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Willi Häussler im Gestapo-Lager Wilhelmsburg, 1944
© Geschichtswerkstätte Barmbek

Wilhelm 'Willi' Häussler * 1907

Halbenkamp 16 (Hamburg-Nord, Barmbek-Nord)

Zwangsarbeit Wilhelmsburg
ermordet 22.03.1945

Wilhelm "Willi" Häussler, geb. 18.4.1907, am 22.3.1945 bei Zwangsarbeiten in Wilhelmsburg gestorben

Halbenkamp 16 (Pestalozzistraße 72)

Der Wohnblock der Genossenschaft Produktion, genannt PRO-Block, wurde 1906 erbaut und galt seitdem in Barmbek als Hochburg der Arbeiterkultur. In diesem PRO-Block, in der Hin­rich­senstraße (heute Brucknerstraße), wuchs Willi Häussler mit seinen Geschwistern Karl und Helmi auf. So verwundert es nicht, dass Willi Häussler sich schon in der Schulzeit mit An­hän­gern der linken und rech­ten politischen Szene auseinandersetzte und sich an zahlreichen Diskussionen beteiligte. Sein Freund Bruno Wagner berichtete über ihn: "Willi war ein schlanker Bursche, dunkelblond, 1,75 m bis 1,80 m groß. Unerschrocken in der Verteidigung der Republik gegen Geg­ner von links wie rechts. Von Hause aus war er ein überlegter, eher ruhiger, freundlicher Mensch, kein großer Redner, jedoch mit festen Prinzipien, die er vorzubringen wusste."

Schon in frühester Jugend trat Willi Häussler linksgerichteten Vereinen bei. So war er Mit­glied der Kinderfreunde, der Sozialistischen Arbeiter Jugend (SAJ) und trat im Alter von 18 Jah­ren der SPD bei. Auch bei dem 1924 gegründeten Reichsbanner, einem sozial­demokratischen Wehr­verband, und der 1930 ge­grün­deten Schutzformation, kurz "Schufo", war er en­ga­giert. In Barm­bek exis­tierte die "Schufo 10", deren Mit­glie­der sich regelmäßig in der Gast­stätte von Gus­tav Mause in der PRO-Block-Ecke Loh­koppel­straße/Schlei­den­straße trafen. Auch Willi Häuss­­ler saß dort oft mit seinen Freun­­den, da­runter auch Bruno Wag­­ner, zu­­sam­­men. Dieser erinnerte sich auch Jahre spä­ter noch an eine abenteuerliche Fahrt der "Schufo 10" nach Wilhelmsburg: "Wie andere Abteilungen fuhren wir auf Last­wa­gen verfrachtet über die Elb­brü­cken, als unser Wagen plötzlich ins Schleu­­­dern geriet, die Seiten­plan­ken des Wagens brachen und 40 Män­ner – unter ihnen Willi Häussler – auf die Stra­ße stürzten. Willi wurde schwer ver­letzt mit et­li­chen anderen Männern ins Lohmühlen-Krankenhaus gebracht. Just in der Zeit wollte Willi mit seiner Frau Mimi eine Neubau­woh­nung in der Schwansenstraße auf dem Dulsberg beziehen. Er war sehr dankbar dafür, dass ich es übernahm, während seines Kranken­haus­auf­ent­halts mit seiner Frau zusammen die Wohnung einzurichten und die Behördenwege zu erledigen."

Die "Schufos" wurden 1932 vom Reichsbanner aufgelöst, da sonst ein Verbot des gesamten Reichsbanners gedroht hätte. Doch 1933 lebte die "Schufo 10" erneut auf, um Widerstand gegen die nationalsozialistische Herrschaft zu leisten. Hierbei schrieben die Mitglieder zum Bei­spiel antifaschistische Parolen auf Hauswände oder verteilten Flugblätter.

Aufgrund seines Mitwirkens in der "Schufo 10" erhielt Willi Häussler 1933 die Kündigung. Bis dahin war er bei einer Lagerhausgesellschaft angestellt, für die er als Kaiarbeiter im Hafen tätig war. Wegen seiner "staatsfeindlichen Einstellung" wurde er entlassen. Ein Jahr später er­nannte ihn die "Schufo 10" zum Leiter. Eine seiner Aktionen war die Verteilung von Kon­fir­ma­tions­glückwunschkarten, die zur Tarnung dienten, um Ap­pelle gegen den Natio­nalso­zia­lismus zu verbreiten.

Willi Häussler lebte mit seiner Frau Wilhelmine, genannt "Mimi", vor seiner Verhaftung in der Pestalozzistraße 72, heute Halbenkamp 16. Sie hatten eine gemeinsame Tochter, die zum Zeitpunkt der Verhaftung ihres Vaters fünf Jahre alt war.

