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Ilse Mathilde Karlsberg
© Evelyn Karlsberg

Ilse Mathilde Karlsberg (geborene Heilbron) * 1900

Hallerstraße 5 (vormals Klosterallee 8) (Eimsbüttel, Harvestehude)


HIER WOHNTE
ILSE MATHILDE KARLSBERG
GEB. HEILBRON
JG. 1900
VERHAFTET 1940 HOLLAND
1941 KZ FUHLSBÜTTEL
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET

Siehe auch:

Ilse Mathilde Karlsberg, geb. Heilbron, geb. am 30.9.1900, 1938 Umzug nach Amsterdam, 1940 Deportation von Amsterdam nach Hamburg, 15.7.1942 nach Theresienstadt, am 19.10.1944 in Auschwitz ermordet

Hallerstraße 5 (Klosterallee 8)

Die in Anführungszeichen gesetzten Zitate, mit R.M. bezeichnet, stammen von Ruth Meissner, der Tochter von Ilse Karlsberg, die mit E.K. bezeichneten von Evelyn Karlsberg, der Enkeltochter Ilse Karlsbergs.

In der Nacht vom 9. auf den 10. Mai 1940 heulten in den Niederlanden die Sirenen und alarmierten die Bevölkerung: Die deutsche Wehrmacht war in die neutralen Niederlande einmarschiert. Für Ilse Karlsberg und ihre Familie war damit die erhoffte und durch die Einreise nach Amsterdam erstrebte Sicherheit wieder in Frage gestellt. Nach einer kurzen Zeit der scheinbaren Ruhe und Normalität begannen die Repressalien gegenüber der jüdischen Bevölkerung, die denen in Deutschland in nichts nachstanden.

Am 24. September 1940 wurde Ilse Karlsberg verhaftet, über Hamburg nach Theresienstadt deportiert und schließlich in Auschwitz ermordet. Bernhard Karlsberg und ihre drei Kinder Rahel, Ruth und Walter überlebten.

Ilse Karlsberg wurde als Ilse Mathilde Heilbron am 30.9.1900 in Hamburg geboren. Ihre Eltern waren Simon und Franziska Heilbron, geb. Fröhlich (siehe dieselbe, Stolperstein Oderfelder Straße 25), die Familie lebte in der Hansastraße 63. Ilse Heilbron hatte zwei jüngere Geschwister, Martin Philipp und Alice, 1903 und 1907 geboren . Sie besuchte das "Staatliche Lyzeum in der Hansastraße mit Studienanstalt und Frauenschule", auf dem Klassenfoto vom März 1918 ist sie in der Mitte der ersten Reihe zu sehen.

"Meine Mutter besuchte eine Mädchenschule in Hamburg und bekam nach dem Abschluss als Kindergärtnerin eine Anstellung in einem Kinderhort für Kinder aus armen Familien. Da es sich um die Zeit während und nach dem Ersten Weltkrieg handelte, gab es derer leider sehr viele. Ich erinnere mich, dass sie uns oft erzählte, dass diese Kinder zwar Hunger litten, aber keineswegs essen wollten, woran sie nicht gewöhnt waren. Im Gegensatz zu der Familie meines Vaters wurde es mit der Religion im Hause Heilbron nicht so genau genommen. Ich denke, dass die hohen Feiertage eingehalten wurden. Mein Onkel Martin wurde Bar Mitzwe (Junge mit religiöser Volljährigkeit), aber ich erinnere mich, dass meine Mutter am Anfang ihrer Ehe Schwierigkeiten hatte, den Haushalt nach koscheren Gesetzen zu führen." (R. M.)

1922 heiratete Ilse Heilbron Bernhard Karlsberg, am 17.7.1923 kam die Tochter Rahel zur Welt, die Tochter Ruth wurde am 8.5.1925 und der Sohn Walter am 23.12.1926 geboren. Die Familie lebte abwechselnd in der Hansastraße 63, das Haus gehörte wohl zeitweise den Heilbrons, und in der Klosterallee 8, einem Haus der Karlsbergs.

"Die Großeltern kannten einander, weil sie höchstwahrscheinlich derselben Jüdischen Gemeinde angehörten, auch wohnten sie in derselben Gegend in Hamburg. Es gibt ein Gruppenbild, auf dem beide schon vor 1920 erscheinen." (R. M.)

