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Bereits verlegte Stolpersteine



Sofie Wiesenfeld * 1876

Eimsbütteler Chaussee 25 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


HIER WOHNTE
SOFIE WIESENFELD
JG. 1876
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
MINSK

Weitere Stolpersteine in Eimsbütteler Chaussee 25:
Johanna Magnus, Klara Magnus, Moses Samuel Magnus, Paul Meyer

Sofie Wiesenfeld, geb. am 6.9.1876 in Apen/ Ammerland, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk, ermordet

Eimsbütteler Chaussee 25

Wir erfuhren wenig über das Leben der unverheirateten Sofie Wiesenfeld. Sie wuchs mit mehreren Geschwistern auf: Rosa (1867-1914), Louis (1869-1928), Emma (1871-1948), Veronika (1874-1953), Julius (1879-1942) und Ella (1884-1949). Die Familie lebte ab ca. 1900 in Oldenburg.

Über Sofie Wiesenfelds Kinder-, Jugend- und Schulzeit fanden sich keine Spuren. Die Eltern Joseph (1815-1902 Oldenburg) und Henricka, geb. Sachs (1842 in Losser/Niederlande-1917 in Oldenburg) ermöglichten ihr, den Beruf der Verkäuferin zu erlernen. Mittlerweile hatte sich ihr Bruder Louis als Bäckermeister in der Oldenburger Donnerschweerstraße selbständig gemacht. Ab 1916 lebte Sofie Wiesenfeld im Hause ihres Bruders und arbeitete vielleicht als Verkäuferin in der Bäckerei. Knapp zehn Jahre später wohnte die verheiratete Schwester Ella Dreyer mit ihrer Familie ebenfalls in dem Haus. Nach dem Tod von Louis Wiesenfeld 1928 erbte Sofie das Haus.

Ab dem 30. Januar 1933 änderte sich das Leben für Juden Schritt für Schritt. Die von den Nationalsozialisten erlassenen Verordnungen, Gesetze etc., schränkten sie immer weiter ein. Dies zeigte sich schon am 1. April 1933, dem Boykotttag gegen u.a. jüdische Geschäfte. Davon dürfte auch die Bäckerei Wiesenfeld betroffen gewesen sein. In den Folgejahren verließen viele Juden das Deutsche Reich, sofern sie es sich leisten konnten. Die, die blieben, durften oftmals nicht mehr in ihren "alten" Wohnungen, Häusern bleiben. Einige von ihnen fanden Zuflucht im Haus von Sofie Wiesenfeld, so die gebürtige Mindenerin Lina Katz (siehe www.stolpersteine-hamburg.de).

Unter dem Vorwand, die Grenzregion Oldenburg von Spionen und unsicheren Elementen frei zu machen, planten die Nationalsozialisten Anfang 1940, die dortigen Juden in den Distrikt Lublin umzusiedeln, doch die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, deren Hamburger Bezirksstelle von Max Plaut geleitet wurde, verhinderte dieses Vorhaben und ermöglichten Umzüge unter anderem nach Hamburg, Hannover und Berlin. Sofie Wiesenfeld musste ihre geerbtes Haus weit unter Wert veräußern. Ihren Hausstand bot sie durch zwei Anzeigen in der örtlichen Zeitung zum Verkauf an. Sofie Wiesenfeld ging nach Hamburg, wo sie sich im Mai 1940 bei der Jüdischen Gemeinde anmeldete, zunächst, "besuchsweise" wie auf ihrer Kultussteuerkarte vermerkt. Gegen Ende des Jahres 1940 meldete das Oldenburger Polizeiamt dem Finanzministerium, dass "die restlose Entjudung der gewerblichen Wirtschaft im Gebiet der Stadt Oldenburg festgestellt wird."

Vorerst fand Sofie Wiesenfeld Unterkunft bei Schmidt in der Armbruststr. 4/ Eimsbüttel, so der Eintrag auf der Kultussteuerkarte. Die Hauptmieterin war Veronika Schmidt, eine Schwester von Sofie. Unter der Adresse lebte auch eine andere Schwester, Emma, verh. Schriever, für kurze Zeit. Zunächst konnte Sofie bei ihrer verwitweten Schwester und deren beiden Söhnen wohnen. Dies war jedoch nur eine Übergangslösung, da eine weitere Verwandte notgedrungen in die 3-Zimmer-Wohnung mit einzog. Möglicherweise durch Vermittlung der Jüdischen Gemeinde fand Sofie Wiesenfeld eine neue Unterkunft bei dem Ehepaar Moses Samuel und Klara Magnus (siehe www.stolpersteine-hamburg.de) in der Eimsbütteler Chaussee 25.

