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Bereits verlegte Stolpersteine



Porträt Reinhold Laski mit geschlossenen Augen
Porträt Reinhold Laski
© StaH

Reinhold Laski * 1887

Kleine Johannisstraße 9 (Hamburg-Mitte, Hamburg-Altstadt)


HIER WOHNTE
REINHOLD LASKI
JG. 1887
EINGEWIESEN 1940
HEILANSTALT LANGENHORN
"VERLEGT" 23.9.1940
BRANDENBURG
ERMORDET 23.9.1940
"AKTION T4"

Carl Reinhard (Reinhold) Laski, geb. am 11.5.1887 in Hamburg, ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel


Stolperstein Hamburg-Altstadt, Kleine Johannisstraße 9

Carl Reinhard Laski war das jüngste von fünf Kindern einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Hamburg. In seiner Geburtsurkunde lautete sein Vorname zunächst Carl Reinhold, wurde dann aber in Carl Reinhard korrigiert. Sein Großvater Arnold (Abram Blum) Laski kam aus Lubraniec in Polen (bis 1942 Lubranitz, dann bis 1945 Lutbrandau) und gründete etwa um 1855 am Valentinskamp 81 eine Firma als Haus- und Versicherungsmakler. Auch Carl Reinhards Vater Harry Laski, geboren am 5. Juli 1850 in Hamburg, der zunächst in verschiedenen Firmen der Getreidebranche als Prokurist tätig war, machte sich 1876 als "Haus- und Assekuranzmakler" selbstständig. Im darauffolgenden Jahr heiratete er die am 22. November 1854 ebenfalls in Hamburg geborene Ida Wulffsohn. Der Firmensitz befand sich in den Straßen Neß 1 (1881), an den Brodschrangen 15, in der Großen Reichenstraße 44 (1900) und später, als "Harry Laski & Sohn", in der Kleinen Johannisstraße 9.

Die Familie Laski wohnte 1881 in der Osterstraße 26, dann im Heußweg 60 in Eimsbüttel, Anfang der 1920er-Jahre in der Maria-Louisen-Straße 90 in Hamburg-Winterhude und zuletzt in der Alsterchaussee 28 im Stadtteil Harvestehude. Der Familie ging es wirtschaftlich offensichtlich gut.

Carl Reinhard Laski kam am 11. Mai 1887 eine halbe Stunde nach seiner Zwillingsschwester Wera zur Welt. Wera starb fünfjährig am 1. September 1892. Ihr Grab befindet sich auf dem Jüdischen Friedhof an der Straße Ilandkoppel in Hamburg-Ohlsdorf.

In Carl Reinhard Laskis späterer Krankenakte wurde ihm "cerebrale Kinderlähmung, Enzephalitis (Gehirnentzündung) im Kindesalter, wahrscheinlich nach [einem] Fall einige Wochen nach der Geburt" und "traumatische Epilepsie (als Folge einer Hirnverletzung)" diagnostiziert. Erschwerend kam für ihn hinzu, dass er bereits als Sechsjähriger eine Brille benötigte und nach einer missglückten Operation in seiner Jugend früh erblindete. Nach eigenen Angaben hatte er die private, von liberalen jüdischen Familien bevorzugte Wahnschaff-Schule in der Neuen Rabenstraße 15 besucht.

Wann genau Carl Reinhard Laskis Odyssee durch verschiedene Anstalten begann, ist nicht belegt. Bis 1913 war er in der Silberbergschen Anstalt in Shelm, einem jüdischen "Landheim für geistig behinderte Knaben" bei Elberfeld-Barmen, untergebracht. Anschließend kam er in das Hilfsschulinternat im Albertushof in Bremen. Am 4. Juli 1922 wurde Carl Reinhard in den damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) aufgenommen. Er wurde als ruhiger und verträglicher Mensch beschrieben, der sich in seine Umgebung und die Hausordnung einfügte und zu leichter Haus- und Gartenarbeit befähigt war. Sechzehn Jahre seines Lebens verbrachte Carl Reinhard Laski in Alsterdorf, bis er am 28. Oktober 1938 auf Veranlassung des Anstaltsleiters Pastor Friedrich Karl Lensch in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn verlegt wurde. Pastor Lensch befürchtete angeblich, durch die jüdischen "Zöglinge" die Anerkennung als gemeinnützige Anstalt zu verlieren.