Ilse Karlsberg heiratete in eine Familie mit einer bekannten Firma ein. Bernhard Karlsberg, am 11.10.1899 in Hamburg geboren, hatte Rechts- und Staatswissenschaften studiert und stieg nach seiner Promotion in die Firma seines Vaters Moritz Karlsberg ein (www.stolpersteine-hamburg.de). Die Firma B. Karlsberg hatte Moritz Karlsberg zu einer der größten Passagier-Agenturen auf dem europäischen Kontinent für die britische Cunard-Linie ausgebaut. Die Biographie von Ilse Karlsberg ist eng mit der unternehmerischen und politischen Arbeit ihres Mannes in Hamburg verbunden, dann auch mit Verfolgung und Flucht.

Während seines Studiums beobachtete Bernhard Karlsberg die antisemitischen Strömungen innerhalb der Studentenschaft der gerade gegründeten Hamburger Universität und berichtete in den "Hamburger Jüdischen Nachrichten" darüber. Während seiner Studienzeit in München wurde er Mitglied einer jüdischen Selbstverteidigungsorganisation, um gemeinsam mit anderen Studenten jüdische Flüchtlinge aus Osteuropa vor antisemitischen Übergriffen zu schützen. Ilse Karlsberg kannte nicht nur die Einstellung ihres Mannes, sie teilte sie auch. Bis Januar 1935 lebte und arbeitete Bernhard Karlsberg in Hamburg, politisch engagierte er sich vor 1933 in der Kommunistischen Partei, auch nach der Machtübernahme hielt er seine politischen Verbindungen aufrecht.

"Mein Vater schloss sich als junger Mann einer zionistischen Organisation an. Die zionistische Bewegung war damals noch ziemlich jung und vieles noch nicht geklärt. Schließlich beschloss er aus dem Verein auszutreten und schloss sich den Kommunisten an. Er war zu der Zeit schon verheiratet und wir drei waren schon vorhanden. Mit dem Einverständnis meiner Mutter traten sie beide in die Kommunistische Partei ein. Ihre politische Betätigung wurde keineswegs vor uns Kindern geheim gehalten. Wir lernten alle Lieder so wie die Internationale und folgten den Entwicklungen in der Sowjetunion mit der Begeisterung der Eltern. Nach der Machtübernahme Hitlers wurde das natürlich eine große Belastung für uns Kinder, da wir stets daran erinnert wurden, niemals über was zu Hause vorging zu sprechen. Im Gegensatz zu meinem Vater blieb meine Mutter bis zu ihrem Lebensende Mitglied der Partei. Wo meine Mutter selbst stand, ist schwer zu sagen. Sie war ein sehr privater Mensch. Ein Beispiel: mein Vater, der aus einem ziemlich religiösen Haus stammte und als Kind vielleicht seine Eltern noch übertraf, löste sich von all dem ab. Wir Kinder sind ohne Glauben erzogen und alle Traditionen, so wie koschere Küche und Feiertage, kannten wir nur durch Besuche bei den Großeltern. Sehr zu meinem Erstaunen habe ich vor nicht langer Zeit in einem Brief, den Ilse (Karlsberg) an eine Verwandte geschrieben hat, gelesen, dass sie ganz und gar an einen Gott glaubt. Weder Chanukka noch Weihnachten wurde bei uns gefeiert, doch zu Geburtstagen wurden wir reich beschenkt. Am Morgen des jeweiligen Geburtstages wurde man mit einer Binde vor den Augen ins Wohnzimmer geführt, da war ein Tisch mit allen möglichen Geschenken bedeckt. Man konnte bestimmen, was es zum Abendbrot geben solle, das sind gute Erinnerungen." (R. M.)

Im Herbst 1934 wurde Bernhard Karlsberg von einem Freund gewarnt, einem Rechtsanwalt, mit dem zusammen er unentgeltlich die Verteidigung politischer Gefangener vorbereitete. Ein Gefangener habe ein Geständnis abgelegt, in der Akte sei wiederholt der Name Karlsberg vermerkt. Im Dezember 1934 schickten Ilse und Bernhard Karlsberg ihre Kinder, die Schüler der Jahn-Schule in der Bogenstraße waren, vorsorglich in die Schweiz.

