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Familie Heudenfeld um 1900: Adolf, Elise, Max, Markus, Henry und Siegmund (v.l.n.r.)
Familie Heudenfeld um 1900: Adolf, Elise, Max, Markus, Henry und Siegmund (v.l.n.r.)
© Phil Harding, England, Urenkel von Elise Heudenfeld

Elise Heudenfeld (geborene Simonsohn) * 1861

Rutschbahn 25 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1943 Theresienstadt
ermordet 20.3.1943

Weitere Stolpersteine in Rutschbahn 25:
Lieselotte Berghoff, Ludwig Berghoff, Irma Blumenthal, Isidor Blumenthal, James Rosenstein, Rebekka Rosenstein, Ester Schlesinger, Joseph Sealtiel, Elise Sealtiel, Judis Sealtiel

Elise Heudenfeld, geb. Simonsohn, geb. am 14.6.1861 in Geestemünde, deportiert am 24.2.1943 nach Theresienstadt, dort gestorben am 20.3.1943

Rutschbahn 25

Elise Heudenfeld kam in Geestemünde (nördlich von Bremen) als Kind von Simon und Henriette Simonsohn, geborene Hirsch, auf die Welt. Über ihre Kindheit und Ausbildung ist nichts bekannt. Am 12. Mai1884 heiratete sie Markus Ezryel Heudenfeld (geboren am 3.1.1854 in Krakau), der von Polen nach Deutschland emigriert war. Dabei änderte sich sein Nachname von "Heidenfeld" zu "Heudenfeld". Markus arbeitete als Tierhauthändler und als Hutmacher.
Das Ehepaar bekam vier Kinder: Siegmund (geb.18.10.1896), Max (geb. 16.6.1888), Adolf (geb. 22.1.1891) und Henry (geb. 24.10.1894). Die Familie lebte religiös, die Söhne besuchten die Talmud- Thora- Realschule in Hamburg. Den Eltern war eine frühe musikalische Ausbildung wichtig, wie an der Geige zu sehen ist, die Max auf dem Familienfoto in der Hand hält.

Obwohl offensichtlich Ende des 19. Jahrhunderts noch gut gestellt, ging es der Familie in den 1930er Jahren schlecht. Zwischen 1934 und 1935 war das Ehepaar nicht im Stande, die Kultussteuer der jüdischen Gemeinde zu bezahlen. Diese vermerkte im Mai 1935: "erwerbslos und sehr leidend", 1937 ging es finanziell etwas besser, am 10.2.1939 starb Markus Heudenfeld.

Elise, nun verwitwet, wohnte zunächst in einer 3-Zimmer-Wohnung mit der Adresse Rutschbahn 25 in Hamburg. 1940 vermerkte die jüdische Gemeinde auf ihrer Karteikarte "Rente fehlt", aber offensichtlich besaß sie noch Ersparnisse. Am 9. September 1942 musste sie eine 1-Zimmer-Wohnung in der Beneckestraße 6, einem "Judenhaus", beziehen. In solchen Gebäuden "Judenhäuser" brachte die jüdische Gemeinde Personen unter, die ihre Wohnungen verloren hatten oder räumen mussten. In der Beneckestraße 6 sammelte sie überwiegend ältere Menschen, zu denen Elise Heudenfeld mit ihren nunmehr 81 Jahren gehörte. Sämtliche Möbel aus ihrer alten Wohnung wurden konfisziert. Im Februar 1942 musste sie einen "Heimeinkaufsvertrag" abschließen. Mit einem solchen Vertrag übereigneten ältere Jüdinnen und Juden der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland ihr Vermögen, die ihnen im Gegenzug Unterbringung und Versorgung auf Lebenszeit zusicherte. Die Reichsvereinigung musste dieses Geld an das Reichssicherheitshauptamt abführen. Dass mit der "Versorgung" die Einweisung in das Getto Theresienstadt gemeint war, ahnten die Betroffenen wie Elise Heudenfeld nicht. Sie zahlte für diese Lüge die Summe von 5.220 Reichsmark. Wie alle Jüdinnen und Juden musste sie inzwischen den "Judenstern" tragen. Mittlerweile hatten etliche Deportationstransporte Hamburg in Richtung Lodz, Minsk, Riga, Auschwitz und Theresienstadt verlassen.

Elise Heudenfeld erhielt den Deportationsbefehl für den 24. Februar 1943 nach Theresienstadt. Mit dem Transport VI/ 3-20 erreichte sie das Getto zwei Tage später. Dort starb sie bereits nach wenigen Wochen am 20. März 1943 (abweichendes Datum: 26.3.1943).

Welches Schicksal erlitten ihre Kinder?
Über Adolf Heudenfeld ist wenig überliefert. Er starb während eines Einsatzes im Ersten Weltkrieg zwischen 1914 und 1918.

Siegmund Heudenfeld, der später Margarethe Wolff (geb. 4.1.1894 in Neubukow) heiratete und mit ihr am 25.8.1919 eine Tochter namens Ilse bekam, arbeitete vor der NS-Zeit als Geschäftsführer eines Konsumwarenladens in Hamburg, an dem auch seine Frau beteiligt war. Beide wurden am 8. November 1941 in das Getto von Minsk deportiert, wo sie (nach Aussage des überlebenden Max Heudenfeld) erschossen sein sollen.

