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Bereits verlegte Stolpersteine



James Lewie * 1884

Isestraße 80 (Eimsbüttel, Harvestehude)

1941 Riga

Weitere Stolpersteine in Isestraße 80:
Alfred Beer, James Wiener, Clara Wiener

James Lewie, geb. am 3.8.1884 in Hamburg, deportiert am 6.12.1941 nach Riga

Brahmsallee 24

James Lewie lebte von Januar 1941 bis zu seiner Deportation in der Isestraße, als Untermieter bei Wiener. Er wurde in Hamburg geboren, sein Vater, Isidor Lewie, war von Beruf Kaufmann. Nach dem Besuch der Talmud Tora Schule absolvierte James Lewie eine kaufmännische Lehre in einem Kolonialwaren- und Drogeriegeschäft. 1906/1907 diente er als "Einjähriger". Danach machte er sich als Anzeigenvertreter selbstständig und unterhielt in der Innenstadt ein Büro. Auf Provisionsbasis vermittelte er Annoncen an Frauenzeitschriften, vor allem für die "Hamburger Hausfrau" und den Bayer-Verlag in Leipzig, wo sich die Anzeigenleiterin im Jahre 1962 noch an ihn erinnern konnte.

Im Ersten Weltkrieg war James Lewie als Soldat in verschiedenen Garnisonen eingesetzt. In einer ersten Ehe, die 1923 geschieden wurde, kamen 1915 ein Sohn und 1916 eine Tochter zur Welt.

James Lewie heiratete 1925 ein zweites Mal, die nichtjüdische geschiedene Elisabeth Christiansen, geborene Hess, die zwei Kinder aus erster Ehe hatte. Die zweite Ehe blieb kinderlos.

James Lewies Geschäft scheint bis in die 1930er-Jahre gut gelaufen zu sein. Dann verlor er vermutlich durch Repressalien der nationalsozialistischen Behörden sein sicheres Einkommen und geriet in der Not vom rechten Weg ab. Mit gefälschten Papieren verschaffte er sich ein Jahr lang Provisionen für Aufträge, die gar nicht existierten. Als der geschädigte Betreiber eines Lesezirkels den Betrug im Sommer 1937 bemerkte, zeigte er James Lewie aus Mitleid nicht an, auch, weil dieser versicherte, er werde den Schaden ersetzen. Einen Teil des Geldes benutzte James Lewie, um in die Schweiz zu reisen, wo er sich Hilfe für eine Auswanderung erhoffte.

Seine Kinder aus erster Ehe emigrierten, der Sohn 1935 nach Palästina, die Tochter 1938 nach China. Am 7. Juli 1938 ließ sich seine nichtjüdische Frau von ihm scheiden. James Lewie musste aus der gemeinsamen Wohnung in der Brahmsallee ausziehen. Seine Frau nahm ihren Namen aus erster Ehe wieder an und wanderte im April 1939 nach Argentinien aus, wo ihr Sohn aus erster Ehe lebte. Im Jahre 1958 bezeugte sie, sie habe die Wohnung und alle Wertgegenstände verkauft und Steuerschulden für ihren Mann beglichen, ihr Mann habe ihr später in die Emigration folgen sollen.

Nach dem Novemberpogrom 1938 geriet James Lewie offenbar in die allgemeine Verhaftungswelle und kam in das Konzentrationslager Sachsenhausen. Von dort liegt eine Entlassungsbescheinigung vom 15. Dezember vor.

Im Februar 1939 erstattete der Juniorchef des Zeitschriftenvertriebs dann doch eine Strafanzeige. Die Beweise waren so erdrückend, dass James Lewie die Tat sofort voller Reue gestand und um eine milde Strafe bat, weil er sich in einer Notlage befunden habe. Er erklärte sich mit einem Schnellgerichtsverfahren einverstanden. Am 13. Februar wurde er verhaftet. In der Haftbegründung hieß es: "Bei Lewie handelt es sich um einen Volljuden." Damit war das Urteil präjudiziert. Außerdem wurde ihm "Fluchtverdacht" unterstellt, es hieß, er habe sich im chinesischen Konsulat um eine Einreiseerlaubnis bemüht. Offensichtlich hatte er die Absicht, seiner Tochter zu folgen.