"Was meine Eltern dazu bewegte, uns in die Schweiz zu schicken, weiß ich nicht. Offiziell war der Grund, dass wir erholungsbedürftig seien und auf 6 Wochen in die Schweizer Berge müssten. Meine Mutter und unser liebes Kinderfräulein Martha (mein Vater war nicht dabei) brachten uns nach Zweisimmen ins Kinderheim." (R. M.)

Einen Monat später warnte Franziska Heilbron, Mutter von Ilse Karlsberg, im "Amtlichen Anzeiger" sei ein Haftbefehl gegen Bernhard Karlsberg abgedruckt wegen Verdachts auf Hochverrat. Am 25. Januar 1935 verließ Bernhard Karlsberg Hamburg und floh mit dem Zug nach Basel. Ilse Karlsberg löste im Sommer in Hamburg den Haushalt auf und folgte ihrer Familie in die Schweiz, wo sie für neun Monate blieb. Bernhard Karlsberg bemühte sich um eine Aufenthaltserlaubnis für Frankreich oder die Niederlande, inzwischen zog Ilse Karlsberg mit den Kindern nach Prag. Bernhard Karlsberg bekam eine Aufenthaltsgenehmigung für Holland und ging nach Amsterdam, seine Familie sah er nur während seiner Besuche in Prag.

"Ich glaube, dass meine Mutter in Prag (1935–1938) sich wohl gefühlt hat. Sie hatte eine Reihe von Freunden, jüdische und politische Flüchtlinge aus Deutschland. Sie hatte ab und zu sogar Sitzungen mit ihren Zellenmitgliedern der KP, sollte mein Vater auf Besuch sein, musste er die Wohnung verlassen. Viele ihrer Freunde hatten keine Möglichkeit Geld zu verdienen und waren auf verschiedene wohltätige Unternehmen angewiesen, um nicht zu verhungern. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir jemals ein Mittagessen ohne Tischgäste hatten. Sie hatte eine besondere Vorliebe für klassische Musik und verbrachte oft Abende bei Freunden, die ein Grammophon und Schallplatten besaßen. Es muss ein schwerer Abschied für sie gewesen sein, als wir im März 1938 Prag nach Österreichs ,Anschluss‘ verließen." (R. M.)

In der Zwischenzeit war Bernhard Karlsberg aus der KP ausgeschlossen worden, weil er sich gegen die Verhältnisse in der stalinistischen Sowjetunion ausgesprochen hatte. Der im Januar 1935 ausgestellte Haftbefehl aber und die 1937 an den Volkgerichtshof nach Berlin übersandte Ermittlungsakte bewirkten, dass Bernhard Karlsberg die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt und er zusammen mit Ilse Karlsberg und den drei Kindern ausgebürgert wurde. Auch gegen Ilse Karlsberg war ein Haftbefehl wegen ihrer KP-Mitgliedschaft erlassen worden.

Ilse Karlsberg wurde mit ihrer Familie offiziell am 5. April 1938 in Amsterdam gemeldet, ihre Adresse war Merwedeplein 23a. Dort lebten seit September 1938 ihre Schwiegereltern, Moritz und Emilie Karlsberg, seit Februar 1939 auch ihre Mutter, Franziska Heilbron. Seit Herbst 1937 arbeitete Bernhard Karlsberg in einem eigenen Büro in der Herrengracht als Rechtsanwalt, wo er auch unentgeltlich Flüchtlinge beriet. In England bestand Interesse an dieser Beratertätigkeit, seine erneuten Versuche, im Sommer 1939 in England zu arbeiten, schlugen fehl, am 1. September begann mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Polen der Zweite Weltkrieg.

