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Bereits verlegte Stolpersteine



Dan und Olga Wolf 1941
© Privatbesitz Familie Wolf, San Raphael CA, USA

Dan Wolf * 1939

Eppendorfer Baum 10 (Eimsbüttel, Harvestehude)

1941 Riga
ermordet

Siehe auch:

Weitere Stolpersteine in Eppendorfer Baum 10:
Hans Beer, Heinz Beer, Margot Beer, Fanny Berlin, Thekla Bornstein, Paula Gans, Richard Gans, Hedwig Weiss, Olga Wolf

Dan Wolf, geb. 22. Februar 1939 in Hamburg, deportiert nach Riga 6. Dezember 1941

Dan Wolf wurde als Sohn von Donat und Olga Wolf, geb. Berlin am 22.02.1939 in Hamburg geboren. Die Eheleute wohnten in der Fuhlsbüttler Landstraße, wo Olga Berlins Familie eine Grabsteinfirma führte. Nachdem Donats Bruder James Wolf sowie die beiden Brüder Olgas, Ernst und Herbert Berlin, anlässlich der Pogromnacht vom November 1938 für rund einen Monat ins KZ Sachsenhausen verschleppt wurden, bemühte sich Donat Wolf seit Anfang 1939 mehrfach um eine Einreisegenehmigung in verschiedene Länder … jedoch ohne Erfolg, da die erforderlichen finanziellen Mittel fehlten.

Im Juli 1939 gelang es Donat Wolf dann doch noch, gemeinsam mit seinem Bruder James und seinem Schwager Ernst Berlin eine Schiffs-Passage zu buchen, die sie schließlich nach Shanghai führte. Die Familien sollten zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden, "da niemand glaubte, dass den Frauen und Kindern etwas zustoßen könnte", wie Donat Wolf 1977 in einem Brief an seine Enkelkinder aus zweiter Ehe schrieb.

Den Tag seiner Abreise am 26. Juli 1939 schildert Donat in diesem Brief so: "Wie soll ein Mann die Tage beschreiben, bevor er sein Zuhause verlässt, seine Frau, seinen Sohn und alles von dem er glaubte, es sei seine Zukunft? Ich sehe mich immer noch, wie ich das Haus in Ohlsdorf verlasse – Olly steht im Flur mit unserem Sohn auf dem Arm und ebenso steht da meine Schwiegermutter Fanny Berlin …. und ich werde sie alle nie wieder sehen."

Wenige Monate nachdem Donat abgereist war wurde der Betrieb der Berlins vor dem jüdischen Friedhof in Ohlsdorf "arisiert" und Fanny Berlin sowie Olga und Dan Wolf mussten eine kleine Wohnung am Eppendorfer Baum beziehen, in der sie sich ausweislich noch erhaltener Briefe allerdings recht wohl fühlten. So schreibt Fanny Berlin am 8.8.1939 an ihren Sohn Herbert, der nach England emigriert war: "Nun sind wir also schon eine Woche in unserem Heim und es gefällt Olly, mir und auch Dan sehr gut; wir haben keine Sehnsucht nach Ohlsdorf, noch nicht eine Minute. Kannst Du Dir denken, dass ich den alten Stall schon fast vergessen habe. Es war ja auch zuletzt zu dreckig; der Kalk ist förmlich von den Wänden gefallen, man konnte nur noch den Regen, da es überall durchregnete, aufwischen."

Dans Entwicklung wird in den folgenden Briefen ebenfalls beschrieben:

"Dan macht uns große Freude; in den nächsten Tagen hat er bestimmt seine ersten Zähne. Mama sagt er auch schon, manchmal sogar zu mir. Er hat sich fein rausgemacht, trotzdem er nicht mehr den ganzen Tag im Freien stehen kann." [Fanny Berlin (F.B.): 15.8.1939]

