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Bereits verlegte Stolpersteine



Josef Feiner
© Privatbesitz Inge Flehmig, geb. Feiner

Josef Feiner * 1863

Kahlkamp 1a (Altona, Blankenese)

Freitod 11.3.1938 Hamburg

Siehe auch:

Josef Feiner, geb. am 14.10.1863, Freitod am 11.3.1938 in Hamburg

Kahlkamp 1a

Josef Feiner wurde am 14. Oktober 1863 in Wittlich/Rheinland-Pfalz geboren als ältester Sohn des Wittlicher Metzgers Simon Feiner und dessen Frau, der Rabbinertochter Karoline, geborene Baum. Er bekam noch sieben Geschwister, fünf Brüder und zwei Schwestern, von denen eine jedoch bereits mit zwei Monaten starb.

Mit sechs Jahren wurde Josef Feiner eingeschult, in die damals neu gegründete jüdische Privatschule in Wittlich. Mit zwölf Jahren wechselte er zur katholisch ausgerichteten Höheren Stadtschule, ebenfalls in Wittlich. Nach erfolgreichem Schulabschluss besuchte er das jüdische Lehrerseminar in Münster. Anschließend, von 1884 bis 1889, arbeitete er als Lehrer in Sonsbeck am Niederrhein: Zunächst unterrichtete er privat die sechs Kinder zweier jüdischer Familien, ab 1887 war er an der jüdischen Privatschule der Gemeinde tätig. Nach bestandener erster und zweiter Lehrerprüfung zog er 1889 nach Brandenburg und arbeitete zwei Jahre lang in Finsterwalde. 1892 kam er nach Hamburg, wo er zunächst wenige Monate an der Israelitischen Töchterschule in der Karolinenstraße beschäftigt war. Noch im gleichen Jahr wurde er als Lehrer nach Hamburg an die Stiftungsschule von 1815 am Zeughausmarkt berufen, ursprünglich eine jüdische Armenschule. Feiner hatte sich wegen des modernen Konzepts der gemeinsamen Erziehung von jüdischen und nichtjüdischen Kindern an dieser Schule beworben, die unter der Leitung Anton Rées eine der angesehensten und beliebtesten Schulen Hamburgs geworden war. Er unterrichtete dort Deutsch, Geschichte, Geografie und jüdische Religion. 1901 legte er noch die Rektoratsprüfung ab, leitete jedoch in Hamburg keine Schule mehr. 1920 wurde die Stiftungsschule von 1815 verstaatlicht und in Anton-Rée-Schule umbenannt, 1933 musste sie aus Mangel an Anmeldungen schließen. Josef Feiner wirkte dort bis zu seiner Pensionierung im Januar 1929. Heute ist in dem Gebäude die berufsbildende Anna-Siemsen-Schule untergebracht.

Neben seiner Tätigkeit als Lehrer engagierte sich Josef Feiner viele Jahre in der Jüdischen Gemeinde. Als Kandidat der liberalen Liste gehörte er deren Repräsentantenkollegium an. Lange amtierte er zudem als Vorsitzender des Lehrervereins Mendelssohn sowie des Verbandes der jüdischen Lehrervereine im Deutschen Reich. Darüber hinaus betätigte er sich als Redakteur beim "Israelitischen Familienblatt" und veröffentlichte selbst umfangreiche Schriften – darunter zwei Bücher über Hamburger Vorkämpfer für die politische Gleichberechtigung der Jüdinnen und Juden: 1906 "Gabriel Rießers Leben und Wirken. Ein Buch für jung und alt" sowie 1916 "Dr. Anton Rée. Ein Kämpfer für Fortschritt und Recht".

