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Edith Seidler (geborene Lipschütz) * 1915

Isestraße 115 (Eimsbüttel, Harvestehude)

1941 Lodz

Edith Seidler, geb. Lipschütz, geb. 6.7.1915 in Kladau, am 25.10.1941 deportiert nach Lodz

Edith Seidler war in Osnabrück aufgewachsen. Ihre Eltern hießen Selma und Hugo Lipschütz. Edith hatte drei Geschwister. Der Vater, Hugo Lipschütz, arbeitete als Dekorateur. Edith Seidler besuchte die Jüdische Schule in Osnabrück. Um 1930 begann sie eine Lehre als Putzmacherin bei der Firma Max Blank & Co. Nachdem sie ihre Ausbildung beendet hatte, wurde die Firma "arisiert" und hieß von da an Hutgeschäft Stern. Die Besitzer entließen Edith Seidler 1934 "aus rassischen Gründen".

Daraufhin zog sie nach Hannover und arbeitete als Hausangestellte. Von 1937 an fand sie keine Arbeit mehr und wohnte wieder bei ihren Eltern in Osnabrück. Im August 1937 zog sie nach Hamburg, wo bereits ihre Schwester Elli Lipschütz in der Hochallee lebte. Edith wohnte zunächst in der Oderfelder Straße, später in der Isestraße. Sie suchte weiterhin Arbeit als Hausangestellte. Wegen eines Schwangerschaftsabbruches wurde sie am 29. Juli 1938 vom Oberlandesgericht Hannover zu sechs Wochen Haft verurteilt.

Man könnte meinen, dass die nationalsozialistischen Richter eine Abtreibung bei Jüdinnen vom "rassischen" Gesichtspunkt aus befürwortet hätten. Als vorrangig galt jedoch der Aspekt der "Erziehung" der "arischen" Frau. Da diese dem "Führer" möglichst viele Kinder gebären sollte, musste Abtreibung generell unter Strafe stehen:

Das Schwurgericht Hannover beschäftigte sich 1939 mit den widersprüchlichen Interessen­lagen des nationalsozialistischen Staates in Bezug auf Jüdinnen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen ließen und kam zu der Auffassung:

"Die gänzlich freie und ungeregelte Zulassung der Abtreibung kann den in Deutschland lebenden Personen jüdischer Rassenzugehörigkeit, so unerwünscht der Nachwuchs vom völkischen Standpunkt auch sein mag, nicht zugestanden werden. Würde man das tun, so würde die Gefahr bestehen, dass innerhalb dieser Kreise mit der Zeit ein gewerbsmäßiges Abtreibertum hochgezüchtet wird, von dem ernsthafte Gefahren auch für den deutschen Nachwuchs ausgehen könnten."

Edith verbüßte die Strafe vom 22. August bis zum 3. Oktober 1938 in Hamburg. Im Bericht der "Hamburgischen Justizvollzugsanstalt" wird ihre äußere Erscheinung beschrieben: schlank, 1,61 m groß, dunkle Haare und braune Augen.

1939 heiratete sie den jüdischen Elektriker Erich Seidler, der zu der Zeit auch als Hausangestellter arbeitete. Dieser wanderte kurz nach der Hochzeit nach England aus. Er wollte dort Fuß fassen und Edith bald nachkommen lassen. Wegen des Kriegsbeginns war das dann aber nicht mehr möglich.

Inzwischen arbeitete Edith Seidler bei der jüdischen Familie des ehemaligen Bankdirektors Mendel. Sie wohnte mit den Mendels zusammen zur Untermiete bei Frau Henriques in der Isestraße 115.

Ediths Eltern hatten es inzwischen geschafft, in die Vereinigten Staaten auszuwandern. In großer Sorge versuchten sie Kontakt zu Edith zu halten. Hugo Lipschütz erklärte im Rahmen des sogenannten Wiedergutmachungsverfahrens: "Ich sah meine Tochter das letzte Mal im Mai 1941, als ich beim amerikanischen Konsulat in Hamburg das Visum bekam. Das letzte Mal sprach ich mit ihr am Telefon Ende August 1941 von Berlin aus. Kurz nach unserer An­kunft in Amerika, Ende September 1941, schrieben meine Frau und ich an unsere Tochter. Auf diesen Brief bekamen wir keine Antwort mehr." Edith Seidler wurde am 25. Oktober 1941 nach Litzmannstadt deportiert.

Ihre Eltern ließen sie nach dem Krieg suchen. Ein Mitarbeiter der "Notgemeinschaft der durch die Nürnberger Gesetze Betroffenen" in der Heimhuderstraße beantwortete ihr Anfrage 1946: "Vielleicht stellen sie einen Suchantrag beim World Jewish Congress …, falls Sie keine Anhaltspunkte haben, wohin Frau Seidler gegangen sein dürfte, falls sie diese Schreckenszeit im Osten doch überlebt haben sollte."

Edith Seidler hatte nicht überlebt. Ihr Mann, Erich Seidler, entging der Schoah in Kanada.

© Maike Grünwaldt

Quellen: 1; 4; 8; AfW, 060715; StaH, 242-1 Gefängnisverwaltung, Abl. 13; Schwurgericht Hannover, 7.2.1939, Deutsche Justiz 1939, S. 572, in: Herbert Onstein, Die Entwicklung der Straftatbestände der Abtreibung, Münster, Diss. 1996, S. 118.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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