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Bereits verlegte Stolpersteine



Dr. Leo Lippmann, Foto mit Widmung an “Herr T. M. N. Nathan, zur Erinnerung an gemeinsame Arbeit in schwerer Zeit, Ihr Leo Lippmann 11.1938“
Dr. Leo Lippmann, Foto mit Widmung an "Herr T. M. N. Nathan, zur Erinnerung an gemeinsame Arbeit in schwerer Zeit, Ihr Leo Lippmann 11.1938"
© StaH

Leo Lippmann * 1881

Gänsemarkt 36 Finanzbehörde (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WIRKTE
STAATSRAT
DR. LEO LIPPMANN
JG. 1881
ENTRECHTET / GEDEMÜTIGT
BERUFVERBOT 1933
FLUCHT IN DEN TOD
11.6.1943

Siehe auch:

Dr. Leo Karl Lippmann, geb. am 26.5.1881 in Hamburg, Freitod am 10./11.6.1943 in Hamburg

Gänsemarkt 36 (vor der Finanzbehörde)
Böttgerstraße 5 (Hamburg-Rotherbaum)

Leo Lippmann kam in Hamburg in einem liberalen-jüdischen Elternhaus zur Welt. Sein Vater Joseph Behr Lippmann war am 7. Dezember 1851 in Leutershausen in Bayern geboren worden und Anfang 1870 als 18-Jähriger nach Hamburg gezogen, um hier in das Blechgeschäft seines Onkels Herz/Henri Joseph Lippmann (geb. 1832, gest. 1890), einzutreten. Aus der Blechwarenfabrik H. Lippmann An der Neuen Burg sollte ein bedeutendes Importwarengeschäft werden.

Seine Mutter Antonie Ranette, geb. Laskar, Toni genannt, war am 27. August 1855 geboren worden und stammte aus einer wohlhabenden, angesehenen jüdischen Familie, die sich bis zur Mitte des siebzehnten Jahrhunderts in Hamburg zurückverfolgen lässt. Sie und ihre drei jüngeren Geschwister Paul Simon (geb. 16.2.1857, gest. 5.6.1926), Marie Susanna (geb. 20.12.1860, gest. 27.4.1928) und Robert (geb. 1862) wuchsen in der Deichstraße 54 in der Hamburger Altstadt auf. Dort, ganz in der Nähe seiner Großeltern mütterlicherseits, Auguste (geb. 1833, gest. 1898) und Eduard Laskar (geb. 1818, gest. 1899), verbrachte Leo Lippmann auch seine ersten Lebensjahre in einer Fünfzimmerwohnung der zweiten Etage An der Holzbrücke 3. Sein Bruder Artur Siegfried wurde drei Jahre später, am 6. April 1884 geboren. Der jüngste Bruder Franz Berthold kam am 6. Oktober 1886 nach einem Umzug in der Bundesstraße 16 zur Welt. Nach zwei weiteren Umzügen lebte Familie Lippmann 1894 in Hamburg-Harvestehude in der Eichenallee 43, aus der später die Brahmsallee 15 wurde. Das Etagenhaus, das sie bewohnten, befand sich seit 1889 in ihrem Besitz. Der Vater Joseph Lippmann starb am 4. Januar 1928, zwei Jahre später, am 1. Juli 1930, starb die Mutter Toni. Ihre Gräber befinden sich auf dem Jüdischen Friedhof an der Ilandkoppel in Ohlsdorf.

Leo Lippmann besuchte zunächst das Realgymnasium, anschließend die angesehene Gelehrtenschule des Johanneums, während seiner Schulzeit noch am Speersort gelegen. 1899 bestand er die Reifeprüfung. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft in München, Berlin und Kiel, wo er sein Referendarexamen bestand und an der Universität Jena, wo er das juristische Doktorat ablegte, schlug er die Beamtenlaufbahn ein. Als Regierungsrat in der Finanzbehörde war er zunächst für die Liegenschaften des Staates und ihre Nutzung zuständig.

Am 16. September 1906 heiratete er die am 31. Oktober 1881 geborene Anna Josephine von der Porten, die Tochter des Arztes und Geburtshelfers Maximilian/Max von der Porten. Die Hochzeitsreise verbrachte das junge Paar standesgemäß in Venedig.

Die erste gemeinsame Adresse war die Isestraße 143. 1912 bezog das Paar eine modernere Wohnung in der zweiten Etage im Hause Sierichstraße 84. Die Ehe sollte kinderlos bleiben.

Während des Ersten Weltkrieges wurde Leo Lippmann Leiter des Kriegsversorgungsamts und 1920 zum Senatssekretär ernannt. Zuletzt leitete er als Staatsrat die Finanzverwaltung, bis er von Bürgermeister Carl Vincent Krogmann (geb. 1889, gest. 1978) aufgrund des nationalsozialistischen "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" in den vorzeitigen Ruhestand versetzt und aus dem Staatsdienst entlassen wurde. Seine Entlassung traf ihn tief. Dazu schrieb er in seinen Memoiren: "Nach einem arbeitsreichen Leben wurde ich am 14. März 1933 unerwartet und plötzlich aus meinem Amte als Hamburgischer Staatsrat abberufen, da es für den am 8. März 1933 gewählten Senat untragbar sei, dass ich als Jude ein hohes Staatsamt inne hätte."