Bereits im Jahr nach seiner Anstellung in Hamburg, genauer, am 16. Mai 1893, hatte Josef Feiner geheiratet. Seine Ehefrau Fanny, geborene Fröhlich, war eine frühere Schülerin und rund zehn Jahre jünger als er. Sie stammte aus einer wohlhabenden rheinländischen Kauf-mannsfamilie, und die Eheschließung fand in Sonsbeck statt. Mit Fanny hatte er drei Kinder, die alle in Hamburg zur Welt kamen: 1894 Hermann, 1896 Hertha und 1899 Erich. Er kümmerte sich intensiv um sie, vor allem aber lag ihm Herthas Ausbildung am Herzen, sie wurde ebenfalls Lehrerin. Einen Schatten auf das Familienleben warf jedoch die Krankheit seiner Ehefrau. Offenbar litt Fanny Feiner stark unter Depressionen. Anfang August 1918 reisten Josef und sie nach Wittlich, um seine Eltern und Geschwister zu besuchen. Wenige Tage später verließ Fanny das Haus und kehrte nicht mehr zurück. Ihr Mann machte sich größte Sorgen und meldete sie bei der Wittlicher Polizei als vermisst. Kurz darauf gab er zudem im "Wittlicher Kreisblatt" erstmals eine Suchanzeige auf und dann wieder und wieder – am 15., 18. und 20. August –, immer mit dem Schlusssatz: "Hohe Belohnung wird dem zugesichert, der mir eine wirkliche Handhabe zur Wiederauffindung gibt. z. Zt. Wittlich, Jos. Feiner, Hamburg, Abendroths-weg 71". Da war Fanny Feiner jedoch schon seit mehreren Tagen tot. Sie war von Wittlich nach Sonsbeck gefahren, ohne jemandem etwas davon zu sagen, und hatte sich dort das Leben genommen.

Zwei Jahre nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete Josef Feiner erneut: die aus Krefeld stammende, 13 Jahre jüngere Witwe Hetti Hausmann, geborene Salomon. Die standesamtliche Trauung fand am 18. Oktober 1920 in Hamburg statt. Hetti Feiner brachte zwei Söhne mit in die Ehe, Adolf und Ernst Hausmann. Bereits vor 1933 trennten sie und Josef Feiner sich jedoch wieder und sie zog mit ihren Söhnen zurück nach Köln, wo sie schon vor dem Umzug nach Hamburg gelebt hatten. Josef Feiner verbrachte die letzten Jahre seines Lebens in Blankenese. Er wohnte zur Untermiete bei der Familie Emma und Ahron Arnold Kohn im Kahlkamp 1 a.

Am 11. März 1938 nahm sich Josef Feiner das Leben. Seine Enkelin Inge Flehmig berichtete später, der Auslöser für den Freitod ihres Großvaters sei eine Denunziation gewesen. Er hatte auf der Straße eine ehemalige, nichtjüdische Schülerin angesprochen und wurde daraufhin der "Rassenschande" bezichtigt. Diesem Gipfel in einer langen Reihe von Schikanen, Ächtungen und ganz konkreten Maßnahmen gegen seine Person war der 75-jährige Mann nicht mehr gewachsen. Er wurde neben seiner ersten Frau Fanny auf dem jüdischen Friedhof an der Ilandkoppel in Ohlsdorf beerdigt.

Seine zweite Frau, Hetti, war 1937 von Köln aus nach Südafrika emigriert. Damit war sie ihren Söhnen Adolf und Ernst gefolgt, die bereits 1935 bzw. 1936 vor den NS-Verfolgungen dorthin geflohen waren. Josef Feiners jüngste Brüder Lion und Salomon starben im Holocaust. Lion wurde 1942 von Köln aus nach Theresienstadt deportiert, wo er am 6. Oktober 1944 ermordet wurde. Salomon wurde während des Novemberpogroms 1938 verhaftet und war bis zum 28. November 1938 in Sachsenhausen inhaftiert. Es gelang ihm zwar später noch, nach Luxemburg zu fliehen. Am 16. Oktober 1942 wurde er jedoch an einem bislang unbekannten Deportationsort ermordet.

Josef Feiners jüngster Sohn Erich konnte 1938 aus Deutschland fliehen, zunächst nach Argentinien, von dort nach Uruguay. Nach dem Krieg kehrte er nach Hamburg zurück, wo er 1969 starb. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof Ohlsdorf.

