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Olga Reyersbach * 1885

Eppendorfer Landstraße 46 (Hamburg-Nord, Eppendorf)

1941 Riga

Weitere Stolpersteine in Eppendorfer Landstraße 46:
Alfred Aron, Bertha Engers, Bertha Margaretha Haurwitz, Dr. Rudolf Haurwitz, Henriette Hofmann, Siegfried Marcus, Martha Markus, Elsa Meyerhof, Käte Meyerhof

Olga Reyersbach, geb. am 4.1.1885 in Hamburg, am 6.12.1941 nach Riga-Jungfernhof deportiert

Eppendorfer Landstraße 46

Olga Reyersbach wurde am 4. Januar 1885 in Hamburg als jüngste von drei Töchtern des Ehepaares Julius Reyersbach und Anna, geb. Windmüller, geb. am 15. Juni 1861, geboren. Julius Reyersbach war wahrscheinlich der im Adressbuch von 1886 eingetragene Mitinhaber der Firma Leopold und Julius Reyersbach, Fonds- und Wechselmakler, Kleine Johannisstraße 10/12, privat Alsterchaussee 18 (auch als Hauseigentümer). Da seine Ehefrau Anna im Adressbuch von 1924 als Frau J. Reyersbach in der Gellertstraße 20 eingetragen ist, müsste Julius Reyersbach vor 1924 gestorben sein.

Ihre älteste Schwester war Lisbeth Engelmann, geb. Reyersbach (s. dort), geb. am 29. April 1882 in Hamburg, die mit dem Kaufmann und Inhaber der Firma Joseph Engelmann Papierlager und Schreibmaterialien en gros Hugo Engelmann, geb. am 29. Januar 1863 in Hamburg, verheiratet war. Sie hatten die Kinder Gertrud, geb. am 16. Mai 1918 (aus der ersten Ehe von Joseph Engelmann) und Max, geb. am 4. November 1921. Hugo Engelmann starb am 30. April 1936 in Hamburg. Lisbeth Engelmann wurde am 25. Oktober 1941 ins Getto Lodz deportiert und starb mit nur 59 Jahren im Hospital Lodz am 9. Februar 1942 – als Todesursache wurde Marasmus senilis (physischer und psychischer Altersverfall) angegeben. Ihr Sohn Max ließ in einem von ihm in Yad Vashem 1999 eingerichteten Gedenkblatt eintragen, seine Mutter und seine Tanten Olga und Margarethe Reyersbach seien in Auschwitz umgekommen. Für seine Mutter ist durch die Aufstellung des Lodz Hospital der Todesfälle vom 9.–15. Februar 1942 belegt, dass sie am 9. Februar 1942 in Lodz gestorben ist. Auch für die Tanten trifft Auschwitz als To­des­ort wahrscheinlich nicht zu, sondern eher Chelmno bzw. Riga-Jungfernhof, wie auch im Gedenkbuch des Bundesarchivs für die Opfer der Verfolgung der Juden angegeben.

Die mittlere Schwester Toni Friedländer, geb. Reyersbach, geb. am 8. September 1883 in Hamburg, war mit dem Kaufmann und Mitinhaber der Firma Friedländer & Co. Getreide- und Futtermittelhandlung Jacob Oscar Friedländer, geb. am 7. Januar 1878 in Hamburg, verheiratet. Beide wanderten 1938 mit ihren in Hamburg geborenen Söhnen Julius Heinz, geb. am 25. Januar 1913, und Walter Hermann, geb. am 25. Dezember 1914, nach Brasilien aus. Wie jüdische Auswandernde vom nationalsozialistischen Staat ausgeplündert wurden, zeigt das Beispiel des Ehepaares Friedländer: Sie mussten 141677 RM Reichsfluchtsteuer und 12440,98 RM "Judenvermögensabgabe" bezahlen und erlitten einen Transferverlust von 207508 RM. Hinzu kamen zurückgelassene Güter, Immobilien usw … Das Ehepaar Friedländer nahm all dies offenbar in Kauf, um aus Deutschland flüchten zu können. Jacob Oscar Friedländer starb am 15. November 1942 in São Paulo, seine Ehefrau Toni lebte bis zum 22. Dezember 1968. Die Söhne blieben auch nach dem Krieg als Kaufmann bzw. Landwirt in Brasilien.

