Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine



Klaus Holst * 1939

Ausschläger Allee 5 (Hamburg-Mitte, Rothenburgsort)


HIER WOHNTE
KLAUS HOLST
JG. 1939
EINGEWIESEN 1943
ALSTERDORFER ANSTALTEN
"VERLEGT" 1943
HEILANSTALT KALMENHOF
TOT 7.9.1943

Klaus Holst, geb. 18.10.1939 in Hamburg, Tod in der "Heil- und Pflegeanstalt Kalmenhof" in Idstein am 7.9.1943

Ausschläger Allee 5 (Ausschläger Allee 15)

Klaus Holst wurde vom Landesjugendamt am 21. Juni 1943 aus dem städtischen Kleinkinderheim am Winterhuder Weg 11 zusammen mit zwei anderen Kindern den damaligen Alsterdorfer Anstalten zugewiesen. Der am 9. Mai 1940 in Altona geborene Bruno Schleemann teilte von da an sein Schicksal. Klaus’ Einweisungsdiagnose lautete "Imbezillität", ein Intelligenzdefekt mittleren Grades. Für die Kosten ihres Aufenthalts kam die Sozialverwaltung auf.

Klaus hatte einen ungünstigen Start ins Leben: Beide Eltern waren mit der Versorgung und Erziehung des Kindes vollkommen überfordert. Als das Jugendamt diesen Sachverhalt entdeckte, wurde Klaus in das Kinderkrankenhaus Rothenburgsort eingewiesen. Dort sollte geklärt werden, ob sein Entwicklungsrückstand auf der Vernachlässigung als Säugling und Kleinkind beruhte oder ob er behindert war. Da Klaus körperlich gesund war, endete die Beobachtungszeit mit seiner Verlegung in das Kleinkinderhaus der Sozialverwaltung. Andernfalls hätte der Direktor des Kinderkrankenhauses, Wilhelm Bayer, ihn dem "Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung erb- und anlagebedingter schwerer Leiden" (s. dort) melden können, und das hätte die Tötung bedeuten können.

Klaus wurde im Kleinkinderhaus am 23. März 1943, dreieinhalb Jahre alt, psychiatrisch untersucht. Er reagierte auf den Arzt nicht ängstlich, sondern unbefangen und freundlich, wirkte dabei aber völlig hilflos. Mit Spielzeug wuss­te er nichts anzufangen, berührte es nicht einmal. Nur wenn es mit lautem Krach hinfiel, lachte er auf. Er schrie viel ohne erkennbaren Grund, aß nicht allein und war nicht sauber und trocken. Die Ärzte kamen zu dem Schluss, dass Klaus in die Pflege seiner Mutter entlassen werden könnte, da er keine besonderen Schwierigkeiten mache. Da diese jedoch dazu nicht in der Lage sei, sei seine Unterbringung in einer "Bewahranstalt" notwendig.

Bei seiner Aufnahme in "Alsterdorf" wog Klaus 11,7 kg bei 84 cm Körperlänge, ein zarter, körperlich weit unterentwickelter Junge. Er begann, erste Gehversuche zu machen. Bei seinem guten Appetit waren Fortschritte zu erwarten.

Einen Monat später wurde Hamburg bei den schweren Luftangriffen weitgehend zerstört, auch Klaus‘ Elternhaus in Rothenburgsort und Teile der damaligen Alsterdorfer Anstalten lagen in Trümmern. Mit Zustimmung der Hamburger Gesundheitsverwaltung verlegte die Anstaltsleitung, um Raum zu schaffen, insgesamt 469 Bewohnerinnen und Bewohner in weniger luftgefährdete Anstalten.

Der erste Transport von 128 männlichen Personen führte in den Rheingau und verließ Hamburg am 7. August 1943 vom Güterbahnhof Langenhorn. Zu ihm gehörten Klaus Holst und Bruno Schleemann sowie weitere 50 Jungen unter zwölf Jahren, die für die "Heil- und Pflegeanstalt Kalmenhof" in Idstein am Taunus bestimmt waren, wo sie am folgenden Tag eintrafen. Aus der ehemals pädagogisch fortschrittlichen Einrichtung war aber inzwischen eine Mordanstalt geworden, zunächst als Zwischenstation zur Tötungsanstalt Hadamar, dann mit einer "Kinderfachabteilung" ausgestattet. So wurde Klaus, offenbar ohne das "Reichsausschuss-Verfahren" durchlaufen zu haben, ein leicht zu pflegendes Kind, einen Monat später, am 7. September 1943, ermordet, der etwas jüngere Bruno Schleemann acht Tage später.

© Hildegard Thevs

Quellen: Ev. Stiftung Alsterdorf, Archiv, V 50, V 80; Jenner, Meldebögen; Wunder, Abtransporte; ders.: Exodus.

druckansicht  / Seitenanfang