren" Familien, die sich die gehobene Unterbringung leisten konnten. In einem Prospekt der Einrichtung hieß es: "Die Besitzung Friedrichsfeld, unweit der Eider gelegen, bietet nerven- und gemütskranken Damen, die nicht in eine grosse Anstalt wollen und doch in der Familie nicht bleiben können, einen ruhigen und gesunden Aufenthalt." Zwischen 1910 und 1942 leiteten die beiden Schwestern Margarethe und Cäcilie Clausen ihre Einrichtung, deren Kapazität auf ca. 35 Bewohnerinnen begrenzt war. Die Verwandten der ledigen Luise Mattersdorf waren offenbar in der Lage, die Kosten dieser gehobenen Unterbringung zu übernehmen.

Luise Mattersdorf wurde am 18. September 1940 in die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn verlegt. Dem war Folgendes vorausgegangen:

Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen.

Nachdem alle jüdischen Patienten aus den norddeutschen Anstalten in Langenhorn eingetroffen waren, wurden sie am 23. September 1940 gemeinsam mit den dort bereits länger lebenden jüdischen Patienten in einem Transport von insgesamt 136 Menschen nach Brandenburg an der Havel gebracht. Noch am selben Tag wurden sie in dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses mit Kohlenmonoxyd getötet. Nur Ilse Herta Zachmann entkam zunächst diesem Schicksal (siehe dort).

Es ist nicht bekannt, ob und ggf. wann Angehörige Kenntnis von Luise Mattersdorfs Tod erhielten. In allen dokumentierten Mitteilungen wurde behauptet, dass der oder die Betroffene in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch) östlich von Lublin verstorben sei. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm/Cholm. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Chelm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

Auch Luise Mattersdorfs Vater Franz August kam im Holocaust ums Leben. Er wurde am 24. September 1942 aus Berlin nach Theresienstadt deportiert und starb dort am 4. Oktober 1942. Seine zweite Ehefrau war bereits Ende der 1930er Jahre gestorben.

Von Luise Mattersdorf ist keine persönliche Adresse in Hamburg bekannt, so dass kein individueller Ort bestimmt werden kann, an dem ihrer mit einem Stolperstein gedacht werden könnte.

Stand: November 2017
© Ingo Wille

Quellen: 3; 5; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 352-3 Medizinalkollegium I H 13 Friedrichsfeld 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26.8.1939 bis 27.1.1941 Landesarchiv Berlin, Geburtsregister Nr. 257/1899 Luise Mattersdorf, Nr. 399/1916 Heiratsregistereintrag Franz August Mattersdorf/Selma Michaelis; Gemeinde Prinzenmoor, Melderegisterauszug Friedrichsmoor 1931–1933; JSHD Forschungsgruppe "Juden in Schleswig-Holstein", Datenpool Erich Koch, Schleswig. Rust, Jürgen (Red.), Prinzenmoor in Geschichte und Gegenwart, Prinzenmoor 2008, S. 124ff.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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