Olga Reyersbach hat nie geheiratet. Sie wurde Lehrerin und trat am 1. Januar 1923 in den Hamburgischen Schuldienst ein. Von 1927 bis 1931 unterrichtete sie als Studienrätin an der Handels- und Höheren Handelsschule für Mädchen Am Lämmermarkt und von 1932 bis 1933 an der Schule Schlankreye 1 – ebenfalls eine Handels- und Höhere Handelsschule für Mädchen. Aller Wahrscheinlichkeit nach im Zusammenhang mit dem Erlass des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 wurde sie wie alle jüdischen Lehrerinnen und Lehrer aus dem staatlichen Schuldienst entlassen oder zwangspensioniert. Dafür, dass sie wie viele ihrer jüdischen Kolleginnen und Kollegen danach noch an einer jüdischen Schule unterrichtet hat, gibt es keine Hinweise. Aus ihrer Zeit im staatlichen Schuldienst bezog sie zunächst noch eine Pension, die sie im Januar 1940 mit 175 RM angab. Unklar ist, wie lange diese Pension gezahlt wurde.

Der Gesellschaft der Freunde des vaterländischen Schul- und Erziehungswesens gehörte sie bis 1931 an. Für das Schuljahr 1932/33 ist dann "kein Mitglied mehr" vermerkt.

Nach den Unterlagen der Schulverwaltung hat Olga Reyersbach bis 1928 in der Gellertstraße 30 gewohnt. Bis 1941 wohnte sie dann im Lattenkamp 29, wo laut Hamburger Adressbuch 1935 auch die Mutter Anna Reyersbach lebte. Nach dem Tod der Mutter am 14. März 1941 im Hamburger Sophienkrankenhaus (vormals Bethanien) ist sie am 19. Juli 1941 mit hoher Wahrscheinlichkeit aus wirtschaftlicher Not in die Eppendorfer Landstraße 46 als Untermieterin zu Elsa und Käthe Meyerhof (s. dort) gezogen.

Die wirtschaftliche Situation von Olga Reyersbach wie auch die ihrer Mutter Anna verschlechterte sich kontinuierlich: Die verwitwete Mutter, die spätestens 1935 zu ihrer Tochter Olga in den Lattenkamp 29 gezogen war, hatte ihre Wohnung in der Gellertstraße 20, in der sie schon 1924 und wahrscheinlich auch früher gelebt hatte, sicher aus finanziellen Gründen aufgegeben. Ihr Vermögen, aus dessen Erträgen sie leben musste, war von 20183 RM im April 1938 bereits 1939 auf gut 14000 RM zusammengeschrumpft. Am 31. Januar 1940 wurde eine "Sicherungsanordnung" für Anna Reyersbach verfügt; von nun an durfte sie monatlich nur noch über 250 RM frei verfügen, wobei ihre Ausgaben eigentlich 255 RM monatlich betrugen (80 RM Miete und Nebenkosten, 120 RM Lebensunterhalt einschließlich Bekleidung, 30 RM Haushilfe, Sonstiges 25 RM). Ihr Vermögen gab sie am 29. Januar 1940 mit 11700 RM Wertpapiere, 672 RM Sparguthaben und 8 RM Bargeld an, es war also innerhalb weniger Monate weiter geschrumpft. Ihre laufenden Einkünfte bestanden dabei aus Zinsen aus Wertpapieren, Unterstützung durch ihren Schwiegersohn (ursprünglich 1200 RM p. a., Erträge aus dessen Hamburger Immobilienbesitz, 1940 nur noch 500 RM) und Zinsen aus einem Sperrmarkkonto ihres in England lebenden Bruders Paul Winn. Für die Zuwendungen waren 7,5 Prozent Einkommenssteuer zu zahlen.

