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Paul Stuck, 10.3.1939
Aufnahme von Paul Struck in der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn vom 10.3.1939
© StaH

Paul Struck * 1872

Papenstraße 69 (Wandsbek, Eilbek)


1934 - 1938 mehrfach verhaftet
KZ Fuhlsbüttel
'Heilanstalt' Meseritz-Obrawalde
ermordet 09.05.1944

Robert Heinrich Paul Struck, geb. am 16.8.1872 in Hamburg, gestorben am 9.5.1944 in der Landesheilanstalt Meseritz-Obrawalde

Papenstraße 69 (Papenstraße 87)

Der 1872 in Hamm geborene Paul Struck wuchs als eines von elf Kindern des Arbeiters Georg Struck und Dorothea, geborene Kruse, in ärmlichen aber geordneten Verhältnissen auf. Nach Beendigung der Volksschule erlernte er den Beruf des Kellners und war bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs in "erstklassigen Häusern", u. a. in Paris, London, Rom, Christiania, Lüttich und Antwerpen beschäftigt. Seine Zeugnisse waren "übereinstimmend günstig", und er eignete sich in dieser Zeit gute englische Sprachkenntnisse an. 1938 gab er gegenüber der Ermittlungshilfe der Strafrechtspflege an, um 1898 in Belgien ein Verhältnis mit einer Frau gehabt zu haben und Vater eines unehelichen Kindes gewesen zu sein. Nach seinem Kriegseinsatz für das Deutsche Reich kehrte er 1919 nach Hamburg zurück und arbeitete bis 1925 in der Konditorei Prediger, konnte jedoch in der Folgezeit nur noch Aushilfsstellungen als Kellner bekleiden, da er an "nervöser Erschöpfung" litt. Er war jedoch weiterhin in renommierten Häusern wie dem Hotel Atlantic und dem Uhlenhorster Fährhaus tätig. In der Ritterstraße 45 Haus 4 bewohnte er bis 1937 eine Zweizimmerwohnung, für die er ab 1929 vom Fürsorgeamt und von seinen Brüdern wegen seiner verschlechterten wirtschaftlichen Lage Unterstützung erhielt. Laut seinen Brüdern zeigte er bereits als Schüler "eine abnorme Veranlagung", da er weniger mit Gleichaltrigen, sondern lieber mit "ganz kleinen Kindern" und mit "Puppen und Nähzeug" spielte. Als Heranwachsender soll er sich "als Mädchen verkleidet zu Maskeraden" begeben haben. Seine Brüder machten ihm wegen seines späteren Umgangs mit "Männern und jungen Leuten", der ihnen seit ca. 1907 bekannt war, Vorhaltungen. Auch in der Nachbarschaft in Eilbek galt er wegen des "auffälligen Besuches von jungen Leuten im Alter von 20/25 Jahren" als homosexuell veranlagt und als "Volksschädling". Obwohl er wegen seiner guten Sprachkenntnisse vom Bund der Restaurant-Hotel-Angestellten sogar ehrenamtlich als Lehrer zur Berufs- und Sprachausbildung eingesetzt worden war und sich seinen Schülern gegenüber nie unsittlich genähert hatte, galt sein Verhalten in der Nachbarschaft als suspekt. Im Zusammenhang mit den in den 1930er Jahren begonnenen strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn bezeichnete er sich mal als homo-, mal als bisexuell.