"Heute, 22. August, ist Dan ½ Jahr. Er macht uns viel Freude. Seit über 14 Tagen hat er einen Pott, den er aber nicht gebraucht. Alles will er greifen, versteht schon manches, sagt ab und zu Mama, ohne natürlich den Sinn zu wissen, ‚kräht’ wie eine Nachtigall, ist drall, fest, kugelrund, immer freundlich, lacht fast jeden an – nur leider kann er nicht genug essen – so was Verfressenes! Aber es ist wenigstens keine Quälerei damit. Ob er wohl noch lernt bis er Opa ist, den Topf richtig zu benutzen? Er macht allerlei Unfug dann, kloppt sich auf die Beine. Dreht sich nach allem um, aber das Richtige bemerkt er nicht. Schade, Du müsstest ihn sehen, Du würdest Dich amüsieren."
[Olga Wolf (O.W.): 22.8.1939]

Dan wiegt jetzt mindestens 18 Pfund. Neulich war ich beim Doktor, weil er zu gesund ist, er isst nämlich zu viel. Dort wog er 8,3 Kilo. Er tätschelte ihn ein paar Mal und wiederholte immer: "Ein Prachtkerl ist das!" Er ist bei seinem Gewicht groß und fest gebaut. Hat eine breite hohe Männerbrust schon; verspricht, wenn alle geschäftlichen Transaktionen nicht gelingen, ein Weltmeister im Preisboxen zu werden oder so ähnlich! Augenblicklich verspricht er erstmal, ein Racker zu sein. Er ist sehr artig. Ein ganz Vergnügter. Frl. Bertha Heymann nennt ihn ‚Snuten und Poten-Wolf’. Er gibt eine Welle manchmal an. Mischt hier herum. Lacht, wenn Mami jr. lacht. Jeden lächelt er übrigens freundlich an und ist gar nicht fremd. Geht von einem Damenschoß zum andren. Das macht ihm nichts aus! Er hat schon mächtige Chancen und wird sehr bewundert […] - Uns geht es wirklich gut und wir geben die Hoffnung nicht auf, dass es bald Frieden wird und wir alle zusammen vereint sind.
[O.W.: 2.10.1939]

Dan ist fein zu Wege, macht Arbeit aber auch Vergnügen, jede Nacht schläft er fein durch. Von seinem Topf hat er so viel Freude und möchte zu gerne damit spielen, aber Olly lässt nichts durchgehen, Du kennst sie ja!! Oben hat er 4 Zähne und unten erst 2. [F.B.: 12.12.1939]

Lucos [Ludwig und Jacoba Meyer] haben uns unlängst eine reiche Sendung [aus Holland] zugehen lassen, mit der auch besonders Dan bedacht wurde und noch wird. Er ist ein Prachtkerl und nimmt fleißig an Gewicht und Talenten zu. Donat erlaubt nicht, dass wir ihn [zum] Affen erziehen, Du weißt, dass uns das auch nicht liegt. Jetzt kann man schon so richtig mit ihm rumtoben. Kitzlig ist er … das einzige was er von mir bislang geerbt hat! [O.W.: 23.1.1940]

Dan hat sich famos entwickelt, er könnte schon tüchtig mit Dir toben, hat auch einen Willen. Wenn er nein sagt, ist es bestimmt nein. Sonst ist er aber sehr lieb und hat jetzt schon viele Freundinnen, wie Du. Er schläft jetzt jede Nacht durch. Ich hoffe auch, dass er uns weiter nicht stört, nur trocken nachts mag er noch nicht sein. [F.B.: 14.1.1941, der letzte erhaltene Brief]

1942 schickte Ludwig Wolf (Gebrüder Wolf) folgende Nachricht über das Rote Kreuz an Herbert Berlin:

Mutter, Olly, Dan am 4. Dez. 41
evakuiert wohin unbekannt
bis jetzt keine Nachricht erhalten.
Mit besten Gruß
Ludwig Wolf
Hamburg
Hütten 86
Germany

Fanny Berlin, Olga Wolf und Dan Wolf wurden am 6. Dezember 1941 nach Riga deportiert. Das Datum ihrer Ermordung ist nicht bekannt.

http://ngm.nationalgeographic.com/ngm/0406/resources_geo.html
© Johann-Hinrich Möller, Februar 2008

Quellen: Brief von Donat Wolf an seine Enkelkinder Dan und Jessica vom 9. März 1977, Privatbesitz Familie Wolf, San Raphael, CA, USA; Briefwechsel Fanny Berlin [F.B.] und Olga Wolf [O.W.] mit Herbert Berlin in England, Privatbesitz Familie Berlin, San Raphael, CA, USA.

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