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Bereits verlegte Stolpersteine



Maria Nividowa * 1925

Oesterleystraße 77 (Altona, Blankenese)


HIER ARBEITETE
MARIA NIVIDOWA
JG. 1925
POLEN
SEIT FEB. 1944
ZWANGSARBEIT
PRIVATHAUSHALT
SCHICKSAL UNBEKANNT

Weitere Stolpersteine in Oesterleystraße 77:
Ludmilla Nividowa

Ludmilla Nividowa, geb. 12.10.1944 in Hamburg, Frauenklinik Finkenau, verlegt 23.10.1944 Krankenhaus Anlage Wintermoor, ermordet 5.1.1945

Maria Nividowa, geb. am 8.2.1925 in Gorki/Russland, seit Februar 1944 Zwangsarbeit Privataushalt, Schicksal unbekannt

Oesterleystraße 77

Ludmilla Nividowa kam am 12. Oktober 1944 in Hamburg zur Welt. Ihre Mutter Maria Nividowa, geb. am 8.2.1925 in Gorki, war verheiratet und vermutlich russisch-orthodoxen Glaubens, registriert als "orthodox". Ihr Ehemann ist nicht bekannt. In der Ausländermeldekartei ist sie als "Schülerin" geführt. Aus ihrer Heimat Gorki/Russland nach Hamburg verschleppt, musste sie seit dem 26. Februar 1944, sie befand sich im ersten Monat ihrer Schwangerschaft, für die Deutsche Arbeitsfront im DAF Lager Waltershof Zwangsarbeit leisten.

Am 7. März 1944 erfolgte für die 19-jährige Maria Nividowa ihre Verlegung nach Hamburg-Blankenese zur Zwangsarbeit bei Fritz Dorn, Direktor der Neuen Sparkasse von 1864, in der privat bewohnten Villa Oesterleystraße 77, Eigentum der Neuen Sparkasse von 1864. Am 7. Juli desselben Jahres kam Maria Nividowa nach Hamburg-Mitte in die Ferdinandstraße 5, die Adresse der Neuen Sparkasse von 1864.

Einen Monat vor der Geburt ihres Kindes wurde Maria Nividowa am 11. September 1944 in der Frauenklinik Finkenau, Hamburg-Uhlenhorst, aufgenommen. Elf Tage nach der Entbindung erfolgte für Maria Nividowa und ihre Tochter Ludmilla, auch Lucie genannt, am 23. Oktober 1944 die Verlegung in das Ausweichkrankenhaus Wintermoor.

Laut Krankenhausliste wurde Ludmilla mit der Diagnose "Pneumonie Empyem" (Lungenentzündung Eiteransammlung) am 4. Januar 1945 in das Krankenhaus Wintermoor eingeliefert, mit dem Zusatzvermerk "Mutter hier". Demnach wäre ihre Mutter seit Oktober in dem Krankenhaus verblieben. Aus den Dokumenten erschließt sich nicht, wo sich Ludmilla in der Zwischenzeit aufhielt.

Einen Tag nach der Einlieferung, am 5. Januar 1945 um 0:45 Uhr, verstarb Ludmilla in "Ehrhorn, Kreis Soltau, Krankenhaus-Sonderanlagen, Aktion Brandt Anlage Wintermoor". Als Todesursache ist in der Todesbescheinigung "Rippenfellentzündung" angegeben und außerdem vermerkt, dass die Ärztin Thiessen sie seit dem 27. Dezember 1944 behandelt habe. Im Sterberegister lautet die Todesursache "Rippenfellvereiterung".

Der Aufdruck in der Todesanzeige: "Krankenhaus-Sonderanlagen Aktion Brandt Anlage Wintermoor" deutet darauf hin, dass Ludmilla durch gezielte Vernachlässigung, durch Verhungernlassen oder durch eine Überdosis von Medikamenten getötet wurde. (Auch ein weiterer Säugling, Serge Duvert, aus dem "Lager Tannenkoppel", verstarb am selben Tag eine halbe Stunde nach Ludmilla. Auch für ihn wird im Sterberegister "Aktion Brandt" angegeben. Siehe www.stolpersteine-hamburg.de)

Ludmilla wurde 2 Monate, 3 Wochen und 3 Tage alt.

Sie wurde auf dem Waldfriedhof Wintermoor beigesetzt, Grablage W 79.
Das weitere Schicksal ihrer Mutter Maria Nividowa ist bisher unbekannt.

Erläuterungen:
Bei der von Karl Brandt, Generalkommissar für das Sanitäts- und Gesundheitswesen, geleiteten und nach ihm benannten "Aktion Brandt" wurden ab 1943 Patientinnen und Patienten aus Heil- und Pflegeanstalten in andere Pflegestätten und Ausweichkrankenhäuser verlegt, offiziell um Plätze für die zunehmende Anzahl von Kriegsverletzten freizumachen.

Vielfach wurden sie dort durch gezielte Vernachlässigung, Verhungernlassen oder eine Überdosierung von Medikamenten getötet. Die "Aktion Brandt" wird deshalb als "regionalisierte Euthanasie" oder als "dezentrale Euthanasie" bezeichnet. Sie stand in der Nachfolge der "T 4-Aktion", der gezielten "Euthanasie"-Ermordung von psychiatrischen Patientinnen und Patienten, die auf Grund des Widerstandes von Kirchenvertretern beider Konfessionen, von Teilen der Bevölkerung und einiger Anstalten im August 1941 offiziell eingestellt worden war.

