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Bereits verlegte Stolpersteine



Erich Hippel * 1917

Wolfgangsweg 12 (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
ERICH HIPPEL
JG. 1917
SEIT DEZ. 1942 MEHRMALS
DESERTIERT / VERHAFTET
WESERMÜNDE-BREMERHAVEN
FELDGERICHT BREMERHAVEN
TODESURTEIL 3.2.1944
HINGERICHTET 2.3.1944
RAHLSTEDT-HÖLTIGBAUM

Weitere Stolpersteine in Wolfgangsweg 12:
Franz Gilde, Helmut Nehrig, Otto Schnatbaum, James Seland

Erich Hippel, geb. am 7.7.1917 in Arnswalde/Neumark, erschossen 2.3.1944 auf dem Schießplatz Hamburg-Höltigbaum

Wolfgangsweg 12 (Seemannsheim)

Erich Hippel stammte aus Arnswalde in der Neumark. Wir wissen nichts über seine Kindheit und Jugendzeit, außer dass er mehrfach wegen kleinerer Delikte aufgefallen war. Mit der "Machtergreifung" der Nationalsozialisten wurde deren "Rassenhygiene" zum Maßstab für den Umgang mit den einzelnen Bürgern, d.h. das "schlechte" Erbgut physisch, psychisch, sensorisch (Taubheit, Blindheit) und geistig behinderter Menschen, sogenannter Asozialer und "Fremdrassiger" sollte aus dem "Volkskörper" entfernt werden. In diese Gruppe fiel nach Ansicht der Behörden auch Erich Hippel. Das Erbgesundheitsgericht Göttingen ordnete gegen den 17-Jährigen mit der Begründung "angeboren schwachsinnig" am 26. Oktober 1934 die Sterilisation an. Im NS-Staat gab es 205 Erbgesundheitsgerichte, die sich jeweils aus einem Mediziner, einem Psychiater und einem Juristen zusammensetzten. Die Urteile wurden, nach der Abarbeitung von "Intelligenzprüfbögen", im Sinne der NS-Ideologie und der erbbiologischen Wissenschaft in nichtöffentlichen Sitzungen gefällt. Erich Hippel wurde am 17. Januar 1935 in der Universitätsklinik Göttingen sterilisiert.

Vermutlich, um sich seiner nationalsozialistischen Umgebung anzupassen, verschaffte sich Erich Hippel "unberechtigt" eine "parteiamtliche Uniform mit Abzeichen" und gab sich als Mitglied der Hitlerjugend aus. Deswegen und wegen eines Diebstahls verurteilte ihn das Landgericht Berlin als 20-Jährigen im November 1937 zu sieben Monaten Gefängnis.

Als der Zweite Weltkrieg begann, fuhr er zur See. Als Angehöriger der Handelsmarine, wo er als Trimmer, Kochsmaat und Bäcker arbeitete, war er ab Januar 1942 bei der Kriegsmarine dienstverpflichtet. Er war auf dem Tankschiff der U-Boot-Flottille in Norwegen "Pelagos", der "Oxhöft" und dem Schleppdampfer "Nordstern" eingesetzt und seit 9. November 1942 auf dem Kriegstransporter K.T.3 im Norwegenverkehr. Unterkunft hatte er zeitweilig im Seemannsheim der Deutschen Seemannsmission in Hamburg im Wolfgangsweg 12 gegenüber der Überseebrücke. Obwohl er keinen Waffendienst leistete, unterstand Erich Hippel als Angehöriger der Kriegsmarine der Militärgerichtsbarkeit.