Eine Beurteilung Carl Reinhard Laskis in Langenhorn lautete: "Freut sich darüber, dass er die Toilette alleine finden kann, kommt von den Alsterdorfer Anstalten, da er Jude sei. Spaziert im Saal, tastet an den Betten entlang. Am Tage im Wachsaal im Korbstuhl, verhält sich ruhig, nimmt am Vorgang im Saal Anteil, in dem er, wenn was gesagt wird, lacht oder den Kopf schüttelt. Findet sich recht gut zurecht. Hört aufmerksam den Gesprächen der Umgebung zu. Spielt mit Mitpatienten ‚Mensch ärgere Dich nicht’". Auch der Besuch eines Neffen ist in den Akten vermerkt, "mit dem er lacht und viel erzählt".

Am 24. Januar 1940 wurde Carl Reinhard Laski erneut verlegt, diesmal in die Heilanstalt Strecknitz in Lübeck. Dort wurde in seiner Krankenakte vermerkt: "Zwei Tage im Bett, dann Stuhl im Wachsaal, harmlos und ruhiger Patient, bereitet in pflegerischer Hinsicht keine Schwierigkeiten. Immer in gleicher Weise gut ansprechbar. Findet sich trotz Blindheit gut zurecht." Aber auch: "Setzt sich vorlaut für andere Kranke ein. Wird auch von anderen Patienten betreut. Arzt gegenüber aufdringlich."

Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen.

Reinhard Laski traf am 16. September 1940 in Langenhorn ein. Am 23. September 1940 wurde er mit weiteren 135 Patientinnen und Patienten aus norddeutschen Anstalten nach Brandenburg an der Havel transportiert. Der Transport erreichte die märkische Stadt noch an demselben Tag. In dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses trieb man die Menschen umgehend in die Gaskammer und ermordete sie mit Kohlenmonoxyd. Nur Ilse Herta Zachmann entkam zunächst diesem Schicksal (siehe dort).

Wir wissen nicht, ob und ggf. wann Angehörige Kenntnis von seinem Tod erhielten. In allen dokumentierten Mitteilungen wurde behauptet, dass der oder die Betroffene in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch) verstorben sei.

Carl Reinhard Laskis Geburtsregistereintrag enthält die Notiz "Gestorben Nr. 359/1941 Chelm II am 31.1.1941 Generalgouvernement". Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch), einer Stadt östlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Chelm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

Auch die anderen Mitglieder der Familie Laski verloren aufgrund der Verfolgung durch den nationalsozialistischen Staat ihr Leben oder mussten aus Deutschland fliehen.

Carl Reinhards Bruder Johann Walter Laski, geboren am 8. Oktober 1882, übernahm 1925 nach dem Tod des Vaters die Firma "Harry Laski & Sohn". Die Mutter war bereits 1918 verstorben. Im Sommer 1938 wurde Walter Laski verhaftet, man bezichtigte ihn der "Rassenschande". Das Landgericht Hamburg verurteilte ihn am 21. Oktober zu einer zweijährigen Zuchthausstrafe. Mit dieser oft praktizierten Vorgehensweise wurden jüdische Geschäftsinhaber aus dem Berufsleben verdrängt und die "Arisierung" eingeleitet. Walter Laski vermutete später, dass seine Angestellte von ihrem Freund, einem Mitglied der NSDAP, überredet wurde ihn anzuzeigen. Schon bei seinem ersten Verhör sagte ein höherer Gestapobeamte: "Auch wenn wir Dir keine Rassenschande oder Devisenschieberei nachweisen und Dich daraufhin verurteilen können, schicken wir Dich in ein KZ."

Mithilfe seines Freundes und Geschäftspartners Albert Kruse gelang es Walter Laski im April 1940 eine Strafunterbrechung zu erwirken, allerdings unter der Bedingung, das Deutsche Reichsgebiet spätestens bis zum 10. Mai zu verlassen. Um zu verhindern, dass seine Firma doch noch in "nationalsozialistische Hände" geriet, ließ Walter Laski sie im November 1938 aus dem Handelsregister löschen. Der vor seiner Abreise noch unternommene Versuch, seiner Schwester Elsa, geboren am 19. August 1878, und ihrem Ehemann, dem Kaufmann Hermann Philipp, geboren am 15. Juni 1870 in Anklam, die keinerlei Einkommen und Erwerbsmöglichkeiten mehr hatten, eine Leibrente zu zahlen, scheiterte an der fehlenden Genehmigung des Oberfinanzpräsidenten. Walter Laski konnte über sein Vermögen nicht mehr frei verfügen. Elsa und Hermann Philipp nahmen sich am 2. November 1941 in ihrer Wohnung in der Wandsbeker Chaussee 71/73 in Hamburg-Eilbek gemeinsam das Leben. Ihr Sohn Herbert, geboren am 16. Februar 1903, der zunächst wiederbelebt werden konnte, starb zwei Tage später an den Folgen seiner Kohlenmonoxidvergiftung.

