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Peter Jürs nach seiner Verhaftung 1940
Peter Jürs nach seiner Verhaftung 1940
© StaH

Peter Jürs * 1895

Martin-Luther-Straße 20 (vormals Nr. 12) (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
PETER JÜRS
JG. 1895
VERHAFTET 29.6.1940
KZ FUHLSBÜTTEL
1941 ZUCHTHAUS
BREMEN-OSLEBSHAUSEN
ERTRUNKEN 3.5.1945
MS CAP ARCONA

Peter Julius Jürs, geb. am 26.4.1895 in Hamburg, inhaftiert am 10.6.1940, umgekommen am 3.5.1945 beim Untergang der "Cap Arcona" in der Lübecker Bucht

Martin-Luther-Straße, in der Kehre (Martin-Luther-Straße 22)

"Ihr lieber Junge hat einen ganz besonderen Schneid und Entschlussfähigkeit gezeigt, Gott schütze und erhalte Ihnen diesen Prachtjungen in seiner freudigen Begeisterung". Diese aus heutiger Sicht eher befremdlichen Worte hatte 1914 ein Hauptmann an den Vater des Soldaten Peter Jürs geschrieben.

Der 19 Jahre alte Peter Jürs hatte sich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet und war 1918 als hochdekorierter Unteroffizier, aber auch schwer versehrt, aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt. Geprägt durch seine Fronterlebnisse und den Tod dreier Brüder (ein weiterer starb 1930 an den Spätfolgen seiner Kriegsverletzung), wurde Peter Jürs zu einem erklärten Pazifisten, "da er die Härte des Krieges kannte", wie seine Ehefrau Karla Jürs in ihrem Wiedergutmachungsantrag erklärte. Ihr Mann hielt mit seiner Meinung zum Krieg nicht hinterm Berg, obwohl es ihm von seinen späteren Vorgesetzten manchen Verweis einbrachte.

Peter Jürs war als jüngster Sohn des Gastwirtes Bernhard Jürs (geb. 24.7.1859, gest. 27.4.1942) und Rebecka Maria, geb. Koch (geb. 11.1.1864), am Alsterdamm 3 (heute Ballindamm) geboren worden. Sein Vater betrieb dann von 1906 bis 1919 eine Wirtschaft am Holstenplatz 12–13 und wohnte nun mit seiner Familie in der Poolstraße 18. Peter Jürs wuchs mit fünf Brüdern und vier Schwestern auf. Nach seiner Schulzeit erlernte er den Beruf des Schriftsetzers, den er wegen seiner an der Ostfront erlittenen Kriegsverletzung an der linken Hand nicht mehr ausüben konnte. Nach Kriegsende zunächst noch bis 1919 im Sicherheitsdienst der Polizei beschäftigt, fand er im Februar 1920 als Hilfsschreiber im Hauptversorgungsamt in Altona eine Anstellung. Nach mehrjährigen Tätigkeiten als kaufmännischer Angestellter und nach kurzer Erwerbslosigkeit erhielt er am 1. Juni 1937, wohl wegen seiner Kriegsversehrtheit, als Zivilangestellter beim Wehrbezirksamt wieder eine Beschäftigung.

Peter Jürs wurde als sehr gesellig und beliebt beschrieben. Er spielte gern Skat und war, als Mitglied des FC St. Pauli, ein begeisterter Sport- und Fußballanhänger. Am 26. April 1930 heiratete er Karla Stelling (geb. 6.3.1906), mit der er die Kinder Hans-Peter (geb. 16.4.1931), Günter (geb. 3.7.1933) und Karin (geb. 19.3.1936) bekam.

Beim Wehrbezirksamt wirkte Peter Jürs bei den Musterungen der Wehrpflichtigen mit und war später als stellvertretender "Kraftfahrsacharbeiter" auch für die Einberufung "nichtgedienter" Kraftfahrer zuständig. In dieser Eigenschaft soll er dann Wehrpflichtigen der Jahrgänge 1904 bis 1905 Ratschläge erteilt haben, um eine Befreiung vom Wehrdienst zu erreichen. Am 10. Juni 1940 wurde Peter Jürs an seinem Arbeitsplatz in der Bundesstraße verhaftet und beschuldigt "Wehrstammbücher vorsätzlich verfälscht, beiseite geschafft und Zurückstellungsanträge selbstständig verlängert und somit auf den Karteikarten falsche Eintragungen vorgenommen zu haben".

