Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine



Helmuth Hübener * 1925

Sachsenstraße 42 (Hamburg-Mitte, Hammerbrook)

Berlin-Plötzensee
27.10.42 enthauptet Berlin-Plötzensee

Siehe auch:

Helmuth Hübener, geb. 8.1.1925 in Hamburg, hingerichtet am 27.10.1942 im Strafgefängnis Plötzensee, Berlin

letzte Wohnadresse: Sachsenstraße 42

Im März 1923 zog die Mutter von Helmuth Hübener, Emma Kunkel, geb. Guddat, mit ihren beiden Söhnen von Tilsit nach Hamburg und trennte sich damit endgültig von ihrem ersten Ehemann, dem Lastwagenfahrer Johann Kunkel. In Hamburg nahm sie eine Beschäftigung als Arbeiterin in der Staatlichen Münze an, wo sie den Prägemeister Karl Oswald Vater kennenlernte. Aus dieser Beziehung ging im Jahr 1925 ihr dritter Sohn Helmuth hervor.

Helmuth führte bis zu seiner Adoption im September 1941 durch den zweiten Ehemann der Mutter, den Arbeiter Hugo Hübener, den mütterlichen Geburtsnamen (Guddat) als Familiennamen. Helmuth und seine älteren Brüder wuchsen wegen der dauernden Berufstätigkeit der Mutter – später als Krankenpflegerin im Nachtdienst – während ihrer Kindheit und Jugend zum großen Teil bei ihren Großeltern auf, den Sudrows (die Mutter von Emma Guddat heiratete Johannes Sudrow nach dem Tode ihres ersten Ehemannes), die im Luisenweg im Stadtteil Hamm wohnten und wie die Mutter Angehörige der Glaubensgemeinschaft der Mormonen waren. Das Zusammenleben mit den Großeltern wird eine starke Rolle bei Helmuths religiösem Engagement bei den Mormonen gespielt haben. Als die Mutter Ende der 1930er Jahre Hugo Hübener heiratete, wurde Helmuth eingeladen, zu ihnen in ihre Wohnung in der Sachsenstraße zu ziehen, was er jedoch ablehnte, da er eine Abneigung gegen seinen Stiefvater hegte.

Aufgewachsen in einfachen sozialen Verhältnissen in einer Arbeiterwohngegend, zeigte sich Helmuth als begabter und wissbegieriger Schüler, der durch seine vielseitigen Interessen aus dem Durchschnitt seiner Mitschüler herausragte. Nach sechs Jahren Volksschule wechselte er 1938 zum Oberbau (Mittelschule) der Schule Brackdamm. Sein Klassenlehrer Meins sagte später über ihn: "Seine schulischen Lieblingsgebiete waren Geographie und Geschichte ... Er hat sehr viel an sich gearbeitet und war sehr fleißig. ... Obgleich er oft eigene Wege ging, merkte man, dass er großen Einfluss auf Menschen ausüben konnte". Nach Abschluss der Schule mit der mittleren Reife begann Helmuth im April 1941 eine Berufsausbildung für die gehobene Verwaltungslaufbahn in der Hamburger Sozialbehörde.

Anfangs scheint die NS-Ideologie auf Helmuth eine gewisse Anziehungskraft ausgeübt zu haben; er trat 1938 mit dreizehn Jahren dem "Jungvolk" bei und schloss sich später der Hitlerjugend an. Doch gleichzeitig engagierte er sich in seiner Glaubensgemeinschaft, was mit der Zeit zu Konflikten führte, da die Mormonen durch das NS-Regime teilweise Diskriminierungen zu erdulden hatten, so wurde 1934 ihre Pfadfindergruppe verboten und für Fortbildungskurse für Jugendliche durften sie nicht öffentlich werben. Besonders empörte Helmuth, dass die Gemeinde auf Druck der Nazis ihre Kult- und Versammlungsräume für Juden verschloss.