Nach der Entrichtung der "Reichsfluchtsteuer" und einer "Sicherungshinterlegung", erhielt Walter Laski eine "Unbedenklichkeitsbescheinigung" und entkam in das damals nicht visapflichtige Shanghai. Seine Kinder hatten Deutschland zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen. Johann Arnold, geboren am 9. Juli 1917, flüchtete über England und die Niederlande nach Argentinien. Annemarie, geboren am 18. Februar 1913, befand sich seit 1939 in den USA.

Walter Laski konnte seine seit einigen Jahren psychisch labile Ehefrau Mathilde, geborene Kallmes, geboren am 16. November 1888 in Wandsbek, nicht mit ins Ausland nehmen. Sie hatte nach der Verhaftung ihres Ehemannes einen Zusammenbruch erlitten und wurde in die "Psychiatrische und Nervenklinik der Hansischen Universität" Friedrichsberg eingeliefert. Am 31. März 1939 kam sie mit einem Sammeltransport in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn. Von dort konnte ihre Familie am 4. Mai ihre Entlassung erwirken. Seitdem wurde sie privat von einer jüdischen Pflegerin betreut. Zusammen mit ihrer Pflegerin Henriette Cohen, geborene Behrens, geboren am 17. Februar 1885, wurde Mathilde Laski am 25. Oktober 1941 nach Łódź in das Getto Litzmannstadt deportiert. Im Gedenkbuch "Hamburger jüdische Opfer des Nationalsozialismus" wird Mathilde Laskis Todesdatum mit dem 12. Juli 1942 angegeben. Ihrer Familie wurde allerdings durch eine Krankenschwester berichtet, dass sie bereits kurz nach ihrer Deportation Ende November 1941 im "Lager" verstarb.

An Mathilde Laski und an Henriette Cohen erinnern Stolpersteine im Woldsenweg 13. (s. Stolpersteine in Hamburg-Eppendorf und Hamburg-Hoheluft-Ost S. 240). Für das Ehepaar Philipp und dessen Sohn Herbert wurden Stolpersteine in der Wandsbeker Chaussee 81 in Hamburg-Eilbek verlegt. An Carl Reinhard (Reinhold) Laski erinnert ein Stolperstein in der Kleinen Johannisstraße 9 in Hamburg-Altstadt.

Stand: November 2017
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 4; 5; 9; AB; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 314-15 Oberfinanzpräsident FVG 8045 Laski, Walter; 331-5 Polizeibehörde-Unnatürliche Sterbefälle 3 Akte 1941/1718; 3 Akte 1941/1733; 332-5 Standesämter 9022 Geburtsregister Nr. 2123/1887 Carl Reinhard Laski; 9022 Geburtsregister Nr. 2122/1887 Wera Laski, 7873 Sterberegister Nr. 1357/1892 Wera Laski, 7253 Sterberegister Nr. 1067/1941 Hermann Philipp, 7245 Sterberegister Nr. 793/1941 Herbert Philipp, 1922 Geburtsregister Nr. 3364/1878 Elsa Laski, 2578 Heiratsregister Nr. 1361/1877 Harry Laski/ Ida Wolffsohn, 9768 Sterberegister Nr. 3578/1918 Ida Laski, 8970 Geburtsregister Nr. 3753/1882 Johann Walter Laski; 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26. 8. 1939 bis 27. 1. 1941; Abl. 1/1995, 25351 Laski, Reinhard; Abl. 2/1995, 25862 Laski, Mathilde; 522-1 Jüdische Gemeinden 922 e 2 Deportationslisten; Auskunft des Standesamtes Hamburg-Mitte über die Beischreibung auf dem Geburtsregistereintrag von Carl Reinhard Laski. Wunder, Michael/Genkel, Ingrid/Jenner, Harald, Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr. Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus, Hamburg 1987. Das Buch der alten Firmen der Freien und Hansedtadt Hamburg, Leipzig ca. 1928, S. X15. Marien-Lunderup, Regina, Die Verlegung in die Lübecker Heilanstalt Strecknitz, in: Böhme/Lohalm, Wege in den Tod, 1993, S. 233ff. IGdJ (Hrsg.), Heinsohn, Kirsten (Redaktion), IGdJ (Hrsg.), Das jüdische Hamburg, Ein historisches Nachschlagewerk, Göttingen 2006, S. 226. Behm, Britta L./Heinrichs, Gesa/Tiedemann, Holger (Hrsg.), Das Geschlecht der Bildung – Die Bildung der Geschlechter, Opladen 1999, S. 74.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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