Sofie Wiesenfeld wurde mit dem dritten Hamburger Transport am 18. November 1941 nach Minsk deportiert und ermordet. Der an ihr Schicksal erinnernde Stolperstein wurde in der Eimsbütteler Chaussee 25 verlegt. In Oldenburg wurde Sofie Wiesenfeld nicht vergessen, dort wird ihrer im "Erinnerungsbuch in Oldenburg" gedacht. 1998 hinterlegte ihre Großnichte Maria Wrage ein Gedenkblatt in Yad Vashem/Israel für sie.

Welche Spuren fanden sich zu Sofie Wiesenfelds Geschwistern?
Über das Leben der ältesten Schwester Rosa, die 1867 in Aschendorf bei Papenburg zur Welt kam, fanden sich keine Spuren. Ihr Grab von 1914 befindet sich auf dem Jüdischen Friedhof Oldenburg.

Dort wurde auch der 1869 in Aschendorf geborene, unverheiratete Bruder Louis, von Beruf Bäckermeister, 1928 beigesetzt. Die Geschwister teilen sich die Grabstätte.

Die oben erwähnte Emma Wiesenfeld, 1871 in Aschendorf geboren, heiratete 1901 in Altona den gebürtigen Düsseldorfer Christen Heinrich Schriever (1872-1936), der den Beruf des Lokomotivführers ausübte. Wann das Paar sich in Altona niederließ, ist nicht bekannt. Ein paar Monate nach der Heirat kam am 10.2.1902 dort Erwin Julius Louis Josef zur Welt. Erwins Schwester Hendricka Ella wurde am 25.9.1905 in Hamburg geboren. Im Hamburger Adressbuch von 1906 fand sich ein Eintrag, dass Emma Schriever eine Brothandlung in der Schwenckestraße 39/ Eimsbüttel führte, wo die Familie auch wohnte.

Erwin erlernte bei seinem Onkel Louis den Beruf des Bäckers. Seine Schwester Ella wurde Friseurin. Einen Tag vor ihrem Geburtstag 1927 heiratete sie den Hamburger Erich Feldmann (1903), der jedoch bereits 1928 starb. Erwin ehelichte im August 1928 die aus Henstedt stammende Bertha Kreker (1901). Deren Töchter Maria Ella und Lotte kamen 1929 und 1933 in Hamburg zur Welt. Erwin Schriever arbeitete in der Genossenschaft "Einigkeit" der Brothändler Hamburgs und Umgebung. Zudem war er seit 1931 politisch in der KPD und der Gewerkschaft aktiv. Dies sollte ihm nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten zum Verhängnis werden. Wegen "konspirativer Tätigkeit" wurde er 1935 verhaftet. Das Hanseatische Oberlandesgericht verurteilte ihn 1936 wegen "Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens", zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus, die er in Fuhlsbüttel absaß.

Während der Haftzeit seines Sohnes starb Heinrich Schriever. Bis zu diesem Zeitpunkt war Emma Schriever durch die Ehe mit einem Christen relativ geschützt. Doch für sie galt nun, dass sie ihr Geschäft nicht weiterführen und die dazugehörende Wohnung zu verlassen hatte. Ihre Schwester Veronika nahm sie auf. Teilweise wohnten sie mit 5 oder 6 Personen in der Wohnung. An die Adresse ihrer Schwester in der Armbruststraße 4 war auch der "Evakuierungsbefehl" mit der Nummer 4787 gerichtet. Das bedeutete für Emma Schriever die Deportation am 19. Juli 1942 in das sogenannte Altersgetto nach Theresienstadt.

Emma Schriever überlebte. Sie kehrte Anfang Juni 1945 nach Hamburg zurück und starb am 20. Mai 1948 in der Wohnung ihrer Schwester Veronika Schmidt an Leberkrebs. Ihre letzte Ruhe fand sie auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel.

Erwin und Bertha Schriever überlebten. Erwin starb 1985 in Wedel, von seiner Frau fanden wir keine Spuren. Ella Feldmann lebte nach 1945 in der Bundesstraße. Sie begann eine neue Ausbildung und arbeitete als Bäckerin. Weitere Spuren zu ihr fanden wir nicht.