Im Sommer 1936 lebte die Familie einige Wochen in ihrer Schrebergartenlaube. Bei der Rück­kehr in ihre Woh­nung berichteten Nachbarn ihnen, dass nachts zu­vor die Ge­stapo da gewesen sei, um sie zu suchen. Da­raufhin schlüpfte Willi Häussler bei einem Freund, einem ehemaligen KPD-Mitglied, unter, der in der Kegel­hof­straße wohnte. Am 13. Juni 1936 flog das Versteck jedoch auf und Willi Häussler wurde von der Gestapo verhaftet. Seine Frau Mimi erinnerte sich an die Zeit bis zur Ver­haf­tung: "Bis zu seiner Verhaftung seit dem ersten Be­such erschien die Gestapo Nacht für Nacht bei mir, um aus mir herauszubekommen, wo mein Mann sich aufhält. Mein Mann besorgte sich alle nötigen Papiere und Fahr­karten, um nach Dänemark fliehen zu können. Doch zwei Stun­den vor der Abfahrt erfolgte die Ver­haf­tung."

Der Prozess gegen Willi Häussler zog sich in die Länge, rund 45 weitere Personen waren darin involviert. Seine Verurteilung erfolgte schließlich am 13. Juni 1938. Zu­erst wurde er zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt. Allerdings wurde ihm wenigstens ein Jahr seiner Unter­suchungshaft angerechnet, sodass er schließlich sechs Jahre Haft im Zuchthaus Bremen-Oslebshausen verbüßen musste. Während dieser Zeit war es seiner Frau nur alle vier Monate gestattet, ihn zu besuchen. Seine Toch­ter erhielt zudem in ihrer Schulakte den Vermerk: "Vater politisch in Haft."

Am 13. April 1943 wurde Willi Häussler entlassen und sofort an das Polizeigefängnis Fuhls­büttel überstellt. Dort blieb er bis Mai, um dann ins Gestapo-Lager Wilhelmsburg verlegt zu werden. Hier musste er bis zu seinem Tod Zwangsarbeit leisten.

Mimi Häussler konnte während der gesamten Haft­zeit nur knapp ihre kleine Familie ernähren. Ab und zu gelang es ihr eine Arbeitsstelle zu finden, die sie jedoch jedes Mal schnell wieder verlor. "Eine Unterstützung während der ganzen Haftzeit durch Freunde war so gut wie gar nicht möglich. Zweimal, bald nach der Verhaftung 1936, erhielt ich etwas Geld. Von der damaligen Wohlfahrtsbehörde erhielt ich keine Un­ter­stüt­zung. Nur dann sollte ich sie erhalten, wenn ich mich scheiden lasse. Erst musste ich Pflicht­ar­beiten für einen Lohn von 0,75 RM pro Tag verrichten, später leistete ich Fürsorge­arbeit."

In das Gestapo-Lager Wilhelmsburg musste Mimi ihrem Ehemann regelmäßig frische Wäsche bringen. Dadurch konnten sich die beiden allerdings auch wie­der öfter sehen. Zwei Wochen vor seinem Tod besorgte Mimi ihrem Mann Geld, Papiere und Lebens­mittel­karten. Die Häf­t­linge wussten, dass der Krieg verloren war und dass sich ihr Schicksal bald entscheiden wür­de. Willi Häussler versprach, dass er zu fliehen versuchen würde, sollte er etwas von seiner ge­planten Hin­richtung erfahren.

Am 22. März 1945 starb Willi Häussler bei der Zwangsarbeit in Wilhelmsburg. Seine Frau er­hielt einen Todesschein, auf dem vermerkt war: "Bei Feindeinwirkung am 22. März 1945 im Lager Wilhelmsburg ums Leben gekommen." Seine Leiche wurde trotz eines Antrages nicht freigegeben.

Willi Häusslers Leichnam konnte 1946 in einem Massengrab in Harburg identifiziert werden. Daraufhin wurde seine Leiche am 2. November 1946 nach Wandsbek-Tonndorf überführt. 1968 setzten sich Bekannte und Angehörige dafür ein, dass seine sterblichen Überreste auf dem Areal der "Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft" der Geschwister-Scholl-Stiftung auf dem Friedhof Ohlsdorf beigesetzt wurden.

© Carmen Smiatacz

Quellen: Ditt: Sozialdemokraten im Widerstand, S. 91; Hochmuth/Meyer: Streiflichter aus dem Hamburger Widerstand, S. 124, S. 128ff., S. 590; Leber: Das Gewissen steht auf, S. 86ff.; Interview mit Willi Häusslers Freund Bruno Wagner, Geschichtswerkstatt Barmbek.

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