1934 stand er erstmals wegen seiner homosexuellen Veranlagung vor Gericht und wurde im April desselben Jahres vom Amtsgericht Hamburg zu einer zweimonatigen Gefängnisstrafe wegen "tätlicher Beleidigung" gegenüber einem Jugendlichen nach § 185 RStGB verurteilt, die er in Fuhlsbüttel verbüßte. Im Juli 1936 folgte dann vor demselben Gericht eine weitere Verurteilung nach § 175 RStGB, nachdem er einem entlaufenen Jugendlichen aus Berlin in seiner Wohnung aufnahm und einvernehmliche sexuelle Handlungen mit diesem vornahm. Dafür erhielt er eine Strafe von drei Monaten und zehn Tagen Gefängnis. Nachdem er sich im Frühsommer 1937 einem 15-jährigen Lehrling gegenüber exhibitionistisch zeigte, kam er vom 23. Juni bis 17. Juli 1937 in das Polizeigefängnis Fuhlsbüttel (früher KZ Fuhlsbüttel), bevor er im Juli 1937 vom Amtsgericht Hamburg zu sechs Monaten Gefängnis nach § 183 RStGB verurteilt wurde. Nach seiner Haftentlassung verlor er seine langjährige Wohnung in der Ritterstraße und be­zog im Februar 1938 in der Papenstraße 87 ein möbliertes Zimmer zur Untermiete. Wenige Tage nach seinem Einzug ließ ihn seine Vermieterin am 28. Februar 1938 von der Polizei verhaften, nachdem er zwei Tage zuvor den 11-jährigen Sohn einer weiteren Untermieterin unsittlich berührt hatte, der für ihn Lebensmittel einkaufte. Im Verlauf der Ermittlungen wurde er vom 2. bis 9. März 1938 erneut in Fuhlsbüttel inhaftiert. Nun wurden bei dem inzwischen 65 Jahre alten Paul Struck deutliche Alterserscheinungen festgestellt. Ein daraufhin erstelltes ärztliches Gutachten bescheinigte ihm nach § 51 Abs. 2 RStGB eine verminderte Zurechnungsfähigkeit. Im Urteil des Landgerichts Hamburg vom August 1938 wurde dem Rechnung getragen und statt einer Zuchthausstrafe lediglich eine einjährige Gefängnisstrafe verhängt. Da aber bereits der Ermittlungshelfer der Strafrechtspflege empfahl, Paul Struck aufgrund der Erfahrungen aus seinem Lebenslauf "für die Volksgemeinschaft unschädlich zu machen", erkannte das Gericht auf eine Sicherungsmaßnahme nach § 42k RStGB, was eine Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt zur Folge hatte.

Paul Struck verbüßte zunächst in der Strafanstalt Fuhlsbüttel seine Haftstrafe und wurde am 3. Februar 1939 nach Langenhorn eingewiesen. Wie in einem Gutachten vom Januar 1942 von Abteilungsarzt Friedrich Kerl festgestellt wurde, gab es bei dem inzwischen fast 70 Jahre alten Mann keine Beobachtungen zu "homosexuellen Neigungen", was aber lediglich auf die Abwesenheit von Minderjährigen zurückgeführt wurde. Von einer Aufhebung der Unterbringung wurde "entschieden" abgeraten, denn er galt weiterhin als "gemeingefährlich". Dies wurde insbesondere hinsichtlich einer Frau Erika Schultze in seiner Krankenakte vermerkt, die sich mit anwaltlicher Hilfe um seine Freilassung bemühte, "recht nachdrücklich" davon abgebracht wurde und schließlich eine Besuchs- und Kontaktsperre erhielt. So war es am Ende nicht verwunderlich, dass auch Paul Struck zu den vielen Patienten gehörte, die im April 1943 "aus technischen Gründen" mit Sammeltransporten von Langenhorn aus in die Landesheilanstalt Meseritz-Obrawalde verlegt wurden. Pauls Struck ist dort am 9. Mai 1944 unter bisher unbekannten Umständen verstorben. Eine Tötung mittels Giftinjektion, wie sie der Historiker Thomas Beddies dem dortigen Provinzialmedizinalrat Theophil Mootz zuordnet, kann auch für Paul Struck nicht ausgeschlossen werden.

Stand Februar 2014
© Bernhard Rosenkranz(†)/Ulf Bollmann

Quellen: StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 8373/38; StaH 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn, Ablieferung 1995/1, 25763; 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung, Abl. 2, 451 a E 1, 1 b; 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Ablieferungen 13 u. 16; 332-3 Zivilstandsaufsicht, A 301 (Eintrag Nr. 224); Thomas Beddies 2006, in: http://www.deathcamps.org/eutha nasia/obrawalde_de.html (eingesehen am 16.1.2014); Thomas Beddies: Die Heil- und Pflegeanstalt Meseritz-Obrawalde im Dritten Reich. In: Kristina Hübener (Hg.): Brandenburgische Heil- und Pflegeanstalten in der NS-Zeit (Schriftenreihe zur Medizin-Geschichte des Landes Brandenburg 3), S. 231–258; Rosenkranz/Bollmann/Lorenz, Homosexuellen-Verfolgung, S. 257.

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