Am 23. Februar 1939 wurde er zu einem Jahr und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt, ein Strafmaß, das bei einem Nichtjuden mit Gewissheit anders ausgefallen wäre. Als "strafmildernd" wurde seine bisherige Unbescholtenheit anerkannt. Allerdings, gerade als Jude habe er "allen Anlass, sich anständig zu führen" und außerdem die "Pflicht, die staatlichen und jüdischen Wohlfahrtseinrichtungen in Anspruch zu nehmen". Stattdessen habe er "unverfroren Geld zur Stellensuche im Ausland" verwendet.

Die Untersuchungshaft wurde angerechnet. Der 15. Februar 1939, 14 Uhr 15 galt als Haftbeginn. Das Ende der Haft wurde folglich auf den 15. August 1940, 14 Uhr 15 festgesetzt.

Während seiner Inhaftierung lief gegen James Lewie ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung: Er wurde verurteilt, Steuerschulden von 5000 RM zu zahlen, vermutlich die "Vermögensabgabe", die alle Juden leisten mussten. Er konnte diese Summe nicht aufbringen, da er kein Geld mehr besaß und auch keine Gegenstände, die man hätte pfänden können. Er wohnte "möbliert auf Zimmer". Nachdem von Amts wegen seine völlige Mittellosigkeit festgestellt worden war, wurde die Geld- in eine Haftstrafe von 200 Tagen umgewandelt. Angeordnet vom 15. August 1940, 14 Uhr 15. Die erneute Haft sollte bis zum 3. März 1941, 14 Uhr 15 dauern.

Vom Gefängnis aus bemühte sich James Lewie mit Hilfe eines "Konsulenten" verzweifelt, über Freunde und Bekannte das nötige Geld aufzutreiben. Er erhielt dafür sogar eine Schreiberlaubnis. Am 20. August 1939 schrieb er an das Amtsgericht: "… auf alle Fälle werde ich mir die allergrößte Mühe geben, das Geld im In- und Ausland anzuschaffen, damit ich nach Verbüßung meiner augenblicklichen Strafe schleunigst auswandern kann + die Freiheitsstrafe nicht zur Vollstreckung kommt."

Er blieb erfolglos. Penibel wurde der Strafantritt für den 15. August 1940, 14 Uhr 15 vorgemerkt. Der Anwalt erreichte für James Lewie einen Hafturlaub vom 31. Oktober 1940 bis zum 14. November 1940, der noch einmal um zwei Wochen verlängert wurde. Aber auch außerhalb des Gefängnisses scheiterte James Lewie bei seiner Suche nach Hilfe. Jüdische Freunde und Bekannte, falls sie überhaupt noch Geld besaßen, konnten nicht mehr frei darüber verfügen und ihm nicht helfen.

Am 22. November 1940 reichte der Anwalt ein Gnadengesuch ein. Am 30. November 1940 beschied die Strafsachenstelle des Finanzamts "Hamburg-Rechtes Alsterufer": "Ich habe dem James Israel Lewie die durch Strafhaft vom 15.8.1940 bis 31.10.1940 noch nicht getilgte Geldstrafe von RM 3075,– aufgrund des Gnadenerlasses des Führers und Reichskanzlers für die Zivilbevölkerung vom 9.9.1939 erlassen."

James Lewie kam also frei. Hoffnung auf eine Auswanderung gab es jedoch nicht mehr. In der Isestraße fand er eine bescheidene Bleibe, von wo er am 6. Dezember 1941 nach Riga deportiert wurde. Für James Lewie wurde ein zweiter Stolperstein in der Isestraße 80 verlegt.

Stand: September 2016
© Christa Fladhammer

Quellen: 1; 4; StaH, 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht Strafakten, 1450/1939; StaH, 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 472/41; AfW 030884 ; Landgericht Hamburg, Scheidungsurteil 6R 194/38.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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