Nach Ermittlungen der Gestapo und nach einem Jahr in Untersuchungshaft forderte der Oberstaatsanwalt bei der Hauptverhandlung am 7. Januar 1941 vor dem Hanseatischen Sondergericht wegen fortgesetzter "Wehrkraftzersetzung" für Peter Jürs die Todesstrafe. Ein Gnadengesuch seiner Familie vom 29. Januar bewirkte die Umwandlung in eine 15-jährige Zuchthausstrafe, die Peter Jürs zunächst in Bremen-Oslebshausen und ab dem 30. April 1943 im KZ Neuengamme verbüßte.

Als am 19. April 1945 das KZ Neuengamme wegen der anrückenden alliierten Verbände geräumt wurde, kam ein Teil der Häftlinge mit einem Evakuierungstransport zur Lübecker Bucht. Dort lagen die "Cap Arcona", ein ehemaliges Passagierschiff mit Maschinenschaden, und die Frachtschiffe "Thielbek" und "Athen". Letztere ankerte im Neustädter Hafen. Die Häftlinge wurden auf die Schiffe gebracht und unter Deck eingeschlossen.

Am 3. Mai 1945 gegen 15 Uhr schossen britische Kampfflugzeuge, die in den Schiffen Truppentransporter vermuteten, die Häftlingsschiffe in Brand. Die "Thielbek" sank, die "Cap Arcona" legte sich auf die Steuerbordseite. Von den 4300 bis 6000 Häftlingen (die Angaben variieren), die sich auf der kenternden "Cap Arcona" befanden, konnten sich nur 350 Häftlinge retten. Die Übrigen verbrannten an Bord, ertranken im kalten Ostseewasser oder wurden beim Versuch, an Land zu schwimmen, erschossen. Peter Jürs befand sich nicht unter den Überlebenden.

Karla Jürs hatte nach der Verhaftung ihres Mannes versucht, als Kontorangestellte den Lebensunterhalt für sich und ihre drei Kinder zu bestreiten. Die Kriegsbeschädigtenrente war ihr gestrichen worden. Im Sommer 1943, während der schweren Luftangriffsserie auf Hamburg, wurde sie in der Martin-Luther-Straße 22 ausgebombt. Sie flüchtete nach Gotenhafen (heute Gdynia/Polen), zu ihrer Schwägerin nach Danzig und im folgenden Jahr zu einer weiteren Schwester ihres Mannes nach Neustadt in Westpreußen (heute Wejherowo/Polen). Dort wurde sie durch polnische Milizen interniert und kehrte im Anschluss nach einem 4½-wöchigen Fußmarsch nach Hamburg zurück.

Nach dem Krieg stellte Karla Jürs einen Antrag auf Wiedergutmachung. Doch weder die Aussage einer früheren Nachbarin noch die eines ehemaligen Mitgefangenen ihres Mannes konnten den zuständigen Sachbearbeiter davon überzeugen, dass Peter Jürs nicht aus kriminellen Motiven gehandelt habe, da er beschuldigt worden war, von einigen "Zurückgestellten" Zuwendungen angenommen zu haben. Der Beamte mochte in Peter Jürs keinen Pazifisten erkennen. Eine Entschädigung wurde abgelehnt.

Der Stolperstein, der an Peter Jürs erinnert, wurde in der Kehre der Martin-Luther-Straße verlegt.


Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht-Strafsachen 5126/41 Bd. 1 und Bd. 2; StaH 351-11 AfW 31032 (Jürs, Karla); StaH 332-5 Standesämter 2675 u 421/1885; StaH 332-5 Standesämter 2364 u 1110/1895; StaH 332-5 Standesämter 13434 u 279/1930; StaH 332-5 Standesämter 7263 u 804/1942; Goguel: "Cap Arcona".

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