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Bereits verlegte Stolpersteine



Otto "Este" Sternfeld * 1900

Grindelweg 4 Eingang Bundesstraße (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
OTTO STERNFELD
’ESTE’
JG. 1900
MEHRMALS VERHAFTET
1941 KZ FUHLSBÜTTEL
DEPORTIERT
AUSCHWITZ
ERMORDET 10.2.1943

Otto Sternfeld (Künstlername "Esté"), geb. am 18.12.1900 in Köln, gestorben am 10.2.1943 im KZ Auschwitz

Grindelweg 4, Eingang Bundesstraße (ehemals Grindelstieg 4)

Der 1900 in Köln geborene Otto Sternfeld war der Sohn des Fotografen Max Sternfeld und dessen Frau Pauline, geborene Fromm. Er war ein schmächtiger Junge mit blondem Haar – im Erwachsenenalter erreichte er eine Körpergröße von 1,65 Meter – und besuchte in Köln bis zum Ersten Weltkrieg eine jüdische Volksschule. Er hatte drei Geschwister. Im väterlichen Geschäft absolvierte er als junger Mann eine Lehre zum Fotografen. Als der Vater zum Lebensunterhalt der Familie 1915 eine Waschpulverfabrik übernahm, war Otto Sternfeld dort als Arbeiter beschäftigt, bis er 1917 zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Sein Lebenstraum aber war es, Tanzlehrer zu werden. So erlernte er nebenbei das Tanzen und bestand 1922 eine Tanzlehrerprüfung. Otto Sternfeld legte sich aus dem Akronym seines Familiennamens den Künstlernamen Esté zu, gründete eine Tanzschule und benannte diese ebenso. Zudem galt er als Pfeifkünstler.

Bevor er im August 1933 aus Görlitz nach Hamburg zur Untermiete in eine Parterrewohnung in die Rothenbaumchaussee 1 zog, lebte er im schlesischen Hirschberg und in Berlin. Er war in erster Ehe mit Dorothea, geb. Döbber, verheiratet. Die Ehe wurde 1928 geschieden. 1931 ging er eine zweite Ehe mit Elsbeth Maretzki ein, die 1935 in Breslau wegen seiner homosexuellen Veranlagung, er selbst bezeichnete sich als bisexuell, für nichtig erklärt wurde. Von dieser Frau lebte er bereits seit 1932 getrennt. Nachdem seine zweite Ehefrau ihm keinen Unterhalt mehr zahlte, und er auch mit seinem Tanzlehrergewerbe keine nennenswerten Einkünfte erzielte, bat er die Hamburger Fürsorgebehörde um finanzielle Unterstützung. Versuche, z. B. in einem Automaten-Vertrieb als kaufmännischer Angestellter seinen Lebensunterhalt zu verdienen, scheiterten, als die Firma Insolvenz anmeldete. So blieb ihm nichts anderes übrig, als Pflichtarbeiten, z. B. im Eisenbahnbau, zu verrichten.

Um für eine geplante Auswanderung Fremdsprachenkenntnisse zu erwerben, beantragte er im November 1936 finanzielle Unterstützung zum Besuch entsprechender Kurse, die vom Jüdischen Kulturbund in Hamburg angeboten wurden. Otto Sternfeld gehörte dem Reichsverband jüdischer Kulturbünde in Deutschland an, in dem die regionalen, jüdischen kulturellen Vereinigungen zusammengeschlossen wurden. Bei dessen Kulturveranstaltungen verdiente er sich ein Zubrot durch die Übernahme von Einlasskontrollen und als Kellner.

Im Frühjahr 1937 wurde er erstmals wegen seiner homosexuellen Veranlagung von der Kriminalpolizei verhaftet, die ihn bereits seit 1933 in einschlägigen Karteien führte. Vom 26. April bis zum 14. Juli 1937 inhaftierte die Kripo ihn im KZ Fuhlsbüttel, daran schloss sich bis Anfang August eine Haft im Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis an, bevor er nach der Verurteilung am 4. August vom Amtsgericht Hamburg seine achtmonatige Gefängnisstrafe wegen fortgesetzten Vergehens nach §175 in Fuhlsbüttel antrat.

Noch während der Verbüßung seiner Haftstrafe wurde er von einem ehemaligen Sexualpartner in einem Verhör belastet, der von sexuellen Erlebnissen im Februar/März 1936 berichtete und weitere Verdächtigungen gegen ihn aussprach. Nun verurteilte der Amtsgerichtsrat Joachim Lohse, als NSDAP- und SA-Mitglied in dienstlichen Beurteilungen als "politisch unbedingt zuverlässig" eingeschätzt, den jüdischen Homosexuellen Otto Sternfeld im April 1938 zu einer weiteren, dreimonatigen Gefängnisstrafe. Zugleich mutmaßte er im Urteil: "Vielleicht hat er, wofür die Lebenserfahrung spricht, noch viel mehr auf dem Kerbholz, als er zugegeben hat." Möglicherweise um weitere Geständnisse von ihm zu erpressen, steckte die Kriminalpolizei Otto Sternfeld nach Verbüßung seiner regulären Haftstrafe am 6. Mai 1938 in der Zeit vom 16. bis 24. Juni 1938 erneut ins KZ Fuhlsbüttel. In den Akten der Fürsorgebehörde wurde ergänzend vermerkt, er sei anschließend vom 23. Juni bis zum 24. März 1939 im KZ Sachsenhausen inhaftiert worden.