Mit der Zeit widerten ihn die autoritären Umgangsformen, die willkürlichen Schikanen gegenüber "Andersartigen" und die militaristische Ausrichtung der HJ, die in "Wehrertüchtigungsübungen" gipfelte, immer stärker an, was zu seiner endgültigen Distanzierung und schließlich aktiven Gegnerschaft zum NS-Regime führte. Bereits 1940 soll er Kontakt zu einer kommunistisch orientierten Jugendgruppe um Josef Wieczorek, dem Sohn eines damals inhaftierten Kommunisten, in Altona aufgenommen und sich mit den Mitgliedern zu politischen Diskussionen und zum Abhören von Auslandssendern heimlich getroffen haben. Als Josef Wieczorek im Februar 1941 zur Wehrmacht eingezogen wurde, endeten offenbar diese Kontakte und womöglich auch die Aktivitäten der Gruppe.
Im Frühjahr 1941 wandte sich Helmuth mit seinen beginnenden Widerstandsaktivitäten wieder stärker dem Stadtteil zu, in dem er wohnte.

In der Wohnung seiner Großeltern hörte er nun mit einem Rundfunkgerät, das sein Halbbruder Gerhard als Soldat kurz zuvor aus Frankreich mitgebracht hatte, die deutsch­sprachigen Sendungen der BBC ab und verschaffte sich damit Zugang zu kritischen Informationen über das NS-Regime und die Kriegslage. Dabei konnten ihn weder die Nazipropaganda noch die damaligen militärischen Erfolge der Wehrmacht von seiner Gewissheit abbringen, dass der deutsche Aggressionskrieg letztlich zum Scheitern verurteilt war. Im Sommer 1941 begann er auf der Schreibmaschine der Mormonengemeinde kleine Handzettel anzufertigen, die kurze Parolen wie "Nieder mit Hitler! Volksverführer, Volksverderber, Volksverräter" enthielten und die er im Bekanntenkreis persönlich verteilte, in Briefkästen steckte, an Anschlagstafeln befestigte oder mit der Post versandte. Von ihm verfasste Flugblätter enthielten unterschiedlich lange Texte mit Informationen über das NS-Regime und die Kriegslage bis hin zu selbst ersonnenen politischen Gedichten.

Im August 1941 zog er seine Freunde Rudolf Wobbe und Karl-Heinz Schnibbe, die wie er Mitglieder der Mormonengemeinde waren, ins Vertrauen und gewann sie dafür, bei der Verbreitung seiner oppositionellen Flugschriften mitzuwirken. Wenig später stieß der Verwaltungslehrling Gerhard Düwer, ein Arbeitskollege Helmuths, zur jugendlichen Widerstandsgruppe. Bis zum Februar 1942 verteilte diese, teilweise auch mit Hilfe anderer Sympathisanten, nahezu 20 verschiedene Handzettel und Flugblätter in den Stadtteilen Hamm, Hammerbrook und Rothenburgsort, deren Texte aus mitstenographierten Informationen von ausländischen Rund­funksendern bestanden. Außerdem gelang es dem Kreis um Helmuth Hübener, die Gründung einer Gruppe von Sympathisanten in Altona zu initiieren. Nach einer Aussage von Gerhard Düwer nach dem Krieg hatte die Widerstandsgruppe Verbindungen zu einer Druckerei in Kiel aufgenommen, von der zwei Angestellte sich bereit erklärt haben sollen, die Flugblätter in großer Zahl herzustellen. Neben der Übersendung von Flugschriften per Brief an Frontsoldaten hatte die Gruppe zuletzt vor, Nachrichten an in Deutschland internierte Kriegsgefangene in deren jeweiliger Sprache gelangen zu lassen.