Die finanzielle Situation ihrer Tochter Olga war im Januar 1940 ähnlich bescheiden: Ihr Vermögen bestand aus einem Sparguthaben von 2979 RM und 378 RM Bargeld; Einnahmen hatte sie aus Sparzinsen (für 1939 87 RM) und ihrer staatlichen Pension von netto 175 RM im Monat. Ihre monatlichen Ausgaben bezifferte sie mit 175 RM für Miete und Nebenkosten (105 RM) und Lebensunterhalt einschließlich Bekleidung, Arzt und Kleinigkeiten (70 RM). Gemeinsam konnten Mutter und Tochter wohl gerade so ihr Leben finanzieren.

Nach dem Tod von Anna Reyersbach am 14. März 1941 betrug die unter "Sicherungsanordnung" stehende Erbschaft für die drei Töchter ca. 11200 RM, von denen noch Nachlass- und Begräbniskosten und hohe Arztrechnungen zu bezahlen waren. Die "Sicherungsanordnung" für die Mutter wurde zwar am 10. April 1941 aufgehoben, jedoch wurde sie nun der Tochter Olga auferlegt (für die Tochter Lisbeth Engelmann bestand bereits eine solche), die monatlich über 260 RM frei verfügen durfte. Das dürfte der Grund dafür gewesen sein, dass Olga Reyersbach vom Lattenkamp zur Untermiete in die Eppendorfer Landstraße 46 ziehen musste.

Am 16. November 1941 bat Olga Reyersbach schriftlich um Freigabe von 130 RM von ihrem gesperrten Konto, da sie sich "noch einige Gegenstände für eine etwaige Evakuierung anzuschaffen hätte, mit der ich voraussichtlich wohl bald zu rechnen habe".

Die Genehmigung erfolgte am 18. November 1941 – nur 2½ Wochen später, am 6. Dezember 1941, wurde sie, 55-jährig, zusammen mit ihren Vermieterinnen Elsa und Käthe Meyerhof nach Riga-Jungfernhof, einem Außenlager des Gettos Riga, deportiert. Seitdem ist sie verschollen. Ihr Vermögen wurde eingezogen.

Es gibt keine Hinweise, dass Olga Reyersbach irgendwann versucht hatte, Deutschland zu verlassen, obwohl es in ihrer Familie mehrere Beispiele gab: Ihre Schwester Toni Friedländer wanderte 1938 mit ihrem Mann und den beiden Söhnen nach Brasilien aus. Gegenüber der Devisenstelle erwähnte sie in einem Schreiben vom 9. Juni 1939, dass ihr Onkel Alexander 1938 ausgewandert sei und in Rio de Janeiro lebe. Er hatte ihr vor seiner Emigration inzwischen wertlos gewordene Vorkriegsanleihen überlassen. Auch dessen als Hans Reyersbach 1898 in Hamburg geborener Sohn, der später als Hans Augusto Rey eine internationale künstlerische Karriere machte, war bereits 1925 nach Rio de Janeiro gegangen.

Olga Reyersbach hat möglicherweise ihre alleinstehende Mutter, die 1938 schon 77 Jahre alt war, nicht zurücklassen wollen und daher nicht zu emigrieren versucht.

© Birgit Burgänger

Quellen: 1; 4; 5; 8; StaH 351-11 AfW, 5997; StaH 314-15 OFP, R 1941/85; StaH 314-15 OFP, 1940/72; StaH 522-1 Jüd. Gemeinden, 992e2 Band 3; AB 1886, 1924, 1935; Adler-Rudel, Jüdische Selbsthilfe, in: Schriftenreihe Leo Beck Institut, 1974; Berkemann/Meyer, Jüdisches Leben, in: Das Jüdische Hamburg, 2006; Lodz Hospital, Der Hamburger Gesellschaft für Genealogie zur Verfügung gestellt von Peter W. Lande, 2009, USHMM Washington, bearbeitet von Margot Löhr; Hamburger Lehrerverzeichnis, 1930/31 und 1931/32; Internetseite H.A. & Margret Rey Papers, aufgerufen am 7.7.2010.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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