Karl Brandt wurde im Jahre 1947 bei dem Nürnberger "Ärzteprozess" als einer der Hauptverantwortlichen der NS-"Euthanasie"-Verbrechen zum Tode verurteilt und im Jahr darauf hingerichtet.

Die "Krankenhaus-Anlage-Wintermoor” wurde 1942/43 als Hamburger Ausweichkrankenhaus mit Zwangsarbeitern, sowjetischen Kriegsgefangenen und italienischen Militärinternierten aufgebaut, unter der Leitung der "Organisation Todt" (OT), einer paramilitärisch gegliederten Sonderorganisation des NS-Staates, die kriegswichtige Bauprojekte durchführte. Nach dem Unfalltod ihres Gründers und Organisators Fritz Todt im Februar 1942 wurde die Leitung Albert Speer, Reichsminister für Bewaffnung und Munition, übertragen. Elf sowjetische Kriegsgefangene von etwa 100 Kriegsgefangenen des Außenlagers StaLag (Stammlager) Sandbostel, die in einer Holzbaracke in Ehrhorn untergebracht waren und beim Aufbau des Krankenhauses Wintermoor ums Leben kamen, sind namentlich bekannt. Polnische Zwangsarbeiterinnen arbeiteten im Krankenhausbetrieb in der Küche und als Reinigungskräfte.

Fritz Dorn, geb. 1904, Osterleystraße 77, seit 1931 Kreisleiter der NSDAP, 1938 Standartenführer der Reiter-SS, 1938 im Reichsjuristenbund und NS Reichsbund für Leibesübungen; bis 1934 Abteilungs-Direktor der Hamburger Sparkasse von 1827, dann Referent des Deutschen Sparkassen Giroverbandes in Berlin, anschließend Leitung und Direktor der Neue Sparkasse von 1864 Hamburg; seit 1936 Eigentümer eines 3000 qm Wohngrundstückes in Wellingsbüttel, Buchtstraße 22, und eines unbebauten 4800 qm Grundstückes in Poppenbüttel. Im Juni 1945 wurde Fritz Dorn von der Britischen Militärregierung interniert, im Juli 1948 vom Spruchgericht zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und einer Geldstrafe von 3000 DM verurteilt; im Juni 1949 verbot ihm die Entnazifizierungskommission, eine leitende Stellung oder Tätigkeit in der Privatwirtschaft einzunehmen und sperrte seine Konten; er erhielt eine Geldstrafe von 1000 DM. Er gab u. a. zu, Verhaftungen seiner Angestellten veranlasst zu haben. Von Januar bis Dezember 1947 saß er in Camp Eselheide ein; im Mai 1949 wurde er in Kategorie III (Minderbelastete) umgestuft. (Quelle: StaH 221-11 Entnazifizierungsakte, M 2417)

Käthe Thiessen, Dr., geb. 1911, Ericastraße 98, seit 1933 Mitglied der NSDAP, seit 1931 Scharführerin bei der Hitler-Jugend (HJ), von 1931–1936 Referentin für den weiblichen Arbeitsdienst beim Nationalsozialistischen Studentenbund (NSDStB) und der Deutschen Studentenschaft; 1935/36 Referentin für Medizin. Seit August 1937 Voluntärärztin an der Kinderklinik des Universitätskrankenhauses Eppendorf, zwischenzeitlich 1939 an der Universitätsklinik Bologna, ab September 1938 als Wissenschaftliche Assistentin an der Universitätsklinik Eppendorf. Im November 1945 wurde sie von der Britischen Militärregierung entlassen. Die Entnazifizierungskommission stufte sie im Juli 1947 in Kategorie V (entlastet) ein, damit unterlag sie keinen Beschäftigungsbeschränkungen mehr. (Quelle: StaH 221-11 Entnazifizierung, 70013)

Stand: November 2022
© Margot Löhr

Quellen: Standesamt Hamburg-Uhlenhorst, Geburtsregister 1804/1944 Ludmilla Nividowa; StaH 332-8, A 48 Alphabetische Meldekartei der Ausländer 1939–1945, 741-4 Fotoarchiv, K 4599; Krankenhaus-Sonderanlagen in Ehrhorn/Kreis Soltau, Sterberegister 4/1945 Ludmilla Nividowa; Krankenhaus-Sonderanlagen Aktion Brandt, Anlage Wintermoor Todesbescheinigung 4/1945 Ludmilla Nividowa; StaH 332-8, A 48 Alphabetische Meldekartei der Ausländer 1939–1945, 741-4 Fotoarchiv, K 4599; ITS Archives, Bad Arolsen, Copy of Krankenhausliste Frauenklinik Finkenau 2.1.2.1 / 70646056, Krankenhausliste Krankenhaus Wintermoor Copy of 2.1.2.1 / 70646190, Sterbeurkunde 2.2.2.4 / 77096005 Ludmilla Nividowa, Todesbescheinigung 2.2.2.2 / 76823990 Ludmilla Nividowa , DE ITS 2.1.2.1 NI 063 4 RUS/70742304/70742316; https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Kulturdenkmäler_in_Hamburg-Blankenese, eingesehen 8.9.2018.
2.1.2.1 NI 063 4 Informationen über Gräber von Ausländern im Kreis Soltau / 2.1.2.1 NI 063 4 RUS Nationalität/Herkunft der aufgeführten Personen: Russisch / DE ITS 2.1.2.1 NI 063 4 RUS/707423004.

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