Auch sein Bruder Artur Lippmann, Professor am Allgemeinen Krankenhaus St. Georg, wurde zum Jahresende 1933 entlassen. Dessen 20-jähiger Sohn Rudolf Lippmann (geb. 6.3.1913) nahm sich am 13. Oktober 1933 in Köln das Leben, weil er nicht weiter zum Medizin-Studium zugelassen wurde. Leo Lippmann hielt für seinen Neffen am 20. Oktober die Trauerrede.

Nachdem sich seine Hoffnung, in den Staatsdienst zurückzukehren, nicht erfüllte, fand Leo Lippmann ein neues Betätigungsfeld, als ihn die Jüdische Gemeinde Hamburg am 25. November 1935 in ihren Vorstand wählte. Dort übernahm er das Finanzressort. 1937 wurde ihm das Amt des Stellvertretenden Vorsitzenden übertragen. Eine Möglichkeit, Deutschland zu verlassen, die sich im Frühsommer 1939 bot, nahm das Ehepaar Lippmann nicht wahr. Die Brüder Artur und Franz Lippmann waren 1938 mit ihren Familien nach Australien emigriert.

Im Juni 1940 musste Leo Lippmann seine antike Münzsammlung, an der er sehr hing, an die Reichsbank in Berlin abliefern. Im Mai 1942 durfte Anna Lippmann ihre langjährige Hausangestellte Mathilde Bräu nicht länger beschäftigen. Schließlich wurde das Ehepaar Lippmann gezwungen, seine Wohnung in der Sierichstraße 84, in der es fast 30 Jahre seines Lebens verbracht hatte, zu verlassen. Erspart blieb ihm der Umzug in eines der überfüllten sogenannten Judenhäuser. Ihm wurde der Einzug in das Erdgeschoss des Hauses Böttgerstraße 5 in Hamburg-Harvestehude gestattet. Das Anwesen gehörte seit vielen Jahren Anna Lippmanns Familie. Ihre verwitwete Mutter Adele von der Porten lebte dort bis zu ihrem Tod am 18. Mai 1941.

Nachdem die Gestapo der Gemeindeleitung des Jüdischen Religionsverbands mitteilte, dass die noch verbliebenen Hamburger Juden in wenigen Tagen nach Theresienstadt deportiert werden sollten, schied Leo Lippmann gemeinsam mit seiner Frau Anna in der Nacht vom 10. auf den 11. Juni 1943 aus dem Leben. An das Ehepaar Lippmann erinnern Stolpersteine in der Böttcherstraße 5 in Hamburg-Harvestehude und ein weiterer für Leo Lippmann vor der Hamburger Finanzbehörde. Dort trägt ihm zu Ehren seit 1993 der Ausstellungssaal den Namen Leo-Lippmann-Saal.

Annas Bruder Paul von der Porten (geb. 28.5.1879, gest. 30.12.1964), Arzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten in der Dammtorstraße 5, war im April 1936 mit seiner Ehefrau Martha, geb. Rübner, und ihrer jüngsten Tochter Irma den Söhnen nach New York gefolgt. Die älteste Tochter lebte bereits in England. Sein jüngerer Bruder Ernst von der Porten (geb. 10.5.1884), ein bekannter Narkosearzt und Geburtshelfer am Mittelweg 118, nahm sich am 13. Dezember 1940 gemeinsam mit seiner Frau Frieda, geb. Alexander (geb. 2.12.1885), im südfranzösischen Perpignan das Leben. Ihre Tochter Marianne de Zwart (geb. 19.5.1917) starb im Januar 1945 im KZ Bergen-Belsen. Für sie wurden vor dem Haus Mittelweg 118 Stolpersteine verlegt (s. Stolpersteine in Hamburg-Eimsbüttel).


Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 4; StaH 351-11 AfW 5484 (Dr. Lippmann, Leo); StaH 351-11 AfW 4465 (Dr. von der Porten, Paul); StaH 351-11 AfW 6894 (Dr. von der Porten, Ernst und Frieda); StaH 241-2 A 571; StaH 720-1_215 Li 356; StaH 622-1 55_A 3; StaH 332-5 Standesämter 1992 u 2207/1881; StaH 332-5 Standesämter 913 u 212/1926; Jochmann: Leo Lippmann, in: Der Untergang der Hamburger Juden; Lippmann: Mein Leben; Asendorf: in: Vierhundert Jahre Juden in Hamburg; Lorenz: Leo Lippmann in: Institut für die Geschichte der deutschen Juden (Hrsg.): Das Jüdische Hamburg, S. 177; Villiez: Kraft, S. 379; Lippmann: "Deutscher".
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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