Namen, Orte und Biografien suchen
Bereits verlegte Stolpersteine
Suche
Ida Levy (geborene Winterberger) * 1883
Haynstraße 13 (Hamburg-Nord, Eppendorf)
HIER WOHNTE
IDA LEVY
GEB. WINTERBERGER
JG. 1883
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET
Weitere Stolpersteine in Haynstraße 13:
Jeanette Abraham, Gertrud Abraham, Helene Israel, Ludwig Levy
Ludwig Levy, geb. am 10.3.1875 in Altona, am 15.7.1942 nach Theresienstadt deportiert, am 21.9.1942 in das Vernichtungslager Treblinka weiterdeportiert
Ida Levy, geb. Winterberger, geb. am 3.10.1883 in Winterberg, am 15.7.1942 nach Theresienstadt deportiert, am 21.9.1942 in das Vernichtungslager Treblinka weiterdeportiert
Haynstraße 13
Der letzte frei gewählte Wohnsitz von Ida und Ludwig Levy war das Haus Isestraße 67.
Da dort aber schon sehr viele Stolpersteine liegen, wurden die Steine für das Ehepaar Levy vor dem Haus Haynstraße 13 verlegt, das von 1917 bis 1932 das Zuhause der Familie war.
Ludwig Levy und sein Zwillingsbruder Joseph kamen am 10. März 1875 in einer jüdischen Familie in Altona zur Welt.
Der Vater der Jungen, Abraham Adolf Levy (13.7.1837 - 28.2.1917), besaß eine Metallhandlung mit Schmelzwerk und Verhüttung am Ausschläger Elbdeich in Rothenburgsort.
Ihre Mutter Jenny, geb. Freudenthal (geb. 15.5.1849), lernten die Zwillinge nie kennen, sie starb kurz nach der Geburt. Ein Jahr später heiratete Abraham Emma Freudenthal, (geb.10.11.1853), wahrscheinlich eine jüngere Schwester von Jenny. Soweit wir wissen gingen aus dieser Ehe keine Kinder hervor. Emma starb 1930 im Alter von 77 Jahren im Eppendorfer Krankenhaus.
Die beiden Jungen wuchsen in Hamburg auf, nach späteren Angaben seines Sohnes besuchte Ludwig bis zum "Einjährigen" die Realschule. Im Jahr 1900 trat er in die Firma seines Vaters ein. Nachdem dieser sich aus dem Geschäft zurückgezogen hatte, führten die Zwillingsbrüder es gemeinsam weiter.
Ida Levy, geb. Winterberger (geb. 3. Oktober 1883), stammte aus einer jüdischen Familie im sauerländischen Winterberg. Über ihre Herkunft wissen wir folgendes:
"Auf Grund einer Großherzoglich-Hessischen Verordnung mussten die Juden ab 1808 erbliche Familiennamen annehmen. Die in Winterberg ansässige Familie entschied sich für den Namen "Winterberger". Idas Großvater Isaak (Itzig) und seine Brüder waren Kaufleute. "Sie hausierten in der ganzen Gegend, handelten mit Vieh, metzgerten, erwarben eigene Häuser" und Grundbesitz.
Isaak und seine Frau Jeanette, geb. Blumenthal, hatten zehn Kinder. Die Söhne Moses und Salomon blieben in Winterberg und betrieben ihre Geschäfte mit Erfolg. Moses Winterberger (ca. 1841-1914) heiratete Riekchen, geb. Eichengrün (ca. 1852-1920) und hatte mit ihr vier Kinder: Julius, geb. 11. Februar 1880, Paul, geb. 11. Oktober 1881, Ida, die einzige Tochter, geb. 3. Oktober 1883, und Siegfried, geb. 10. Januar 1889. Von 1893 bis 1897 unterrichtete eine geprüfte Privatlehrerin die Kinder von Moses und Salomon gemeinsam.