Der zweite Sohn, Hermann, war ab 1921 Richter beim Hamburger Landgericht gewesen. Nach seiner Zwangspensionierung 1934 und infolge der zunehmenden Ausgrenzung der Jüdinnen und Juden nahm er sich 1935 das Leben. Für ihn liegt ein Stolperstein in Winterhude in der Willistraße 18, ein zweiter Stein vor dem Ziviljustizgebäude Sievekingsplatz 1 erinnert an sein Wirken als Richter.

Josef Feiners Tochter Hertha war in Hamburg mit dem nichtjüdischen Buchhändler und Verleger Johannes Asmus verheiratet gewesen. Die Ehe wurde jedoch Anfang 1933 geschieden. Damit war Hertha vor den NS-Verfolgungen nicht geschützt. Im April 1933 verlor sie ihre Stelle als Lehrerin an der Schule Meerweinstraße in Winterhude. 1935 zog sie mit ihren beiden damals zehn und zwölf Jahre alten Töchtern Inge und Marion, die als "Mischlinge ersten Grades" galten, nach Berlin. Dort fand sie zunächst Arbeit an verschiedenen jüdischen Schulen, später wurde sie zwangsweise bei der Jüdischen Gemeinde verpflichtet, wo sie Deportationen von Jüdinnen und Juden mitorganisieren musste. Im März 1943 wurde sie selbst nach Auschwitz deportiert. Während des Transports nahm sie sich mit einer Kapsel Zyankali das Leben. Die Briefe, die sie zwischen 1939 und 1942 an ihre Töchter in einem Schweizer Internat schrieb, dokumentieren ihre Verfolgung und ihre verzweifelten Versuche, dem Tod zu entgehen. Darauf geht auch der Historiker Saul Friedländer in seinem Buch "Die Jahre der Vernichtung. 1939–1945" an mehreren Stellen ein.

In Hamburg-Winterhude liegt in der Stammannstraße 27 ein Stolperstein für Hertha Feiner (s. Sparr, Stolpersteine in Hamburg-Winterhude, S. 80 ff.). Außerdem gibt es in Winterhude seit 1992 eine nach ihr benannte Straße, den Hertha-Feiner-Asmus-Stieg, und auf dem Gelände der heutigen Stadtteilschule Winterhude an der Meerweinstraße erinnert die durch die Initiative einer Schülergruppe entstandene Kunstinstallation "Denk-Mal gegen Ausgrenzung" an sie und eine jüdische Kollegin, die im Holocaust ermordet wurde.

Stand September 2015

© Birgit Gewehr/Frauke Steinhäuser

Quellen: 1; 4; 5; 8; StaH 332-5 Standesämter, 9580 u. 1107/1920; StaH 332-8 Meldewesen, A 50/1 (= 741-4 Fotoarchiv, K 5005); StaH 731-8 Zeitungsausschnittssammlung, A756 (Feiner, Josef); StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 864 (Henriette Hausmann verwitwete Feiner); Willers-Inselmann, Zur Erinnerung an Josef Feiner, (zugrunde liegt auch ein Gespräch mit der Enkelin Inge Flehmig); Franz-Josef Schmit, Josef Feiner. Ein jüdischer Lehrer aus Wittlich, Trier 2011; E-Mail-Korrespondenz im Oktober 2009; Bake, Wer steckt dahinter?; Feiner, Vor der Deportation; Friedländer, Die Jahre der Vernichtung, S. 122 f., 169, 348, 398, 454, 546 u. 691; Fehrs, Josef Feiner; Institut für die Geschichte der deutschen Juden, Hamburg (Hrsg.), Das Jüdische Hamburg, S. 74 f.; Sparr, Stolpersteine, S. 80 ff.; zu Hermann Feiner siehe www.stolpersteine-hamburg.de; Baumbach, Israelitische Freischule in: Institut für die Geschichte der deutschen Juden, Hamburg (Hrsg.), Das Jüdische Hamburg, S. 125.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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