Veronika Schmidts Ehemann Georg Jacob, mit dem sie seit 1903 verheiratet war, arbeitete in einem Hamburger Hafenbetrieb. Am 21.7.1904 wurden sie Eltern, Hans kam zur Welt. Am 15.2.1908 folgte Erich. Veronika kümmerte sich vermutlich um die beiden Kinder und den Haushalt. Die Jungen gingen zur Schule, wo, ist nicht bekannt. Über Hans Schmidt erfuhren wir, dass er eine Ausbildung als "Quartiersmann" (begutachtete die angelandeten Waren und deren Lagerung) im Hafen begann und ein Jahr die Handelsschule besuchte. Über den jüngeren Bruder Erich fanden wir keine Spuren. Vermutlich behinderte ihn seine Erkrankung (Multiple Sklerose) bei der Berufswahl. Ein großer Einschnitt im Leben der Schmidts war der Tod des Familienvaters 1928.

Die 1930er Jahre waren geprägt von Ausgrenzung, Diskriminierung und Verfolgung. Die Geschwister Wiesenfeld und ihre Familien rückten in dieser Zeit enger zusammen, halfen sich gegenseitig. Mit Kriegsbeginn September 1939 traten weitere Einschränkungen für Juden in Kraft. Dazu gehörte unter anderem, dass Juden keine Radios besitzen durften. Veronika gab ihr Radio verspätet im Herbst 1942 bei der Gestapo ab, das hatte gravierende Konsequenzen: Sie wurde sofort für die Dauer von fast vier Wochen in "Schutzhaft" genommen. Die Haftzeit verbrachte sie im berüchtigten Kolafu. Nach der Entlassung wurde sie zusammen mit ihrem kranken Sohn Erich in das "Judenhaus" Bornstr. 22 einquartiert. Von dort deportierte die Gestapo Veronika Schmidt am 19. Januar 1944 nach Theresienstadt, da sie, verwitwet, nun nicht mehr durch die Mischehe geschützt war. Ihr kranker Sohn Erich, der von den Nationalsozialisten als "Mischling 1. Grades" definiert wurde, durfte im "Judenhaus" verbleiben.

Der ältere Sohn Hans wurde im Oktober 1942 ebenfalls verhaftet, da er als "Mischling 1. Grades" "Verkehr zu einem arischen Mädchen" unterhielt, wie sich die Gestapo ausdrückte. Ohne Gerichtsverfahren saß er bis Mitte Dezember 1942 im "Kolafu" ein. Von dort deportierte ihn die Gestapo direkt nach Auschwitz-Monowitz, wo er schwerste Zwangsarbeit zu leisten hatte, zunächst im Bergwerk. In offenen Kohlenwaggons wurde er dann in das KZ Mauthausen, im heutigen Österreich, in das Kommando Gusen verbracht. In dem Kommando hatten die Häftlinge in unterirdischen Stollen für die Flugzeugindustrie zu arbeiten. Ende Februar 1945 befreiten die Amerikaner das Lager.

Veronika, Hans und Erich Schmidt überlebten. Veronika Schmidt kehrte, gesundheitlich schwer angeschlagen, in ihre Wohnung in der Armbruststraße zurück. Die zuständige Behörde, wo sie Anträge stellte, bezweifelte ihre Haft im "Kolafu", "dafür gebe es noch keinen Beweis". Zum Glück fand sich ein Zeuge, der nach der Verhaftung mit ihr im "Peterwagen" gesessen hatte. Im Sommer kehrte ihr auf 90 Pfund abgemagerter Sohn Hans nach Hamburg zurück. Es sollte noch bis 1947 dauern, dann konnte die 71jährige Überlebende auch wieder ein Radio ihr Eigen nennen. Wenige Jahre später, am 6. Oktober 1953 starb Veronika Schmidt in Hamburg.

Im Oktober 1945 heiratete Hans die aus Brandenburg stammende Minna Schottstedt. Er versuchte auch beruflich wieder Fuß zu fassen. Der jüngere Bruder Erich lebte in einem Pflegeheim in Wandsbek.