Unter dem Eindruck der Konzentrationslagerhaft verstärkte Otto Sternfeld seine Bemühungen um eine Auswanderung nach Shanghai mit Hilfe des Jüdischen Hilfsvereins, doch diese scheiterten. So blieb er nach der Haftentlassung notgedrungen in Hamburg, verzog aber in die kleine Straße Grindelstieg 4 am Anfang der Bundesstraße und wurde seit August 1939 für die Firma Karl Vogt auf Finkenwerder und im Juli 1940 auch zur Trockenlegung eines Moores im hannöverschen Harsefeld eingesetzt. Zuletzt war er als Heizer für die Firma Nagte & Neffen tätig.

Erneut wurde Otto Sternfeld im Herbst 1941 von einem ehemaligen Sexualpartner bei dessen Verhör durch das für "homosexuelle Delikte" zuständigen 24. Kriminalkommissariat als Partner genannt, verhaftet und Verhören durch die Kripo unterzogen, während derer er vom 1. bis 10. Oktober 1941 zum dritten Mal im KZ Fuhlsbüttel einsitzen musste. Unter dem Eindruck dieser Zwangsmaßnahmen gab er zur Verteidigung an, regelmäßige sexuelle Verhältnisse mit jüdischen Frauen zu pflegen und nur zufällig mit dem 19-jährigen Arbeiter, der ihn gegenüber der Polizei verriet, einen einmaligen homosexuellen Kontakt erlebt zu haben. Nach seinen Geständnissen wurde er in reguläre Untersuchungshaft überstellt.

Wegen des jugendlichen Alters und der Einschätzung der geistigen Fähigkeiten des Partners (Amtsgerichtsdirektor Erwin Krause beschrieb diesen in seinem Urteil vom November 1941 mit den Worten: "… macht einen völlig beschränkten Eindruck, der Haarwuchs reicht bis tief in die Mitte der Stirn hinein. Der Ausdruck ist der eines typisch blöden, schwachsinnigen Menschen") wurde Otto Sternfeld als "Verführer" eines vermindert Zurechnungsfähigen nach §175a Ziffer 3 zu einem Jahr und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt.

Die Strafe verbüßte er ab Ende November 1941 im Strafgefängnis Lingen im Emsland. Von dort wurde er im Januar 1942 ins Emslandlager V nach Neusustrum überstellt. Wegen "Mooruntauglichkeit" folgte am 26. September 1942 eine Überstellung in das Zuchthaus Bremen-Oslebshausen.

Im Dezember 1942 fragte die Gestapo Hamburg bei der Staatsanwaltschaft Hamburg an, "ob der Jude Sternfeld gemäß den Richtlinien nach dem Osten evakuiert werden kann". Inzwischen besagte nämlich seit Herbst 1942 ein Erlass, dass Zuchthäuser, Gefängnisse und Konzentrationslager im Reichsgebiet "judenfrei" gemacht werden sollten. Das Amtsgericht Hamburg antwortete willfährig und stellte Otto Sternfeld "zur dortigen Verfügung". Seine Strafvollstreckung galt mit dem Zeitpunkt der Überstellung an die Staatspolizeistelle als "unterbrochen". Am 14. Januar 1943 erfolgte seine Deportation aus dem Zuchthaus Bremen ins KZ Auschwitz. Dort wurde gut einen Monat später für den 10. Februar 1943 sein Tod im Alter von 42 Jahren vermerkt.

Vor dem letzten Wohnsitz Otto Sternfelds im Grindelstieg 4, heute Grindelweg 4, – das Haus hat die Kriegszerstörungen überdauert – konnte kein Stolperstein verlegt werden, da es sich um eine Privatstraße handelt. Der Stolperstein liegt daher an der Ecke zur Bundesstraße.

Stand: Juli 2017
© Bernhard Rosenkranz (†)/Ulf Bollmann

Quellen: 1; StaH 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung, Ablieferung 2, 451 a E 1, 1 b und 451 a E 1, 1 c; 213-11, Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 3946/38 und 3222/43; 242-1 II Gefängnisverwaltung II, 27537 (= 741-4 Fotoarchiv, A 262) und Ablieferungen 13 und 1998/1; 314-15 Oberfinanzpräsident (Devisenstelle und Vermögensverwertungsstelle), FVg 5813; 331-1 II Polizeibehörde II, Ablieferung 15 Band 1; 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge – Sonderakten, 1916; Rosenkranz/Bollmann/Lorenz: Homosexuellen-Verfolgung, S. 110 u. 261.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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