Nachdem mit dem 15. Mai 1940 die Niederlande zu deutschem Besatzungsgebiet erklärt wurden, mussten Ilse und Bernhard Karlsberg mit ihrer Verhaftung rechnen, die holländischen Behörden hatten alle Einwohnerlisten der deutschen Besatzung und damit auch der Sicherheitspolizei übergeben müssen. Die Kinder waren nach Wieringen geschickt worden (im Werkdorp Wieringermeer wurden Kinder jüdischer Flüchtlinge für ihre Emigration nach Palästina vorbereitet). Ilse und Bernhard Karlsberg besuchten ihre Kinder dort einige Male. Während Bernhard Karlsberg seine Aufenthaltsorte häufig wechselte und damit der Verhaftung entging, weigerte sich Ilse Karlsberg unterzutauchen. Sie wollte bei der Mutter und den Schwiegereltern bleiben und zu Hause sein, wenn die Kinder zurückkehrten. Am 22. September 1940 sahen sich die Eheleute zum letzten Mal. Auch die drängenden Bitten ihres Mannes, sich in ein sicheres Versteck zu begeben, fruchteten nichts: "Ich werde nicht gesucht. Ich bleibe, wo ich bin."

"Sie (Ilse Karlsberg) war in Amsterdam ziemlich unglücklich, soweit ich es in meinem damaligen Alter beurteilen konnte. Ich war erst 15 Jahre alt, als ich sie zum letzten Mal sah." (R. M.)

Am 24. September 1940 wurde Ilse Karlsberg in ihrer Wohnung verhaftet. Neben systematischen Hausdurchsuchungen wurden Juden durch "Judenkenner" denunziert. ("Judenkenner" oder "Judenjäger" war die Bezeichnung für Denunzianten, die für Meldungen ein Kopfgeld erhielten.) Die Sicherheitspolizei war auf der Suche nach Bernhard Karlsberg und nahm Ilse Karlsberg als Geisel, man sagte ihr, sie würde freigelassen werden, wenn ihr Mann sich stellte. Ilse und Bernhard Karlsberg hatten sich versprochen, in Gefahr und Verfolgung einander nicht zu verraten, sich auf einen solchen Vorschlag nicht einzulassen. Einige Tage nach der Festnahme wurde sie vom Gefängnis Klein Gartmanplantsoen (besser bekannt als Weteringschans) in Amsterdam mit einem Transport über Cleve nach Hamburg gebracht.

Vom 21. bis 24. Juni 1941 wurde sie im KZ Fuhlsbüttel und im innerstädtischen Polizeigefängnis Hütten inhaftiert. Zwar wurde das Verfahren wegen Vorbereitung zum Hochverrat eingestellt, Ilse K. blieb aber in "Schutzhaft" und damit im Gefängnis. Eine ihrer Töchter berichtete später, Ilse Karlsberg sei dort wegen eines chronischen Schulterleidens erfolgreich behandelt worden.

Max Plaut, Jurist und Leiter des jüdischen Religionsverbandes, gelang es, am 2. Juli 1941 Ilse Karlsbergs Entlassung aus der Schutzhaft zu bewirken.

"Anlässlich einer Vernehmung, zu der ich ins Stadthaus (Hamburger Stadthaus, Stadthausbrücke, ab 1935 Hauptquartier der Gestapo) bestellt war, sah ich sie auf dem Korridor, als sie gerade selbst zu einer Vernehmung geführt wurde. Es ist mir dann gelungen, sie aus dem Gefängnis Fuhlsbüttel herauszubekommen mit der Auflage, dass sie nicht verschwindet. Außer Frau Karlsberg hatte mir die GESTAPO noch einige andere KZ-Häftlinge, meist über 70 Jahre, ausgehändigt, da ich die Verantwortung für diese übernommen hatte. Meine Verantwortung ging dahin, diese Häftlinge dauernd unter Verschluss zu halten. Ich habe mich dieser Aufgabe in der Weise entledigt, dass ich vor das Altersheim in der Schlachterstraße 40/42 ein verschließbares Tor einsetzen ließ. Auch Frau Karlsberg war in diesem Heim untergebracht, das im Ganzen über hundert Insassen hatte. Frau Karlsberg betätigte sich auch in der Wirtschaftsführung. Ab 19. September 1941 war I.K. auch verpflichtet, den Judenstern zu tragen." (Max Plaut)

Ilse Karlsberg stand unter Hausarrest, konnte aber Besuch empfangen. Der Maler Erich Brill schrieb vor seiner Deportation nach Riga im Dezember 1941 an seine Mutter: "... rate mal, wo ich bin", Ilse Karlsberg ergänzte handschriftlich im Brief: "bei mir, Ilse Karlsberg". Auch das ehemalige Kindermädchen Martha Hannchen Klan berichtete nach Amsterdam über Besuche bei ihr.

