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Sina Paratschenko * 1944

Essener Straße 54 (Hamburg-Nord, Langenhorn)


SINA
PARATSCHENKO
GEB. 21.12.1944
ERMORDET 3.5.1945

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Sina Paratschenko, geb. am 21.12.1944 in Hamburg, gestorben am 3.5.1945

Essener Straße 54
(früher Lager Tannenkoppel, Weg 4, auch "Tarpenbek" genannt
Zwangsarbeitslager der Rüstungsindustrie in Hamburg Langenhorn)


Sina Paratschenko kam am 21. Dezember 1944 in Hamburg zur Welt. Ihre Mutter Maria Paratschenko, geb. am 20.6.1919 in Annenko, war römisch-katholischen Glaubens und ledig. Aus ihrer Heimat Ukraine verschleppt, musste sie in Hamburg-Langenhorn für die Hanseatische Kettenwerk GmbH (HAK) und / oder die Deutsche Meßapparate GmbH (Messap) Zwangsarbeit leisten. Im Lager Tannenkoppel, Weg 4, war sie untergebracht.

Am Tag der Geburt ihres Kindes wurde Maria Paratschenko in der Frauenklinik
Finkenau, Hamburg-Uhlenhorst, aufgenommen. Acht Tage nach der Entbindung, am 29. Dezember 1944, kam sie mit ihrer Tochter Sina zurück in das Lager Tannenkoppel. In diesem Zwangsarbeitslager musste Sina die kurze Zeit ihres Lebens verbringen. Die Ernährungs- und Lebensbedingungen waren für sie dort völlig unzureichend.

Am 1. Februar 1945 kam sie mit einer Lungenentzündung in das Universitätskrankenhaus Eppendorf. Gemäß der Krankenhausliste wäre sie nach Kriegsende am 17. Mai 1945 in das Lager Tannenkoppel entlassen worden. Dem war aber nicht so.

Am 10. Februar 1945 wurde sie vom Universitätskrankenhaus mit der Diagnose "Dys-pepsie und Pneunomie" (Verdauungsstörung und Lungenentzündung) in das Hamburger Ausweichkrankenhaus Wintermoor eingeliefert. Fast drei Monate später, am 3. Mai 1945, dem Tag der Kapitulation Hamburgs und Übergabe der Hansestadt an die Briti-sche Armee, verstarb sie in "Ehrhorn, Kreis Soltau, Krankenhaus-Sonderanlagen Aktion Brandt Anlage Wintermoor" um 6:30 Uhr.

Als Todesursache ist von Dr. Dieckmann "Bronchopneumonie" (Lungenentzündung) "Keuchhusten" angegeben.

Die Todesbescheinigung mit dem Aufdruck "Aktion Brandt" deutet darauf hin, dass Sina durch gezielte Vernachlässigung, durch Verhungernlassen oder eine Überdosis von
Medikamenten getötet wurde, wie auch im Mai 1944 die Säuglinge aus dem Lager
Tannenkoppel Serge Duvert und Genja Woronez.

Sina wurde 4 Monate, 1 Woche und 5 Tage alt.

Sie wurde auf dem Waldfriedhof Wintermoor beigesetzt, Grablage W88.

Bei der von Karl Brandt, Generalkommissar für das Sanitäts- und Gesundheitswesen, geleiteten und nach ihm benannten "Aktion Brandt" wurden ab 1943 Patientinnen und Patienten aus Heil- und Pflegeanstalten in andere Pflegestätten und
Ausweichkrankenhäuser verlegt, offiziell um Bettenplätze für die zunehmende Anzahl von Kriegsverletzten freizumachen.

Vielfach wurden sie dort durch gezielte Vernachlässigung, Verhungernlassen oder eine Überdosierung von Medikamenten getötet. Die "Aktion Brandt" wird deshalb als
"regionalisierte Euthanasie" oder als "dezentrale Euthanasie" bezeichnet. Sie stand in der Nachfolge der "T 4-Aktion", der gezielten "Euthanasie"-Ermordung von
psychiatrischen Patientinnen und Patienten, die auf Grund des Widerstandes von
Kirchenvertretern beider Konfessionen, von Teilen der Bevölkerung und einiger
Anstalten im August 1941 offiziell eingestellt worden war.

Karl Brandt wurde im Jahre 1947 bei dem Nürnberger "Ärzteprozess" als einer der Hauptverantwortlichen der NS-"Euthanasie"-Verbrechen zum Tode verurteilt und im Jahr darauf hingerichtet.

Die "Krankenhaus-Anlage-Wintermoor” wurde 1942/43 als Hamburger
Ausweichkrankenhaus mit Zwangsarbeitern, sowjetischen Kriegsgefangenen und
italienischen Militärinternierten aufgebaut, unter der Leitung der "Organisation Todt" (OT), einer paramilitärisch gegliederten Sonderorganisation des NS-Staates, die kriegswichtige Bauprojekte durchführte. Nach dem Unfalltod ihres Gründers und
Organisators Fritz Todt im Februar 1942 wurde die Leitung Albert Speer, Reichsminister für Bewaffnung und Munition, übertragen. Elf sowjetische Kriegsgefangene von etwa 100 Kriegsgefangenen des Außenlagers StaLag Sandbostel, die in einer Holzbaracke in Ehrhorn untergebracht waren und beim Aufbau des Krankenhauses Wintermoor ums Leben kamen, sind namentlich bekannt. Polnische Zwangsarbeiterinnen arbeiteten im Krankenhausbetrieb in der Küche und als Reinigungskräfte.

Stand: Oktober 2021
© Margot Löhr

Quellen: Standesamt Hamburg-Uhlenhorst, Geburtsregister 1944 Sina Paratschenko; StaH 332-8, A 48 Alphabetische Meldekartei der Ausländer 1939-1945; Krankenhaus-Sonderanlagen in Ehrhorn/ Kreis Soltau, Sterberegister 150/1945 Sina Paratschenko; Krankenhaus-Sonderanlagen Aktion Brandt, Anlage Wintermoor Todesbescheinigung 150/1945 Sina Paratschenko; ITS Archives, Bad Arolsen, Krankenhausliste Frauenklinik Finkenau Copy of 2.1.2.1 / 70646057, Krankenhausliste Krankenhaus Wintermoor Copy of 2.1.2.1 / 70646191, Sterbeurkunde, Todesbescheinigung Copy of 2.2.2.4 / 77097113 Sina Paratschenko, / DE ITS 2.1.2.1 NI 063 4 RUS/70742304/70742316, DE ITS 2.1.2.1 HA 001 9 RUS ZM/70646455; http://www.zwangsarbeit-in-hamburg.de, eingesehen 17.02.2016.https://archiv-wintermoor.de/allgemein/zwangsarbeit, eingesehen 12.1.2017,http://www.gedenkorte-europa.eu/de_de/article-organisation-todt-ot.html, ein-gesehen 12.1.2017.

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