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Bereits verlegte Stolpersteine



Ellen Riesenfeld * 1924

Isestraße 121 (Eimsbüttel, Harvestehude)


HIER WOHNTE
ELLEN RIESENFELD
JG. 1924
DEPORTIERT 1941
MINSK
???

Weitere Stolpersteine in Isestraße 121:
Erich Joseph Riesenfeld, Emma Riesenfeld

Erich Josef Riesenfeld, geb. 20.6.1897 in Zawodzia, Region Lodz, deportiert am 18.11.41 nach Minsk
Emmy Riesenfeld, geborene Schlesinger, geb. 25.1.1899 in Hamburg, deportiert am 18.11.41 nach Minsk
Ellen Riesenfeld, geb. 1.10.24 in Hamburg, deportiert am 18.11.41 nach Minsk
Selma Schlesinger, geb. Philipsen, geb. 2.5.1876, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk

Erich Josef heiratete Emmy Riesenfeld, eine geborene Schlesinger. Die beiden bekamen zwei Töchter: Alice, 1900 geboren, die als Kind verstarb, und Ellen, geboren 1924. Die Familie lebte in der Isestraße 121. Erich Riesenfeld war laut Kultussteuerkartei kaufmännischer Angestellter. Er selbst bezeichnete sich als Auswandererhelfer, ein Gewerbe, welches offiziell vom "Reichsstatthalter" anerkannt war, mit einem durchschnittlichen Monatslohn von 200 bis 300 RM, je nach anfallenden Aufträgen.

Bereits 1939 wohnten Erich, Emmy und Ellen Riesenfeld bei Emmys Eltern, den Schlesingers, in der Isestraße 96, vermutlich um die Mietkosten zu verringern.

Am 20. Mai 1940 wurde Erich Riesenfeld wegen einer Lappalie im polnischen Kattowitz auf dem Markt verhaftet.

Er hatte seine Mutter für zwei Tage in Kattowitz besucht und auf dem sogenannten freien Markt Socken ohne Bezugsschein gekauft. Juden war es nämlich laut einer Verordnung vom 13. September 1939 nur noch mit Bezugsschein erlaubt, Spinnstoffe und Schuhe zu erwerben. Laut Anzeige des Preisüberwachungsaußendienstes von Kattowitz hatte Erich Riesenfeld drei Paar Herrensocken und sechs Paar Damensocken ohne Bezugsschein erstanden. Er wurde noch vor Ort von einem Polizisten verhaftet und musste die Ware zurückgeben. Es wurde ein Bußgeld von 200 RM vorgeschlagen und der Fall an das für Herrn Riesenfeld zuständige Hamburger Amtsgericht übergeben.

Im Aussageprotokoll der Marktfrau wurde darauf verwiesen, dass sie keine Reichsdeutsche, sondern Polin sei, dass aber bereits ihre Großeltern katholisch waren und sie "deutschblütig" sei. Die Frau gab zu Protokoll, sie habe die Strümpfe aus einem Resteverkauf bereits ohne Bezugsschein erworben, sei aber speziell von Erich Riesenfeld gefragt worden, ob sie "freie" Socken verkaufen würde. Die Anklage des Amtsgerichts Hamburg am 23. August 1940 lautete auf "Vergehen gegen das Spinnstoffgesetz".

Erich Riesenfeld sagte aus, ihm sei aufgefallen, dass in Kattowitz nicht alle Verordnungen genauso durchgeführt würden wie in Hamburg. Er habe bemerkt, dass auf diesem Markt Kleidung sowohl mit, als auch ohne Bezugsschein verkauft würde. Auf Nachfrage erklärte seine Mutter, dass dies in Kattowitz durchaus üblich sei. Demnach habe er nicht vorsätzlich handeln wollen, als er an dem besagten Marktstand gefragt habe, ob Herrensocken auch wirklich "frei" zu bekommen seien. Die Händlerin habe ihm dann noch zusätzlich die Damensocken angeboten, ebenfalls bezugsscheinfrei. Erich Riesenfeld erhielt einen Strafbefehl mit einer Bußgeldzahlung von 50 RM oder einer Haftstrafe von zehn Tagen. In einer Stellungnahme seines "Konsulenten" (Bezeichnung für jüdische Rechtsanwälte nach dem Berufsverbot im Rahmen der "Reichsbürgergesetze" vom Juli 1938) plädierte dieser noch einmal für die Unschuld seines Mandanten, da dieser in dem Glauben gehandelt habe, keine Rechtsverletzung zu begehen und bislang nicht straffällig geworden sei. Desweiteren führte er für die Integrität seines Mandanten an, dieser sei als Frontkämpfer zweimal verwundet worden und habe das Eiserne Kreuz erhalten. Ob der Einspruch erfolgreich war, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Aus der Kultussteuerkartei ist zu ersehen, dass Erich Riesenfeld noch bis 1940 Einkünfte hatte.

Am 22. September 1940 starb Riesenfelds Schwiegervater. Gut ein Jahr später erhielt die gesamte Familie den Deportationsbefehl am 25. Oktober 1941 nach Lodz, wurde aber wieder von der Liste gestrichen. Der 44-jährige Erich Riesenfeld, seine 42-jährige Frau Emmy, seine 17-jährige Tochter Ellen und seine 65-jährige Schwiegermutter Selma Schlesinger mussten schließlich am 18. November 1941 den Zug nach Minsk besteigen.

© Christine Zinn-Lührig

Quellen: 1; 2; 4; 8; StaH, 522-1 Jüd. Gemeinden, 992 e 2, Bd. 1, 3.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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