"Uns wurde berichtet, dass meine Mutter nach einem Gerichtsverfahren freigesprochen und durch die Vermittlung von Dr. Plaut aus dem Gefängnis entlassen wurde. Zunächst kam sie nun unter Hausarrest in das jüdische Altersheim, wo sie sich an der Pflege der Insassen beteiligte. Angeblich war sie zu der Zeit völlig abgemagert und wog nur noch 80 Pfund. Als wir anfragten, ob sie nicht wieder zu ihrer Familie kommen könne, wurde uns geraten, froh zu sein, dass sie auf diese Weise untergebracht war. Als das Altersheim aufgelöst wurde und die Insassen nah Theresienstadt transportiert wurden, ging sie mit. Ich glaube nicht, dass je von ,freiwillig‘ die Rede gewesen ist." (R. M.)

"Wir glauben, dass sie (Ilse Karlsberg) es hätte verhindern können, nach Terezin gebracht zu werden: sie hatte sich um einige alte jüdische Menschen gekümmert, als sie für die Deportation verhaftet wurden. Wir glauben, die Gründe dafür waren vielleicht, dass sie fühlte, dass die alten Leute sie brauchten, vielleicht wusste sie auch nicht, was es bedeutete, nach Terezin zu gehen, und/oder vielleicht dachte sie, dass die ganze Situation sowieso hoffnungslos war." (E. K.)

Am 22. Februar 1943 schrieb Moritz Karlsberg aus Amsterdam an "Herrn Dr. Max Israel Plaut, Bezirksstelle Nordwestdeutschland der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, Hamburg 13, Beneckestraße 2: "Inzwischen hat eine meiner Enkelinnen eine Postkarte von ihrer Mutter, meiner Schwiegertochter, aus Theresienstadt erhalten, welche ausschließlich die eigenhändige Unterschrift enthielt." Auf einer Postkarte vom 12. März 1943 schrieb Moritz Karlsberg an Max Plaut, dass er sich für die Übersendung von Post seiner Schwiegertochter mit Angabe der genauen Adresse in Theresienstadt bedanke, in der Post sei auch die Nummer der Schwiegertochter angegeben, nämlich L 314. Am 5. Oktober 1943 schickte Ilse K. eine Postkarte aus Theresienstadt, Langestraße 14, an die Israelische Gemeinde in Hamburg, Bornstraße 22. Vorgedruckt bestätigte sie mit der Anrede "Ihr Lieben" den Empfang eines Pakets vom 8. September 1943. Vermutlich wurden Pakete aus Hamburg geschickt, vielleicht vom Kindermädchen Martha. Pakete aus Amsterdam konnten nicht mehr geschickt werden, Mann und Kinder lebten versteckt, Mutter und Schwiegereltern waren deportiert.

Eine die Deportation überlebende Freundin der Familie berichtete, dass Ilse Karlsberg in Theresienstadt als Krankenschwester arbeitete. Sie betreue auch den sehr kranken Hans Heilbut, einen Freund der Familie aus Hamburg und Amsterdam. Als er mit seiner Familie am 19. Oktober 1944 nach Ausschwitz gebracht wurde, befand sie sich im selben Transport.

Das genaue Todesdatum von Ilse Karlsberg ist nicht bekannt, auf ihrem Stolperstein wird es mit dem Jahr 1944 angegeben.

Ilse Karlsbergs Familie überlebte. Bernhard Karlsberg blieb in wechselnden Verstecken unentdeckt, Rahel und Ruth wurden nach der Auflösung von Wieringen nach Westerbork gebracht (vor der Zeit der Invasion jüdisches Flüchtlingsauffanglager, dann KZ-Sammellager), getrennt voneinander und zu verschiedenen Zeiten, Walter kam zu einer Pflegefamilie. Rahel Karlsberg hatte vorher Claus Rawitscher (später Raven) geheiratet, die beiden hatten sich in Wieringen kennengelernt. Rahel und Ruth kamen auf abenteuerlichen Wegen glücklich nach Amsterdam zurück, dabei halfen Kuriere, die offiziell eingesetzt waren, zugleich aber verdeckt im Widerstand arbeiteten. Die Anlaufstelle für alle Karlsbergs war das Appartement von Hanna Lendner, einer Freundin der Familie, die aus Prag nach Amsterdam gezogen war. Sie versteckte und versorgte Bernhard Karlsberg, Rahel und Claus Raven, Ruth und Walter bis zur Befreiung am 5. Mai 1945 mehr als 2 Jahre. Bernhard Karlsberg erhielt sein Büro in der Herrengracht zurück, später ging er nach England und heiratete Hanna Lendner, er starb 1985. Rahel, Claus Raven und Ruth und wanderten in die USA aus, Walter blieb zunächst in Amsterdam, alle gründeten Familien.