Ilse Heudenfeld gelang es, am 30. Mai 1940 über die Zwischenstation Großbritannien in die USA zu fliehen, wo sie am 22. Juli 1948 Arthur Himmelweit, einen aus Berlin geflüchteten Juden, heiratete.

Max Heudenfeld heiratete später Emma Ernestine Heudenfeld (geborene Fröschl), und bekam mit ihr zusammen einen Sohn namens Hellmuth. Max Heudenfeld gehörte ein Geschäft für Rohstoffe für die Bürsten- und Pinselfabrikation in Hamburg. Dieses wurde zwangsweise liquidiert. Max Heudenfeld glaubte sich aufgrund seiner "arischen" Ehefrau einigermaßen sicher vor der nationalsozialistischen Verfolgung. Seinem Sohn Hellmuth, als "Mischling ersten Grades" eingestuft, gelang es, nach Venezuela zu fliehen.

Max Heudenfeld bemühte sich vergeblich um eine Auswanderung. Vom 19. September 1941 bis zum 7. August 1943 mussten er und seine Frau in einem sogenannten Judenhaus leben. Max Heudenfeld erzählte später anderen Familienmitgliedern, er sei nach Minsk deportiert worden, habe dort die Erschießung seines Bruder und dessen Frau miterlebt, sei dann geflohen und habe – zurück in Hamburg – bei Karl und Lina Brinkmann, den Eltern seiner ehemaligen Schwägerin Luise, in deren Hamburger Wohnung versteckt gelebt. Belege für Deportation und Flucht ließen sich allerdings nicht finden, Max Heudenfelds Name findet nicht auf den Minsker Deportationslisten.
Dafür ist er auf der Liste für einen sogenannten Auswärtigen Arbeitseinsatz verzeichnet: Die Deportation am 14. Februar 1945 aus Hamburg nach Theresienstadt. Zu diesem angeblichen "Auswärtigen Arbeitseinsatz" kommandierte die Gestapo Juden, die in noch existierenden Mischehen lebten und aus diesem Grund bis dahin vor dem Abtransport geschützt gewesen waren. In Theresienstadt wurde Max Heudenfeld am Ende des Krieges von der Roten Armee befreit, er kehrte nach Deutschland zurück und eröffnete seine Firma im Sommer 1945 wieder.
Max Heudenfeld starb am 12. Dezember 1962 in Wien an den Folgen eines Schlaganfalls. Seine Frau Emma schied am 25. Oktober 1975 nach einer schweren Krankheit aus dem Leben, während sie sich bei ihrem Sohn in Caracas (Venezuela) aufhielt.

Henry Josua Heudenfeld (geb. am 19.10.1921) heiratete später Luise Brinkmann (geb.16.11.1902 in Bad Salzuflen). Die beiden wurden zweimal Eltern: Als erstes wurde Rolf am 19.7.1922 geboren, später am 17.9.1925 kam Luise hinzu. 1930 ließen Henry und Luise Heudenfeld sich scheiden. Henry Heudenfeld ging eine zweite Ehe ein mit Martha Isaac, geboren am 9.8.1902 in Velbert. Henry Heudenfeld war bis zum Novemberpogrom 1938 Geschäftsführer einer Exportfirma, die dann "arisiert" wurde. Sein Sohn Rolf konnte mit einem Kindertransport nach Großbritannien flüchten. Tochter Luise versteckte sich anfangs auf einem Bauernhof in Baden, musste dann wechseln und fand auf dem Anwesen einer Gräfin in Lauenbrück (zwischen Bremen und Hamburg) Zuflucht, wo sie als Köchin arbeitete und überlebte.
Henry Heudenfeld versuchte noch 1941, mit seiner Frau in die U.S.A. emigrieren, doch sie verblieben in der Zwischenstation Barcelona "stecken", da ihnen ihr Ticket nicht zugestellt wurde. Martha Heudenfeld starb in Spanien. Henry Heudenfeld kehrte im August 1951 mittellos nach Hamburg zurück , wo er bis zu seiner Pensionierung als Verwaltungsangestellter arbeitete und bis zu seinem Tod am 22.7.1997 lebte.
Luise emigrierte 1949 nach Großbritannien und ließ, wie bereits ihr Bruder Rolf, ihren Nachnamen in Harding ändern.

Stand Februar 2015

© Fabian Stadtlander

Quellen: StaHH 522-1, 992b, Kultussteuerkarteien; ebd., 332-5, 47034, Generalregister Heiraten , S. 233 Bundesarchiv, R 1501, Reichssippenamt, Ergänzungskarten zur Volkszählung v. 17.5.1939; Hamburger Adressbücher 1937; www2.holocaust.cz/de/victims; www.statistik-des-holocaust.de; Der Aufbau 23.7.1948; JDC, Personenindex; für die E-Mail-Auskünfte vom 17.12.2013 und 20.2.2014 danke ich Phil Harding herzlich.

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