Idas Onkel Salomon war mit Mathilde, geb. Griesbach verheiratet. Deren Tochter Else Irma, geb. 18. März 1885, war also Ida Winterbergers Kusine und heiratete im Februar 1906 in Winterberg Ludwig Levys Zwillingsbruder Joseph. Vielleicht haben Ludwig Levy und Ida Winterberger sich auf dieser Hochzeit kennengelernt. Die beiden schlossen am 20. Juni 1907 in Winterberg die Ehe. Trauzeugen waren Idas Brüder Julius und Paul. Nach späteren Angaben ihres Sohnes erhielt Ida eine "erhebliche Mitgift, nicht nur in Geld, sondern auch in Gold und Schmucksachen". Sie übersiedelte nach Hamburg, von 1908 bis 1917 ist Ludwig Levy, wie damals üblich als Haushaltsvorstand, in den Hamburger Adressbüchern unter der Anschrift Sedanstraße 8 verzeichnet.
Am 11. April 1908 wurde Idas und Ludwigs Sohn Hartwig geboren. Er blieb das einzige Kind des Ehepaars.
Im 1. Weltkrieg diente Ludwig als Soldat und wurde mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Nach seiner Rückkehr nahm er die Arbeit im Familiengeschäft wieder auf. Die Familie lebte nun in der Haynstraße 13 im dritten Stock. Sohn Hartwig besuchte die nahe gelegene Oberrealschule Eppendorf, heute Gymnasium Eppendorf.
Im Dezember 1924 starb Joseph Levy. Er lebte zu dem Zeitpunkt mit seiner Frau Else Irma, geb. Winterberger, in der Isestraße 67. Die beiden hatten keine Kinder. Ludwig führte fortan das Geschäft allein weiter.
Nachdem Hartwig 1928 das Abitur bestanden hatte, studierte er Jura in Heidelberg, München, Berlin und Hamburg. Nach bestandenem Referendarexamen wurde er 1931 als Referendar in den Hamburger Staatsdienst eingestellt. Auf Grund des "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums", mit dem die frisch gewählten Nationalsozialisten im April 1933 eine radikale Säuberung des öffentlichen Dienstes einleiteten, wurde er wegen seiner jüdischen Herkunft entlassen. Im selben Jahr verlieh ihm die Hamburger Universität noch die juristische Doktorwürde. Das Thema seiner Dissertation entbehrt angesichts der kommenden Ereignisse nicht der Ironie. Es lautete: "Die Entwicklung der Rechtsstellung der Hamburger Juden".
Spätestens 1933 zog Familie Levy in die Isestraße 67, in das Haus, in dem auch Idas Kusine und Schwägerin Else Irma lebte. Hartwig Levy schilderte später die wirtschaftlichen Verhältnisse seiner Eltern als gut. Sie hätten dem gehobenen Mittelstand angehört. Das Fabrikgrundstück des Metallwerkes am Ausschläger Deich nebst Wohnhäusern gehörte Ludwig und Else Irma gemeinsam, und auch Ida hatte von ihren Eltern Vermögen geerbt.
Nach dem Krieg beschrieb eine Zeugin die Wohnung: "Es war nach meinem Dafürhalten ein hochherrschaftlicher Haushalt mit wertvollen Teppichen und Möbeln. 4 ½ Zimmer hatten sie mit eigenen Möbeln ausgestattet. Ein fünftes Zimmer bewohnte eine Schwägerin."
Im Zuge der nationalsozialistischen Verfolgung mussten Grundstück und Gebäude am Ausschläger Elbdeich unter Zwang und unter Wert verkauft, Aktien und Wertpapiere bei einer Devisenbank hinterlegt werden. Im Frühjahr 1939 wurden Levys wie alle Jüdinnen und Juden gezwungen, ihre Schmucksachen, Kunstgegenstände und Wertgegenstände aus Gold oder Silber abzuliefern. Erstattet wurde lediglich ein Teil des Materialwertes.