Ermordet wurde auch Ilse Karlsbergs verwitwete Mutter Franziska Heilbron (www.stolpersteine-hamburg.de). Nachdem ihre Kinder Martin Philipp und Alice 1934 und 1936 Deutschland verlassen hatten, kaufte sie die Firma Philipp Fürst, einer der Hauptkollekteure der Hamburger Staatslotterie, die sie nach dem Tod ihres Mannes weitergeführt hatte. 1939 folgte sie Ilse nach Amsterdam. Franziska Heilbron wurde 1943 bei einer Razzia verhaftet und über das Durchgangslager Westerbork ins Vernichtungslager Sobibor deportiert. Ihr Todesdatum wird mit dem 16. Juli 1943 angegeben.

Ilse Karlsbergs Schwiegereltern Moritz und Emilie Karlsberg (www.stolpersteine-hamburg.de) wurden ebenfalls ermordet. Moritz Karlsberg, geb. 1865, war 1868 mit Eltern und Geschwistern nach Hamburg gekommen und mit 17 Jahren ins väterliche Geschäft, die Vertretung der Cunard-Linie (Cunard Steam Ship Company zu Liverpool) als Lehrling eingetreten. 1897, nach dem Tod seines Vaters, wurde er zum Repräsentanten der Linie im Deutschen Reich bestellt. Die Schifffahrtslinie überprüfte Auswanderer auf Gesundheit, Bargeld, Fähigkeiten und den Nachweis einer Unterkunft, damit sie dem Einwanderungsland nicht zur Last fielen. Moritz und Emilie Karlsberg, die 1892 geheiratet hatten, bekamen drei Kinder: Ilse, Ernst und Bernhard. Als Moritz Karlsberg 1938 erklären sollte, ob die Cunard-Linie "arisch" sei, kündigte er, verkaufte seine Anteile und emi­grierte. Obwohl das Ehepaar ein englisches Dauer-Visum besaß, blieb es in Amsterdam bei der Familie von Bernhard und Ilse Karlsberg. Nach einer der Razzien 1943 wurden die Eheleute ins Lager Westerbork gebracht. Am 20. Juni 1943 mussten sie den Zug ins Vernichtungslager Sobibor besteigen, wo sie gleich nach der Ankunft ermordet wurden. Ihr Todesdatum wurde auf den 23. Juni 1943 festgelegt.

Stand: September 2016
© Ursula Erler

Quellen 1; 7; 8; StaH, Amt für Wiedergutmachung, 351-11_978, _2002, _3652, _22140, _23886, _45883, _48012; Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Die Geschichte der Niederlande 1940–1945; Die Judenverfolgung in den Niederlanden, Wikipedia vom 23.10.2013; Wamser/Weinke (Hrsg.): Niederländer aus Überzeugung, in: dies., Ehemals in Hamburg zu Hause, S. 189–195; Staatsarchiv Hamburg, Familie Plaut, Dr. Max Plaut, Briefe, 622-1/173; Spiegel-TV zur Stolperstein-Verlegung, http://www.spiegel.de/video/video-1119512.html vom 1.4.2011; mündliche und E-Mail-Auskünfte: Jose Martin, Jose.Martin@kampvesterborg.de vom 24.1.2012; Ulf Bollmann, Staatsarchiv Hamburg vom 31.5.2012; Ruth Meissner, geb. Karlsberg, USA, Chester, Tochter von Ilse Karlsberg, Besuch Mai 2014; Evelyn Karlsberg, Edinburgh, Enkeltochter von Ilse Karlsberg.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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