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Fritz und Elisabeth Oettinger, die Eltern von Thomas Martin und Ernst Philip
© Marcia Franzen-Hintze
Fotograf/in: Repro: Gesche Cordes

Ernst Philip Oettinger * 1939

Maria-Louisen-Straße 104 (Hamburg-Nord, Winterhude)


ERNST PHILIP
OETTINGER
JG. 1939
GEBOREN IN HOLLAND
MIT IN DEN TOD
GENOMMEN
16.5.1940
AMSTERDAM

Weitere Stolpersteine in Maria-Louisen-Straße 104:
Mechel Hesslein, Dr. Friedrich Oettinger, Thomas Martin Oettinger, Elisabeth Oettinger

Johann Friedrich Paul Oettinger, geb. 9.9.1906, 1933 nach Amsterdam ausgewandert, dort Suizid am 16.5.1940

Elisabeth Oettinger, geb. Oettinger, geb. 4.10.1909 in Hamburg, 1933 nach Amsterdam ausgewandert, dort Suizid am 16.5.1940.

Thomas Martin Oettinger, geb. 21.8.1936 in Amsterdam, von den Eltern aus Verzweiflung getötet am 16.5.1940

Ernst Philip Robert Oettinger, geb. 12.3.1939 in Amsterdam, von den Eltern aus Verzweiflung getötet am 16.5.1940

Maria-Louisen-Str. 104

Walter Oettinger, geb. 23.5.1905 in Hamburg, ermordet am 24.5.1943 in Amsterdam

Bei der Matthäuskirche 5

Elisabeth Oettinger war das jüngste der vier Kinder von Ernst Oettinger (geb. 2.6.1867) und seiner Frau Erna geb. Levy (geb. 13.9.1880). Ihrer ältesten Schwester Paula (geb. 17.5.1901) folgten Hellmuth (geb. 16.8.1902), der 1936 mit seiner Frau Ruth geb. Katzenstein nach Belgien auswanderte, und Walter (geb. 23.5.1905), der als 17-Jähriger an Kinderlähmung erkrankt und seitdem körperbehindert war.
Die Familie lebte lange in der Agnesstraße 47, später wohnte sie, bis in die 1930er Jahre, in der Maria-Louisen-Straße 104.

Elisabeths Vater war zusammen mit seinem Bruder Joseph (4.8.1863–19.5.1929, verheiratet mit Recha, geb. Rau) als Teilhaber in die von seinem Vater Heimann Noa gegründete Tabak-Importfirma H.N. Oettinger & Co am Kehrwieder 6 eingetreten. Er starb am 23. August 1936.

Elisabeth Oettinger, die von ihrer Familie Lotte genannt wurde, hatte offensichtlich als kaufmännische Angestellte gearbeitet. Nach einer Eintragung auf der Mitgliedskarte der Jüdischen Gemeinde verließ sie im Juni 1933 Hamburg. Sie wollte wohl nach London emigrieren, ist jedoch nicht über die Niederlande hinausgekommen.

Spätestens dort traf sie ihren ebenfalls in Hamburg geborenen Cousin Dr. Johann Friedrich Paul (gen. Fritz, geb. 9.9.1906) Oettinger wieder, den sie heiratete. Fritz war ein Sohn von Martin Oettinger (eines Bruders von Joseph Oettinger) und seiner Frau Claire, geb. Seckel. Mit seinem älteren Bruder Hans (geb. 2.10.1900) wuchs er in der Wohnung Familie, Isestraße 127, auf. Sein Vater Martin, der 1925 verstarb, war im Familienbetrieb am Kehrwieder tätig gewesen. Fritz hatte offenbar Jura studiert, war aber dann der Familientradition gefolgt und ebenfalls Tabakkaufmann geworden.

Mit seiner Frau Elisabeth lebte Fritz in Amsterdam, Stadionkade 148. Am 21.8.1933 kam ihr erstes Kind zur Welt, Thomas Martin. Am 12.3.1939 folgte das Zwillingspaar Moira und Ernst Philip Robert. Moira verstarb zwölf Tage später.

Seit 1934 lebten auch Fritz’ Bruder Hans mit seiner 1908 geborenen Frau Anita geb. Mainz, dem am 15.10.1929 geborenen Sohn Martin Arnold und der verwitweten Mutter Claire in Amsterdam, Schubertstraat 50.

Im Mai 1939 kam Elisabeths Bruder Walter nach Amsterdam und fand Aufnahme in der Stadionkade.

Am 10. Mai 1940 wurden die Niederlande und Belgien von deutschen Truppen besetzt. Am 16. Mai 1940 töteten Fritz und Elisabeth Oettinger ihre beiden Kinder und nahmen sich selbst das Leben.

Walter Oettinger lebte danach zunächst bei seinen Verwandten und in wechselnden Verstecken in Amsterdam. Am 19. Mai 1943 fand er Unterkunft bei dem später bekannten Filmemacher Louis van Gasteren. Fünf Tage später, am 24. Mai, wurde er von van Gasteren "in der Badewanne ermordet" (so schrieb seine Schwägerin Ruth Katzenstein in ihrem Gedenkblatt für ihn in Yad Vashem), in eine Kiste gepackt und in einem Graben versteckt. Die Leiche wurde bald gefunden und van Gasteren als Täter 1944 wegen Totschlags verurteilt. 1946 kam er durch eine Amnestie frei. Nach seiner Freilassung berief er sich darauf, er habe befürchtet, von Walter Oettinger verraten zu werden, darum habe es sich um eine berechtigte Widerstandstat gehandelt. Er beantragte sogar eine Pension als Widerstandskämpfer, die ihm aber nicht zuerkannt wurde. Seine Version der Ereignisse wurde seit den 1990er-Jahren von mehreren holländischen Publizisten stark angezweifelt, einige vermuteten gar, es habe sich um einen Raubmord gehandelt. Van Gasteren wehrte sich juristisch gegen diese Behauptungen. Mittlerweile haben holländische Gerichte entschieden, dass van Gasteren es hinnehmen muss, wenn seine Version in Frage gestellt wird. Was am 23. Mai 1943 in der Amsterdamer Beethovenstraat 146 wirklich geschehen ist, bleibt damit weiter ungeklärt.

Fritz Oettingers Bruder Hans wurde 1944 nach Bergen Belsen deportiert und starb dort am 17.11.1944. Ob seine Frau und sein Sohn mit ihm verschleppt wurden, ist nicht bekannt, sie überlebten offenbar die Verfolgung. Seine Mutter Claire Oettinger war schon 1942 nach Bergen-Belsen gebracht worden und starb dort am 13. März 1945.

Stand: Januar 2017
© Ulrike Sparr

Quellen: 1; 4; 5; 8; Auskunft Christoph Strupp, Forschungsstelle für Zeitgeschichte Hamburg, 27.3.2008; www.joodsmonument.nl (einges. 19.03.2008), http://www.rvdj.nl/1990/18 (einges. 19.3.2008); http://www.kvdl.nl/KVdL/nl- NL/_main/Nieuws/Nieuwsbrief/Nieuwsbrief+februari+2008/Hoge+Raad_Media/default.htm (einges. 20.3.2008); Jürgen Sielemann, Aber seid alle beruhigt, Briefe von Regina van Son an ihre Familie 1941–1942, Hamburg 2005; E-Mail-Informationen von Herrn Prof. Löwenberg, 12.7.2016 und 5.1.2017.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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