Bei dem Versuch, dieses riskante Vorhaben zu realisieren, wurden Helmuth Hübener und Gerhard Düwer beobachtet, als sie im Amt einen Verwaltungslehrling ansprachen, der französisch sprach, um diesen zu überreden, eines ihrer Flugblätter ins Französische zu übersetzen. Nach der Denunziation durch den NS-Betriebsobmann Heinrich Mohns wurden die beiden am 5. Februar 1942 an ihrem Arbeitsplatz verhaftet. Von Helmuth ist bekannt, dass er durch die Gestapo schwer misshandelt wurde, um ihn zur Aussage zu zwingen. Er versuchte jedoch seine Freunde zu schützen und nahm alle Verantwortung für die Widerstandstätigkeit auf sich. Unter der Folter der Gestapo gab er die Namen von Rudolf Wobbe und Karl-Heinz Schnibbe preis, deren Rolle er jedoch herunterspielte. Dennoch wurden beide am 10. (Schnibbe) und 18. (Wobbe) Februar verhaftet.

Nach mehrmonatiger Untersuchungshaft in Hamburg wurden Hübener, Schnibbe, Wobbe und Düwer in das Untersuchungsgefängnis Berlin-Moabit überführt, um ihnen im August 1942 den Prozess zu machen. Nach siebenstündiger Verhandlung, bei der Helmuth Hübener mutig bekannte, dass er mit seiner Widerstandsgruppe zum Sturz des Regimes beitragen wollte, wurde er wegen "Vorbereitung zum Hochverrat und landesverräterischer Feindbegünstigung" zum Tode verurteilt, während seine drei Mitstreiter zehn, fünf und vier Jahre Gefängnisstrafe erhielten. Dabei wurde Helmuth aufgrund seiner "weit über dem Durchschnitt von Jungen seines Alters stehenden Intelligenz" und seines Auftretens "eines geistig längst der Jugendlichkeit entwachsenen frühreifen jungen Mannes ... wie ein Erwachsener" bestraft.

Nach der Verurteilung zum Tode reichte Helmuths Familie ein Gnadengesuch ein. Unterstützt wurde das Gesuch sogar durch die Gestapo in Berlin und indirekt auch durch die HJ Hamburg-Ost, die ihm ein relativ günstiges "Dienstzeugnis" ausstellte. Letztlich entscheidend war fatalerweise jedoch, dass die Reichsführung der HJ die Vollstreckung des Todesurteils als "erforderlich" betrachtete, da die Gefahr bestanden hätte, "dass durch sein Verbrechen die Widerstandskraft des Volkes im Krieg beeinträchtigt werden könnte" und das Amt für Gnadensachen der "Kanzlei des Führers" sich dieser Ansicht anschloss, was schließlich zur definitiven Anordnung der Vollstreckung durch den Reichsjustizminister Thierack am 15. Oktober 1942 führte.

Am 27. Oktober gegen Mittag eröffnete man Helmuth die Ablehnung des Gnadengesuchs, was er "völlig ruhig und gefasst" aufnahm, und noch am selben Abend führte man in routinierter Weise mit nahezu fabrikmäßiger Präzision (es wurde sekundengenau die Dauer der Exekution protokolliert) die Hinrichtung des siebzehnjährigen Jugendlichen mit der Guillotine in der Strafanstalt Plötzensee in Berlin durch.

Für Helmuth Hübener liegt ein Stolperstein in der Sachsenstraße 2, vor der Tankstelle.

© Benedikt Behrens

Quellen: Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Gefangenenkarteikarte der Strafanstalt Plötzensee, H. Hübener; VAN (Hg.), Totenliste Hamburger Widerstandskämpfer und Verfolgter, Hamburg 1968; Sander, Ulrich, Helmuth-Hübener-Gruppe; in: U. Hochmuth/G. Meyer, Streiflichter aus dem Hamburger Widerstand, Frankfurt/M. 1969, S. 325-41; Holmes, Blair R./Alan F. Keele (Hg.), When Truth was Treason. German Youth against Hitler. The Story of the Helmuth Hübener Group, Based on the Narrative of Karl-Heinz Schnibbe, Urbana/Chicago 1995.

druckansicht  / Seitenanfang