Julius Wiesenfeld war als Schneidermeister tätig. Er ehelichte zu einem uns unbekannten Zeitpunkt Johanna Kahn (1873-1940 Ginsheim). Das Ehepaar lebte in Mainz, wo am 12.7.1904 Tochter Erna zur Welt kam. Erna Wiesenfeld lebte zum Zeitpunkt der Volkszählung 1939 in Frankfurt, wo sie vermutlich beruflich tätig war. Am 24. März 1942 wurden Erna und Julius Wiesenfeld ab Darmstadt, wohin sie einige Tage vorher gebracht worden waren, in das Lager Piaski bei Lublin deportiert. Zum Zeitpunkt der Deportation lebten Vater und Tochter in der Freikorps-Oberland-Straße 37 in Ginsheim, welches in der Zeit von 1930 bis 1945 ein Stadtteil von Mainz war. Erna und Julius Wiesenfeld wurden für tot erklärt. Für Vater und Tochter hinterlegte die Verwandte Maria Wrage Gedenkblätter in Yad Vashem/Israel.

Ella Wiesenfeld, 1884 in Oldenburg geboren, heiratete den Christen Friedrich Dreyer, zu dem wir keine weiteren Spuren fanden. Die beiden Kinder der Eheleute Erika und Max kamen 1922 und 1924 ebenfalls in Oldenburg zur Welt. Anfang 1926 packte die Familie die Umzugskartons und ließ sich im Haus des Bruders/ Schwagers in der Donnerschweerstraße 59 nieder. Wenige Jahre später, im Herbst 1930, starb Friedrich Dreyer. Die Volkszählung verzeichnete unter der bekannten Adresse Ella und Erika, Max wohnte nebenan im Haus Nr. 61.

Ella Dreyer blieb die Deportation nicht erspart, da die "Sicherheit" der Mischehe nicht mehr gegeben war. Am 13. Januar 1944 wurde sie ab Bremen nach Theresienstadt deportiert. Wie es ihren beiden Kindern Erika und Max erging, darüber fanden sich keine Spuren. Ella Dreyer überlebte und kehrte im Juli 1945 in die Donnerschweerstraße 59 nach Oldenburg zurück, wo sie bis zu ihrem Tod am 16. November 1949 lebte.

Im April 1946 beschloss die Stadtverwaltung Oldenburg, dass das Eigentum, "welches Juden ... während der Zeit von 1933 bis 8.5.1945 weggenommen worden ist", an die frühere Eigentümerfamilie zurück zu geben sei, in diesem Fall an Erika Dreyer.

Stand: Mai 2020
© Sonja Zoder

Quellen: 1; 4; 5; 6; 8; StaH Standesämter 332-5/5954-858/1901; 332-5/8624-498/1903; 332-5/8830-473/1928; 332-5/8821-566/1927; 332-5/8225-609/1953; 351-11 (AfW) 25567 und 25568; 351-11 (AfW) 2518 und 28954; Baumbach: Wo Wurzeln waren, Hamburg 1993, S. 260 und Beiheft S. 25, 26; Vieth: Von der Hallerstraße 6/8 zum Isebek und Dammtor, Hamburg 1990, S. 78; Mosel: Wegweiser zu den ehemaligen jüdischen Stätten in Hamburg, Heft 3, Hamburg 1989, S.100; Guth:, Bornstraße 22 Ein Erinnerungsbuch, Hamburg 2001, S. 99; Krispin: Ein offenes Geheimnis: "Arisierung" in Alltag und Wirtschaft in Oldenburg zwischen 1933 und 1945, S. 19, 35, 51, 54, 55, 58, 64, 65, 67, 120, Oldenburg 2001 im April 2016; URL: www.agora.sub.uni-hamburg.de; www.geni.com; https://www.tracingthepast.org/name=wiesenfeld; http://www.statistik-des-holocaust.de/ list_ger_hhn_420324.html jeweils am 9.4.2016; http://www.alemannia-judaica.de/ bischofsheim_gg_synagoge.htm am 14.5.2020; http://www.alemannia-judaica.de/oldenburg_friedhof.htm; http://erinnerungsbuch-oldenburg.de/jeo.php?PID=592 jeweils am 11.4.2016; http://digital.lb-oldenburg.de/ihd/content/search/162339?query=wiesenfeld am 15.4.2016; Jüdischer Friedhof Hamburg, Ilandkoppel Grab-Nr. J2-46 am 5.5.2016; http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm am 24.5.2016; https://de.findagrave.com/memorial/180822839/johanna-wiesenfeld am 12.4.2020.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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