Hartwig Levy war ab Januar 1936 im Geschäft seines Vaters tätig und wohnte bis zu seiner Ausreise bei seinen Eltern in der Isestraße 67. Nach der Pogromnacht im November 1938 gelang ihm über Amsterdam, Antwerpen, Paris und London die Flucht in die USA.
Sein 63jähriger Vater war der Verhaftung nicht entgangen. Wie rund 1000 Hamburger Juden hatte man ihn nach dem 9. November 1938 in das Konzentrationslager Sachsenhausen bei Berlin verbracht. Am 28. November 1938 wurde er entlassen und kehrte nach Hause zurück. Die Inschrift "Schutzhaft" auf dem Stolperstein ist ein Begriff, den die Nationalsozialisten benutzten. Er verharmlost das schreckliche Leiden der Menschen in den Konzentrationslagern und verhöhnt dadurch die Opfer einmal mehr.
In den USA änderte Hartwig seinen Vornamen in Howard. 1949 heiratete er die ebenfalls aus Hamburg stammende Irma Rosenberg (geb. 17.12. 1916). Die Ehe blieb kinderlos. Dr. Howard Levy starb 1990 in New York, Irma Levy starb 2020, zehn Tage nach ihrem 104. Geburtstag.
Spätestens nach Ludwigs Freilassung entschloss das Ehepaar sich zur Flucht. Versuche, das Deutsche Reich zu verlassen, scheiterten jedoch. Die Eheleute saßen wie so viele andere jüdische Menschen in Hamburg in der Falle.
Dies galt auch für Idas Bruder Paul und dessen Frau Rosa.
In Winterberg kam es schon kurz nach der Regierungsübernahme durch die NSDAP besonders von Jugendlichen zu Diffamierungen und Hetze gegenüber jüdischen Bürgerinnen und Bürgern.
Idas Bruder Julius, der seit 1909 mit Paul zusammen die Gesellschaft "S&M Winterberger Branntwein- und Liquörfabrik mit Dampfbetrieb - Getreide en gros" führte, war im Februar 1935 gestorben. Als Mitglied des Sauerländischen Gebirgsvereins nahmen mehrere seiner Vereinskameraden an seinem Begräbnis teil. Ein Hitlerjunge fotografierte und denunzierte sie und klebte einen Zettel mit einer Schmähung an das Fenster eines Lehrers, der Ortsvorsteher des Vereins war.
Die Familie von Paul Winterberger musste 1937 die Häuser Hauptstraße 22 und 24 samt Inventar an die ‚Bäuerliche Bezugs- und Absatzgenossenschaft GmbH Winterberg‘ verkaufen. Unter Androhung von ‚Schutzhaft‘ übernahm die Stadt Winterberg auch den umfangreichen Landbesitz.
Die Familie verließ den Ort und zog nach Hamburg. Von dort aus wurden Paul und Rosa Winterberger am 6. Dezember 1941 nach Riga-Jungfernhof deportiert. Paul starb schon am 2. Januar 1942 im dortigen Lager. Rosa konnte drei Jahre überleben, sie starb am 2. Januar 1945 im Konzentrationslager Stutthof bei Danzig. Für das Ehepaar sollen Stolpersteine in der Sierichstraße 98 verlegt werden.
Das Schicksal von Idas jüngstem Bruder Siegfried bleibt ungeklärt. Wahrscheinlich starb er schon in jungen Jahren.
