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Bereits verlegte Stolpersteine



Emma Schindler
Emma Schindler
© Privatbesitz Jeremy Shindler

Dr. Emma Schindler * 1883

Böttgerstraße 5 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1942 Theresienstadt
1944 Auschwitz

Weitere Stolpersteine in Böttgerstraße 5:
Anna Lippmann, Dr. Leo Lippmann

Emma Schindler, geb. 23.7.1883 in Berlin, deportiert am 19.7.1942 ins Getto Theresienstadt, am 19.10.1944 ins Vernichtungslager Auschwitz weiterdeportiert und dort ermordet

Böttgerstraße 5 (Rotherbaum)

Emma Schindler, eine der ersten Augenärztinnen Deutschlands, versorgte in Hamburg als einzige "Krankenbehandlerin" jüdische Patienten während des Krieges, bis sie selbst deportiert wurde.

Emma Schindler, Tochter des Hirschel, genannt Heinrich, Schindler (gest. 1923) und seiner Ehefrau Blanca, geb. Hirschfeld (1851-1939), war in Berlin zur Welt gekommen. Sie hatte zwei Brüder, Hans Joachim (1881-1952) und Theodor (1884-?). Hirschel Schindler war Mitinhaber der Firma Blau & Schindler, die den Import und Export von Gerbstoffen betrieb.

1886 zog Familie Schindler nach Hamburg. Hier absolvierte Emma Schindler 1913 das Abitur an einer der "Gelehrtenschulen", dem Johanneum. Anschließend studierte sie in Freiburg/Breisgau, Kiel, Berlin, Heidelberg und München, wo sie 1919 über die "Irisfarbe des Säuglings" promovierte und damit einen "Beitrag zur Symptomatologie der Ernährungsstörung im Säuglingsalter" leistete. Im Januar 1920 erhielt sie die ärztliche Approbation.

Nach Hamburg zurückgekehrt, eröffnete sie in ihrem Elternhaus, in der Hochallee 13 (Harvestehude), eine Praxis, in der sie ab 1932 auch Kassenpatienten versorgte. Sie bildete sich unter anderem in der Augenklinik des Allgemeinen Krankenhauses Eppendorf fort und konnte so ihre Praxis zu einer augenärztlichen Fachpraxis erweitern. Wie unter Augenärzten zu jener Zeit üblich, da diese auch operierten, führte sie den akademischen Titel Dr. med. et chir. 1926 wies der Reichsmedizinalkalender sie als einzige Frau unter 37 Hamburger Augenärzten aus.

Das Jahr 1933 bedeutete auch für Emma Schindler einen tiefen Einschnitt. Wie anderen jüdischen Ärzten auch wurde ihr die Zulassung zur kassenärztlichen Behandlung schon 1933 entzogen. Damit entfiel eine wichtige Verdienstmöglichkeit.

Währenddessen bereiteten ihre Brüder mit Familien die Emigration vor. Sie entkamen in die USA bzw. Großbritannien.

Mutter und Tochter Schindler hingegen hatten keine Möglichkeit zu fliehen. Sie mussten ihre große Wohnung aufgeben und zogen 1938 in den Mittelweg 121. Blanca Schindler starb am 22. Juni 1939. Emma Schindler blieb allein zurück.

Im Sommer 1938 wurde allen jüdischen Ärzten die Approbation zum 30. September 1938 entzogen. Als einzige Möglichkeit zu praktizieren blieb ein Antrag auf die Genehmigung, als "Krankenbehandler" zu arbeiten. Emma Schindler erhielt erst 1941 diese jederzeit widerrufbare Sondergenehmigung, die sie "zur ärztlichen Behandlung ausschließlich von Juden" berechtigte. Im Israelitischen Krankhaus versorgte sie nun - als einzige Frau unter den "Behandlern" - jüdische, vorrangig an den Augen erkrankte Patientinnen und Patienten.

1942 musste Emma Schindler schließlich ein letztes Mal umziehen: In der Böttgerstr. 5 wohnte sie jedoch nicht mehr lange, denn schon bald erreichte sie der Deportationsbefehl. Obwohl noch unter 65 Jahre alt, wurde sie als bisherige Mitarbeiterin des Jüdischen Krankenhauses nicht "in den Osten", sondern am 19. Juli 1942 in das "Vorzugslager" Theresienstadt deportiert.

Im Getto Theresienstadt leitete Emma Schindler die Augenpoliklinik, bis sie am 19. Oktober 1944 im Zuge der "Herbsttransporte" mit 1.500 anderen ins Vernichtungslager Auschwitz weiterdeportiert wurde. Mehr als 1.150 von ihnen wurden in den Gaskammern getötet. Darunter auch Emma Schindler, deren Spur sich hier verliert.

Zu Beginn des Jahres 1948 wurde sie auf Antrag der Angehörigen durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg auf den 8. Mai 1945 für tot erklärt.

Stand: April 2021
© Rebecca Schwoch/ (red. bearbeitet: Beate Meyer)

Quellen: Rebecca Schwoch, Emma Schindler, in: Hamburgische Biografie Bd. 7, hersg. Franklin Kopitzsch/Dirk Brietzke, Göttingen 2019, S. 295f.; Anna v. Villiez, Mit aller Kraft verdrängt. Entrechtung und Verfolgung "nicht arischer" Ärzte in Hamburg 1933 bis 1945 (=Studien zur jüdischen Geschichte, Bd. 11), Hamburg 2009; Rebecca Schwoch, The Situation and Ethical Dilemmas of Krankenbehandler (Sick Treaters), 1938-1945: The Example of Hamburg, in: Korot. The Israel Journal of the History of Medicine and Science 23 (2015-2016), S. 173-194.

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