Wegen verspäteter Rückkehr aus dem Lazarett Ohrdruf/Thüringen wurde er verhaftet und am 7. Dezember 1942 in das Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis (WUG) Hamburg-Altona (Gerichtstraße 2) eingewiesen. Bei einer Untersuchung gelang ihm im Dezember 1942 die Flucht nach Berlin, wo er erst am 10. Juni 1943 von einer Wehrmachtsstreife unter Schusswaffeneinsatz festgenommen wurde. Aufgrund der Kriegslage wurde er zum Gericht des Küstenbefehlshabers Deutsche Bucht in Wesermünde-Bremerhaven überstellt. Auch hier unternahm er im September 1943 einen Fluchtversuch, wurde aber nach kurzer Verfolgung gefasst. Das Gericht verurteilte ihn daraufhin am 11. November 1943 wegen zweier Fälle von Fahnenflucht zu 10 Jahren Zuchthaus.

Doch am 5. Januar 1944 flüchtete er erneut und wurde zwei Wochen später im Raum Bremen verhaftet. Das Feldgericht des Küstenbefehlshabers Deutsche Bucht Zweigstelle Wesermünde-Bremerhaven verurteilte den nun 27-Jährigen wegen "Fahnenflucht im Felde in drei Fällen und wegen unerlaubter Entfernung" am 3. Februar 1944 zum Tode. Das Feldgericht setzte sich aus Marinehilfskriegsgerichtsrat Schlegel als Richter, Marinehilfskriegsgerichtsrat Hense als Vertreter der Anklage sowie Korvettenkapitän Hille und Maschinen Obermaat Kanne als militärische Beisitzer zusammen. Admiral Walter Lohmann (1891–1955) bestimmte am 27. Februar 1944, wer die Erschießung vornehmen sollte: "Die Marinebordflakkompanie Hamburg-Neuhof wird mit der Gestellung des Vollzugskommandos (1 Offizier 10 Mann Vollzugskommando und 1 Zug) beauftragt. Als leitenden Offizier bestimme ich den Kapitänleutnant Schulz von der Stabskompanie KMD Hamburg, als teilnehmenden Sanitätsoffizier: Marinestabsarzt Passmann. Als Gerichtsperson nimmt teil: Marinehilfskriegsgerichtsrat Löning."

Erich Hippel wurde am 2. März 1944 morgens um 8 Uhr auf dem Schießplatz Höltigbaum (Hamburg-Rahlstedt) gefesselt und mit verbundenen Augen aus fünf Schritt Entfernung erschossen. Seine Leiche wurde in das Reservelazarett V Hamburg-Wandsbek (Bramfelder Straße 219, heute Lesserstraße 180) überführt und blieb dort bis zum Friedhofsabtransport. Bestattet wurde er laut Deutscher Dienststelle (WASt) auf dem Ohlsdorfer Friedhof (Grablage Z 40 -1-33). Erst am 15. Februar 1945, fast ein Jahr später, wurde sein Tod beim zuständigen Standesamt Hamburg-Rahlstedt im Sterberegister eingetragen. Als Todesursache wurde "hingerichtet gemäß Feldurteil" angegeben.

Im Mai 2002 wurden die Deserteure der Wehrmacht pauschal rehabilitiert, die Kriegsgerichte für die Todesurteile jedoch juristisch nicht zur Verantwortung gezogen. Nach Erich Hippel wurde im Neubaugebiet Jenfelder Au eine Straße benannt. Ein Stolperstein vor dem ehemaligen Seemannsheim, dessen Adresse auf der Sterbeurkunde vermerkt war, wurde für ihn 2017 beantragt.


Stand: Juli 2018
© Björn Eggert

Quellen: StaH, 332-5 (Standesämter), 4414 u. 43/1945 (Sterbeeintrag); Deutsche Dienststelle (WASt), Berlin; Auer: über Erich Hippel in: Landeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Gedenken, S. 53-55; Garbe/Koch/Skowronski: Deserteure, S. 24 (Walter Lohmann); Scherer: "Asozial", S. 95, 112; www.wlb-stuttgart.de/seekrieg/miszellen/kt3.htm (eingesehen 18.8.2015); http://www.hamburger-wochenblatt.de/tonndorf/lokales/jenfeld-setzt-zeichen-gegen-das-vergessen-d38007.html (eingesehen 8.3.2017).

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