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Bereits verlegte Stolpersteine



Selig Seligmann * 1868

Grevenweg 89 (Hamburg-Mitte, Hamm)

1942 Theresienstadt
1942 Treblinka
ermordet

Weitere Stolpersteine in Grevenweg 89:
Arno Zacharias

Selig Seligmann, geb. 24.12.1868 in Hamburg, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, weiter deportiert am 21.9.1942 nach Treblinka

Grevenweg 89

Selig Seligmann wurde im Alter von 73 Jahren in das "Altersgetto" Theresienstadt deportiert und bereits zwei Monate später im Vernichtungslager Treblinka ermordet. Außer über seine Herkunft und sein Leben ab einem Alter von fast 60 Jahren ist uns nichts über ihn bekannt.
Er stammte aus der Ehe von Mendel Moses Seligmann mit Sara, geb. Gutmann. Mendel Gutmann war Schlachter wie sein Vater Moses Mendel Seligmann, Sara Seligmanns Vater war Händler. Bekannt sind nur zwei Söhne aus Mendel und Sara Seligmanns Ehe, Felix Selig (24.12.1868) und sein vier Jahre älterer Bruder Adolf, geboren am 1. Februar 1864. Die Familie gehörte der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg an.

Selig Seligmann war siebzehn Jahre alt, als die Mutter am 10. September 1886 im Alter von 52 Jahren starb. Ihren Tod zeigte der Bote Simon Heckscher von der Deutsch-Israelitischen Gemeinde beim Standesamt an. Sie wurde auf dem drei Jahre zuvor eröffneten jüdischen Friedhof in Ohlsdorf beerdigt. Die Familie wohnte damals in der 2. Marienstraße 17 in der Hamburger Neustadt. Ein Jahr nach dem Tod der Mutter heiratete der älteste Sohn, Adolf, Rosa Gutmann, die Tochter des Kleiderhändlers Isaac Feitel Gutmann und seiner Ehefrau Doris, geb. Nathan. Obwohl ihre Familie wie die Herkunftsfamilie von Adolfs Mutter hieß, war sie keine direkte Verwandte. Adolf Seligmann war Kaufmann und Mitinhaber der Firma S. M. Nathan & Co., die mit Flanellstoffen und Wolldecken handelte, und wohnte in der Bornstraße 20. Rosa und Adolf Seligmanns erstes Kind, Ivan, wurde 1891 geboren, 1893 folgte die Tochter Elsa, 1900 kam Irma zur Welt. Ivan (s. derselbe) und eine seiner Schwestern wurden Graphiker bzw. Graphikerin.

Selig Seligmanns Vater, Mendel Seligmann, ging ein Jahr nach dem Tod seiner Frau eine zweite Ehe ein. Er heiratete eine Schwägerin, die verwitwete Pauline Meyer, geborene Gutmann. Sie war elf Jahre jünger als ihre Schwester Sara und brachte drei Kinder mit in die Ehe, Selma, Olga und Arthur, die zwischen acht und siebzehn Jahre alt waren. Die Ehe wurde später geschieden. Mendel Seligmann lebte bis zu seinem Tod mit fast 82 Jahren bei Verwandten im Grindelviertel, zuletzt Rutschbahn 20. Er starb am 18. Juni 1907 im Israelitischen Krankenhaus und wurde neben seiner ersten Ehefrau Sara auf dem jüdischen Friedhof in Ohlsdorf an der Ilandkoppel beigesetzt. Seinen Tod meldete sein Sohn Adolf beim Standesamt.

Über Selig Seligmanns Leben in dieser Zeit ist uns nichts bekannt.

In der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg wurde er ab 1926 geführt. Er war ledig geblieben und arbeitete Mitte der 1920er Jahre als "Reisender", wobei wir nicht wissen, welches Produkt er anbot. 1927 bis 1930 erzielte er ein steuerpflichtiges Einkommen und entrichtete jährliche Beiträge an die Jüdische Gemeinde Hamburg zwischen 21 und 10 RM. Danach wurden sie ihm erlassen. 1933 erreichte er das Rentenalter und erhielt eine monatliche Rente von 64,20 RM. Sie war so niedrig, dass er fortan keine Kultussteuern mehr zahlen musste. Selig Seligmann wohnte offenbar immer in Untermiete und zog sehr häufig um. Zur Zeit der Gemeindevertreterwahl 1930 war er in Eimsbüttel gemeldet. Auch in Hamburg-Hamm wohnte er nicht lange.

Seligs Bruder Adolf Seligmann starb am 26. Juni 1932 in seiner Wohnung in der Ulmenstraße in Winterhude. Die Töchter Elsa, verheiratet mit Fritz Lichtenstein, und Irma sowie ihre Mutter Rosa Gutmann verließen Deutschland, Ivan blieb mit seiner schwer behinderten Ehefrau Frieda, geb. Joachimstal, in Hamburg. Ihre Tochter Senta war mit einem Kindertransport im Juli 1939 nach England in Sicherheit gebracht worden.

Hinweise auf Auswanderungsbemühungen Selig Seligmanns gibt es nicht. Am 30. Oktober 1939 zog er in das Minkel Salomon David Kalker-Stift, Rutschbahn 25a Hs 1, das seine letzte Hamburger Adresse wurde.

Im März 1941 erhielt er eine Zuwendung von 50 RM von Karl Stern (s. derselbe) aus Berlin, der Mitte der 1930er Jahre als Schriftsteller kurzzeitig in Hamburg gelebt hatte. Das Stift wurde 1942 als sogenanntes Judenhaus genutzt, in dem die jüdische Gemeinde auf Anweisung der Gestapo Juden und Jüdinnen unterbringen musste, so dass die Wohnverhältnisse sehr beengt waren. Dort erreichte Selig Seligmann der Aufruf zur Deportation in das Altersgetto von Theresienstadt am 19. Juli 1942. Vier Tage zuvor war sein Neffe Ivan nach Theresienstadt abtransportiert worden, seine Ehefrau Frieda blieb zunächst im jüdischen Pflegeheim zurück.

Das Getto von Theresienstadt war im Sommer 1942 sehr überfüllt, die Sterberate stieg stark an. Das Reichssicherheitshauptamt befahl den Abtransport von Bewohnern und Bewohnerinnen in die Vernichtungslager. Bereits am 21. September wurde Selig Seligmann einem Transport nach Treblinka zugewiesen, wo er kurz nach der Ankunft ermordet wurde.

Sein Neffe Ivan lebte noch im Getto von Theresienstadt, als seine Ehefrau Frieda im Juni 1943 dort eintraf. Sie starb ein halbes Jahr später am 2. Januar 1944. Ivan Seligmann wurde am 15. Mai 1944 nach Auschwitz transportiert und dort ermordet.

Stand Februar 2015

© Hildegard Thevs

Quellen: 1, 4, 5, 7, 9; Hamburger Adressbücher; StaH 332-5 Standesämter, 483-1962/1901; 589-442/1907; 2714-1057/1887; 3019 8532-1274/1887; 9856-340/1932; 332-8 Melderegister, K 6970; 522-1, 992 e 2, Bde 4, 5; Abl. 1993, 42 Kontenkartei; JFHH, ZZ 11-234/35; Bauche, Ulrich, IVAN: Entwürfe, Plakate, Pastelle – Der Gebrauchsgraphiker Ivan Seligmann, in: Wamser, Ursula, Wilfried Weinke, Hrsg., Eine verschwundene Welt. Jüdisches Leben am Grindel, Springe 2006.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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