Ida und Ludwig Levy mussten 1941 die Wohnung in der Isestraße 67 räumen. Ihre Mitbewohnerin, die Schwägerin Ilse Irma war am 26. Juli 1940 gestorben. Levys mussten in das "Judenhaus" Dillstraße 15 ziehen, wo sie zum 15. Juli 1942 den Deportationsbefehl für das "Altersgetto" Theresienstadt erhielten. Zuvor hatte Ida Levy gezwungenermaßen einen "Heimeinkaufsvertrag" über 9875,82 Reichsmark (RM) abschließen müssen. Ludwig zahlte für seinen "Heimeinkaufsvertrag" 2837,47 RM ein. Wahrscheinlich handelte es sich um die Reste ihres Vermögens. Diese "Verträge" sahen die Übertragung ihrer gesamten Ersparnisse an die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland vor, fiktive Gegenleistung war die lebenslange Nutzung eines "Heimplatzes" in Theresienstadt. Das von der Reichsvereinigung eingesammelte Geld beschlagnahmte am Ende die Gestapo.
Wichtige Dokumente hatten sie rechtzeitig einem nicht-jüdischen Freund übergeben. Dieser Nachlass befindet sich heute im Leo Baeck Institut in New York.
Aus Theresienstadt wurden Ida und Ludwig Levy am 21. September 1942 mit anderen Hamburgerinnen und Hamburgern in das Vernichtungslager Treblinka weiterdeportiert. Sie kehrten nicht zurück.
Nachtrag: Ludwig hatte für die Bücher seiner Bibliothek zahlreiche Widmungen und Gedenkblätter erstellt. Vor einigen Jahren tauchten bei der Durchsicht der Altbestände in der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek einige seiner Bücher wieder auf. Sie konnten 2014 der Schwiegertochter Irma Levy zurückgegeben werden, die diese dann der Jüdischen Gemeinde in Hamburg geschenkt hat.
Stand: Mai 2025
© Sabine Brunotte
Quellen: 1; 5; 8; StaH 332-5_2559; StaH 332-5_9849; StaH 314-15_ Fvg 6003; StaH 351-11_33451; StaH 241-2 A1291; StaH 213-13_19467; StaH 213-13_5805; StaH 213-13_5806; StaH 522-1_1031; https://www.jüdischer-friedhof-altona.de/datenbank.html Ohlsdorf 1915-1921, Zugriff 19.4.2025; www.sub.uni-hamburg.de/sammlungen/ns-raubgut/abgeschlossene-faelle/ Ausdruck 3.7.2017; https://search.cjh.org/primo-explore/fulldisplay?docid=CJH_ALEPH000198766&context=L&vid=beta&lang=en_US&search_scope=CJH_SCOPE&adaptor=Local%20Search%20Engine&tab=default_tab&query=any,contains,Ludwig%20Levy%20collection&offset=0, Zugriff 26.4.2025; Nikolaus Schäfer, Juden in Winterberg, in "De Fitterkiste" Geschichtliches aus Winterberg und seinen Dörfern, Bd. 4 Ausgabe 1992 , online unter https://www.schiebener.net/wordpress/wp-content/uploads/2015/05/Fitterkiste199204.pdf , Zugriff 26.6.2023; https://agora.sub.uni-hamburg.de/subhh-adress/digbib/view diverse Hamburger Adressbücher 1908 bis 1941, letzter Zugriff 22.6.2023; http://www.statistik-des-holocaust.de/ Deportationslisten, Zugriff 22.6.2023; https://www.legacy.com/us/obituaries/nytimes/name/irma-levy-obituary?id=12482804, Zugriff 26.6.2023; https://www.bundesarchiv.de/themen-entdecken/online-entdecken/geschichtsgalerien/7-april-1933-gesetz-zur-wiederherstellung-des-berufsbeamtentums/ Zugriff 19.4.2025; https://www.lwl.org/hiko-download/OA_AR/Winterberg_(Rüffer)_809-812.pdf Zugriff 19.4.2025; Heiko Morisse, Ausgrenzung und Verfolgung der Hamburger jüdischen Juristen im Nationalsozialismus, Band 2 – Beamtete Juristen, Hamburg 2013; Schriftliche Auskunft Standesamt Winterberg, E-Mail vom 20.7.2018; schriftliche Auskunft H. Schiebener, E-Mail vom 23.6.2023;
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".
Text fachlich geprüft, nicht lektoriert